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Österreich hat mehr zu bieten als Operetten und Lipizzaner

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Wittgenstein-Symposien in Cambridge und Zagreb, ein Thomas-Bernhard-Symposium in Triest, eines für Nationalökonomie von bekannten österreichischen Experten an der Columbia University in New York - fast jede Woche kann der aufmerksame Radiohörer und Zeitungsleser auf Nachrichten über kulturelle Aktivitäten von Österreichern irgendwo im Ausland stoßen. Ist diese Kulminierung ein Zufall oder steckt Absicht und Planung hinter dieser Darstellung eines neuen österreichischen Selbstverständnisses? Einem Selbstverständnis, an dem mehr Österreicher arbeiten als den meisten bewußt ist, um ein Image des Landes richtigzustellen, das in der Weltöffentlichkeit vom Sängerknaben, Lipizzaner, ope-rettenhafter Walzerseligkeit noch immer durch die ausländischen Medien geistert.

Das Wertvollste, das Österreich ex-

portieren kann, ist sein Kulturgut. Um es auch effektiv werden zu lassen, dafür bedurfte es eines Kulturmanagers. Die Idee kam vom Außenamt, das sich entschlossen hatte, neue unkonventionelle Wege zu beschreiten. Innerhalb der Sektion Kultur, deren Leitung zur Zeit Botschafter Dr. Hedwig'Wolf-ram innehat, wurde eine Kontaktstelle geschaffen, die außerhalb der Kanzleiordnung steht und völlig unbürokratisch arbeiten kann. Dieser „Kulturmanager“ wurde vor zweieinhalb Jahren in dem Gründer und Leiter der österreichischen Gesellschaft für Literatur, Dr. Wolfgang Kraus, gefunden.

Die zehn Kulturinstitute, die Österreich im Ausland unterhält, sowie die diversen Kulturattaches sind nur bedingt seine Kontaktstellen. Ein Hauskonzert in einem Kulturinstitut mit nachfolgendem Empfang mag wohl noch dann und wann ein hübscher

Aufputz sein, ist aber heute nicht mehr Sinn und Zweck dieser Einrichtungen. Wie Kraus sagt, sind sie heute zu Schaltstellen und aktiven Vermittlern geworden. „Weg von der Repräsentation“, meint er, „wir müssen hinausgehen auf die Universitäten; unsere Partner sind die lokalen kulturellen

Institutionen, Hörfunk, Fernsehen, ja sogar Kunst- und Musikagenturen. Kultur wird in der gesamten Auslandspräsenz Österreichs noch nicht optimal eingesetzt, so wie dies sein sollte. Es liegen noch zuviele Möglichkeiten offen!“

Deshalb werden nicht nur die Kulturinstitute mobilisiert, auch die Botschaften und politischen Vertretungen Österreichs im Ausland werden eingespannt. Die Diplomaten müssen motiviert werden. Kraus meint, es gibt heute nicht mehr den Nur-Diploma-ten, der wohl das Völkerrecht auswendig kennt, aber ein Kulturbanause geblieben wäre. - Naturgemäß bedarf es in erster Linie vieler Gespräche, wie der neueste Stand des kulturellen Bestandes in Österreich aussieht, was anderseits in dem betreffenden Land zu unternehmen ist. Musik ist nicht das einzige, das wir vorführen können. Wissenschafter aller Art werden vermittelt So gibt es etwa in nächster Zeit ein von österreichischen Fachkräften geleitetes Kunststoffsymposium in Teheran.

Auch wenn ein Operettenpotpourri ein gefühlvolles Erlebnis für seine Zuhörer sein mag - Dr. Kraus will weg

von der Nostalgie. Er will das heutige Österreich bekanntmachen, wenngleich die Tradition nicht ausgeschaltet werden soll; sie bleibt die Quelle. >

Auch berühmte Auslandsösterreicher wie Manes Sperber, der in Rom vortragen und aus seinen Werken lesen wird, konnten gewonnen werden. Für Fritz Hochwälder wurde eine Orienttour arrangiert, die ihn nach Istanbul und Teheran zu Vorlesungen führen wird. Großen Erfolg hatte man, als kürzlich der ausgezeichnete Österreichkenner Prof. Claudio Magris die „neue österreichische Avantgarde und die Grazer Gruppe“ als „Circulo Aus-triaco“ an der Universität von Triest vorstellte. Barbara Frischmuth geht ebenfalls auf eine Orientreise und wird an den Universitäten von Kairo, Teheran und Istanbul Seminare halten. An der University of Yale, wohl einer der berühmtesten der Vereinigten Staaten, wird Peter Demetz ein Hermann-Broch-Symposium halten; dort befindet sich der gesamte Nachlaß des Schriftstellers. Auch die beiden von Österreich gegründeten und finanzierten Lehrstellen an den Universitäten von Stanford und Minnesota werden naturgemäß in die kulturelle Aktivität einbezogen.

Als großen, äußerst wichtigen Fortschritt wertet Dr. Kraus, daß seit zwei Jahren Kultur als Prüfungsgegenstand in die Diplomatenakademie aufgenommen worden ist. Er selbst tritt dort als Prüfer auf. Auch ein Botschafter, der den normalen diplomatischen Dienst versieht, muß heute über Österreich als Kulturland Bescheid wissen. Es wird auch niemand mehr in den diplomatischen Dienst aufgenommen, der nicht kulturell ambitioniert ist. Ein kleines Beispiel nur, was bloß ein junger Botschaftsrat in Sachen Kultur auf eigene Initiative zu leisten vermag, beweist etwa Dr. Hans Brunmayr in Buenos Aires, der den bekannten Literaturwissenschaftler Jorge Luis Borg-hes zu einem Vortrag über Kafka gewinnen konnte und demnächst über Musil sprechen wird. Viele Diplomaten sind selbst überaus interessierte Persönlichkeiten, und gerade sie gilt es, im Ausland zu aktivieren. Diese kulturelle Außenarbeit ist Kleinarbeit, Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen, meint Kraus, und wird es auch bleiben müssen, weil die finanziellen Mittel eine größer angelegte Strategie nicht erlauben.

Zu dieser, ähnlich einer Agentur funktionierenden Arbeit kommt noch eine großzügige Buchaktion. Im Vorjahr konnten Bücher österreichischer Autoren, Wissenschafter und Literaten für 580.000 Schilling an Universitäten in der ganzen Welt versandt werden. Diese Aktion läuft weiter und ist ein wertvoller Beitrag, Österreich bekanntzumachen.

Wolfgang Kraus ist sich seiner außergewöhnlichen Stellung im Ministerium bewußt, doch auch seine höchst unkonventionelle Arbeitsweise, Drähte zu ziehen, Kontakte herzustellen und Ideen zu vermitteln, hat es im Kulturbereich noch nicht gegeben.

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