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Österreich und Europa: Horizont 80

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Drei Ereignisse deuten mehr als andere an, wie sehr die europäische Politik an der Wende der siebziger Jahre wieder ,in Bewegung geraten ist: die Schaffung eines Europäischen Währungssystems, der bevorstehende Eintritt der iberischen Staaten und Griechenlands in die Europäischen Gemeinschaften sowie die ersten direkten Wahlen in ein Europa-Parlament im Juni 1979.

Wird das Europäische Währungssystem - dessen Anziehungskraft auf das heute noch abseits stehende Großbritannien und selbst auf Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften nicht unterschätzt werden sollte - tiefgreifende qualitative Veränderungen in der Harmonisierung der Währungs- und Konjunkturpolitik der Staaten der Europäischen Gemeinschaften (EG) mit sich bringen, so wird der Beitritt Spaniens, Portugals und Griechenlands den Gemeinschaften erstmals weit über den engeren geographischen Bereich ihrer sechs Gründungsmitglieder hinaus zu transkontinentaler Wirksamkeit verhelfen. Von den 19 europäischen OECD-Mitgliedsstaaten werden damit zwei Drittel gleichzeitig auch den Europäischen Gemeinschaften angehören.

Wer Form und Ausmaß der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa im kommenden Jahrzehnt daher richtig einschätzen will - und diese Aufgabe stellt sich gerade für Österreich in besonderem Maße -, muß von diesen neuen Tatsachen ausgehen. Dazu gehört der Umstand, daß durch die Abkommen von Lom, deren Erneuerung bevorsteht, ein wachsender Kreis afrikanischer, karibischer und pazifischer Entwicklungsländer neuartige wirtschaftliche Beziehungen besonderer Art mit den EG unterhält. Damit kann sich das Verhältnis zwischen Nord und Süd entscheidend verändern.

Wie wichtig für Österreich eine Prüfung dieser Frage ist, zeigt schon der Umstand, daß durch die Erweiterung der EG deren Anteil am österreichischen Außenhandel (gemessen an den Ereignissen von 1977) auf mehr als zwei Drittel im Import (66,3%) und mehr als die Hälfte im Export (51,7%) anwachsen wird.

Österreich hat auf die wichtigsten Grundfragen, die der Prozeß der europäischen Integration seiner Außen-und Außenwirtschaftspolitik gestellt hat, die richtigen Antworten gefunden. Österreich war Gründungsmitglied der OEEC und hat mit Erfolg an der Integrationsübung EFTA teilgenommen.

Durch ideenreiche Mitarbeit - zuletzt durch die Wiener Gipfelkonferenz der Regierungschefs der EFTA -hat es dazu beigetragen, daß dieses wichtige Instrument europäischer wirtschaftlicher Zusammenarbeit auch nach dem Ausscheiden Großbritanniens und Dänemarks seine Funktion im europäischen Integrationsgeschehen erhalten konnte.

Die im Juli 1972 in Brüssel unterzeichneten Assoziationsverträge haben darüber hinaus das Verhältnis Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften in zeitgemäßer Form und ohne Beeinträchtigung der Beziehungen zu anderen wichtigen

Nord-Süd-Dialog

Wirtschaftspartnern Österreich innerhalb und außerhalb Europas geregelt.

Wie sehr die Europapolitik Österreichs unser Land in den letzten Jahren zu einem geschätzten und verläßlichen Partner der westlichen Industriestaaten am Atlantik gemacht hat, beweist nicht zuletzt der Umstand, daß Österreich für 1979 der Vorsitz über das alljährlich in Paris stattfindende Treffen der Außen- und Wirtschaftsminister der OECD übertragen wurde.

Zusammen mit dem Europäischen Rat (der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EG) und dem Gipfeltreffen von Tokio, das die Staats- und Regierungschefs der sieben größten Wirtschaftsmächte des Westens zusammenführen wird, ist diese Tagung eine der drei wichtigsten Stationen westlicher wirtschaftlicher Zusammenarbeit im heurigen Jahr.

So wie aber die Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft beständigen Änderungen unterworfen sind, kann auch der Prozeß der Zusammenarbeit der industriellen Demokratien Europas keineswegs statisch verlaufen. Der österreichischen Außenpolitik könnten damit in den 80er Jahren neue Grundfragen, betreffend Rolle und Stellung Österreichs in Europa, gestellt werden. Ihre Beantwortung sollte schon jetzt zum Gegenstand einer umfassenden Diskussion werden.

Den Rahmen für diese Diskussion stellen einerseits die neuen sich abzeichnenden Verhältnisse im demokratischen Europa, andererseits die unverrückbaren Grundsätze österreichischer Außenpolitik seit dem Abschluß des Staatsvertrages und der Annahme des Status der immerwährenden Neutralität dar, deren wichtigstes Ergebnis Bundeskanzler Kreisky unlängst in einem Gespräch mit einer großen deutschen Wochenzeitung dahingehend zusammengefaßt hat, daß es „keinen einzigen Tag gegeben hat, an dem die Österreicher von Sorge um ihre Freiheit und Unabhängigkeit erfüllt gewesen wären“.

In dieser Diskussion muß auch der Beitrag zum Ausdruck kommen, den Österreich als moderner und sozialen Ideen ergebener Industriestaat für die Schaffung neuer, gerechter und daher spannungsfreier Wirtschaftsbeziehungen in der Welt leisten kann. An dieses Potential Österreichs (und gleichgesinnter mittlerer Staaten im Westen und Norden Europas) hat erst unlängst der französische Staatschef Val6ry Giscard d'Estaing erinnert, als er in seiner letzten Pressekonferenz in Paris dazu aufrief, die EFTA-Staa-ten mögen sich mit den EG zu einem neuen Beginn im Nord-Süd-Dialog zusammenschließen.

Für diese Diskussion bedeutend ist aber nicht zuletzt auch die über die Geographie weit hinausreichende Verbindung dieses Landes zum Donauraum und zum Osten Europas und seine mannigfach bewiesene Fähigkeit, bloße Koexistenz zu neuen, fruchtbaren Formen gesamteuropäischer Zusammenarbeit weiterzuentwickeln.

(In einer der nächsten Nummern veröffentlichen wir eine Stellungnahme zum Thema Österreich und Europa aus der Sicht des ÖVP-Abge-ordneten Franz KARASEK.)

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