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Österreich forscht noch zu wenig

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Im Vergleich zu den westlichen Industrieländern wird in Österreich wenig geforscht. Die notwendige Anpassung unserer Wirtschaftsstruktur erfordert intensivierte Forschung.

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Im Vergleich zu den westlichen Industrieländern wird in Österreich wenig geforscht. Die notwendige Anpassung unserer Wirtschaftsstruktur erfordert intensivierte Forschung.

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In Österreich führte 1963 die erste Erhebung über Forschung und Entwicklung zur schockartigen Erkenntnis eines überraschend hohen Forschungsrückstandes.

Während damals die meisten Industrieländer zwischen ein und zwei Prozent ihres Bruttonatio-nalproduktes für Forschung ausgaben, waren es in Österreich nur rund 0,33 Prozent. Seit in Osterreich 1967 zur Förderung der wirt-schaftsbezogenen technologischen Forschung ein eigener Fonds geschaffen wurde, hat auch dieser aufgezeigt, daß Österreichs Industrieforschung erst rund 50 Prozent des internationalen Standes erreicht hatte.

Seitdem nun auch eine Berechnung des Institutes für Gewerbeforschung nachweist, daß ein in die Forschung investierter Schilling in fünf bis sechs Jahren im Durchschnitt rund 20 zusätzliche Umsatzschillinge erbringt, hat sich auch in der österreichischen Wirtschaftspolitik zunehmend der Gedanke durchgesetzt, daß erfolgreiche technologische Forschung in beträchtlichem Maß zusätzliche Arbeitsplätze schafft.aber auch steuerliche Rückflüsse an die Staatskasse auslöst.

Nun hat auch das Ludwig-Boltzmann-Institut für Wachstumsforschung eine technologiepolitische Studie veröffentlicht, die geeignet ist, einen weiteren Erkenntnisschock auszulösen.

Österreichs wirtschaftliche Situation leidet diesem Bericht zu- * folge unter einem ständig wachsenden Konkurrenzdruck aus den „Schwellenländern". Das sind jene Staaten der Dritten Welt, die bereits genügend industrialisiert sind, um Standardprodukte auf Grund ihres niedrigen Lohnniveaus zu Billigpreisen auf den Weltmarkt zu bringen.

Dies bedeutet für Osterreich die Notwendigkeit, sich aus vielen traditionellen Produktsparten vor allem im Grundstoffsektor zurückzuziehen, zugleich aber den Bereich der fortgeschrittenen Technologien soweit wie möglich auszubauen.

Lange Jahre hindurch hatte Österreich einen Großteil seines Wirtschaftswachstums Technologieimporten zu verdanken. Es bezahlte dafür mit dem Export von österreichischen Wissenschaftlern und Forschern, erbrachte also aufwendige Ausbildungsleistungen für das Ausland.

Daß es volkswirtschaftlich sinnvoller gewesen wäre, im Inland genügend Arbeitsplätze für österreichische Industrieforscher zu schaffen, wurde erst im Laufe der 70er Jahre angesichts eines die Milliardengrenze übersteigenden chronischen Defizits der Lizenzbilanz erkannt.

Immerhin sind in der österreichischen Industrie die For-schungs- und Entwicklungsausgaben in den siebziger Jahren fast doppelt so rasch gewachsen wie das Bruttoinlandsprodukt. Dieser Aufwärtstrend war wohl das beste Dementi einer auch für Österreichs technologische Forschung geltenden schwarzen Legende. Ihr zufolge war unser Land zwar Heimstätte verunglückter Genies — „österreichisches Erfinder-schicksal" —, aber nicht der Boden für zielbewußte technologische Forschung und deren Umsetzung.

All das ist durch Österreichs Leistungen etwa im Motorenbau, in der Medizintechnik, im Maschinenbau und anderen hochentwickelten technologischen Sparten längst widerlegt. Allerdings wurde die Forschungsexpansion der Wirtschaft nicht unwesentlich durch den Mangel an Risikokapital — sprich Eigenkapital — gebremst.

Forschungsfinanzierung im Kreditweg dürfte in Zukunft nur bei staatlicher Haftungsübernahme zum interessanten Bankgeschäft, werden. In bedeutendem Umfang kann sie letztlich nur von öffentlichen Stellen geleistet werden, die — wie der Forschungsför-derungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft—in der Lage sind, verlorene Zuschüsse zu gewähren.

OECD-Daten zeigen, daß der österreichische „Forschungsrückstand" nicht von professionellen Schwarzmalern erfunden wurde, sondern eine — allerdings überwindbare — Realität darstellt.

Nach den letztverfügbaren Vergleichszahlen aus 1975, welche die Forschungsausgaben des Unternehmenssektors (ohne Landwirtschaft und Dienstleistungen) in Prozent der Bruttowertschöpfung messen, nahm Österreich damals mit 1,46 Prozent unter 12 Ländern den letzten Platz ein. Die USA führten mit 6,5, gefolgt von Großbritannien (4,5), den Niederlanden (3,9), Schweden (3,8)...

Während Österreich einerseits zu den forschungsmäßig noch zu wenig entwickelten OECD-Staaten zählt, liegt es andererseits dem Pro-Kopf-Einkommen nach in der Spitzengruppe. Diese Diskrepanz führt die Untersuchung des Boltzmann-Institutes vor allem auf drei Ursachen zurück:

• Es wird die für eine Eigenforschung notwendige kritische Größe in Österreich von den dominierenden Kleinbetrieben nur selten erreicht

• es herrschen in unserem Land die traditionellen Konsumgüter, die wenig forschungsintensiv sind, vor und

• es fehlen jene Großtechnologien, die, wie etwa der Flugzeugbau, in anderen Ländern massiv vom Staat unterstützt werden.

Allerdings sollte man die kleinbetriebliche Industriestruktur nicht als unüberwindbares Hindernis für jede Eigenforschung ansehen, da auch ein statistischer Vergleich mit der BRD zeigt, daß dort Kleinbetriebe wesentlich forschungsintensiver sind als hierzulande.

Es fehlt nicht an Planungsgläubigen, die durch Prioritätensetzungen die Förderungsmittel auf bestimmte Technologien konzentrieren wollen, dabei aber vergessen, daß eine sich rasch umstrukturierende Weltwirtschaft technologische Mutmaßungen über die Zukunft oft rasch über den Haufen wirft.

Wichtig wird es vor allem sein, in allen geeigneten Unternehmen eine schlagkräftige Forschungskapazität aufzubauen, die, wenn immer die Situation es verlangt, Produkte und Verfahren weltmarktgerecht anpaßt oder neu schafft.

Dr.Konrad Ratz ist Geschäftsführer des For-schungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

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