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Österreichs Banken unter Druck

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Mit der Entscheidung, den Sitz der „Europäischen Bank für Wie- deraufbau und Entwicklung" in London zu errichten, ging eine große Chance für Österreich als Finanz- zentrum verloren. In einem Europa der EG und eines marktwirtschaft- lich orientierten Ostens ergeben sich neue Perspektiven für Öster- reichs Bankenwelt, stellen sich neue Anforderungen.

Sicherlich ist Österreichs Bedeu- tung als regionales Finanzzentrum für den Osten nicht zu unterschät- zen. Mit 14 bis 15 Prozent Anteil an den Krediten westlicher Banken für Osteuropa läuft ein nicht zu über- sehender Anteil dieser Finanzströ- me über unser Land, während nur 1,2 Prozent des Gesämtkreditvolu- mens auf Österreichs Aktivseite gebucht wird. Gerade im Bereich der Ostfinanzierung besitzen unse- re Banken entscheidendes Know- how, könnten damit entscheidende Beiträge zum Aufbau der unterent- wickelten Finanzstrukturen Osteu- ropas leisten. Oft ist erst die Finan- Zierungskonstruktion der Schlüs- sel zum Zustandekommen eines Ostgeschäftes.

Eine Reihe österreichischer Ban- ken verfügt bereits über Joint- Ventures oder Repräsentanzen in Osteuropa, und die Bemühungen in dieser Richtung gehen intensiv weiter. Allerdings haben auch aus- ländische Banken ihre Niederlas- sungen in Wien, wenn es um die Ost-West-Finanzierung geht, oder sie sind ebenfalls in den Ostländern präsent.

Heinz Handler, Leitungsmitglied des „Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung" und Mitver- fasser einer Studie über die Aus- wirkungen der Finanzmarktinte- gration auf Österreich, tritt für ein Forcieren des Finanzplatzes Öster- reich ein, „wenn es jetzt nicht pas- siert, dann ist wahrscheinlich die letzte Chance weg. Die Finanzplät- ze in Ost und West werden etabliert sein, und wir sitzen irgendwo mit- tendrin und haben keine Funktion."

Wien kann dabei sicherlich nicht die Funktionen klassischer Finanz- zentren wie London oder Frank- furt erfüllen, deshalb ist der Osten ein guter Ansatzpunkt. Neben ei- ner funktionierenden Infrastruktur besitzen wir entscheidende Vortei- le, was Sprachkenntnisse, Ge- schäftskenntnisse und persönliche Beziehungen betrifft, könnten damit einen eng definierten Bereich ganz bestimmter Finanzdienstlei- stungen anbieten. Um diesen Plan verwirklichen zu können, müßte allerdings eine Reihe rechtlicher und steuerlicher Änderungen ge- schaffen werden, glaubt Handler, um eine entsprechende Unterneh- mensbasis für die Banken zu schaf- fen. Ansätze einer solchen Politik sind in der Steuerreform zu erken- nen, die gewisse Vorteile für inter- nationale Konzerne und Investoren zu bieten sucht. Insgesamt muß eine Basis für internationale Dienstlei- stungen geschaffen werden, wes- halb rechtliche Änderungen im Bereich der freien Berufe und des Gewerbes nicht ausbleiben dürfen.

Vor den Folgen eines freien EG- Finanzmarktes und der damit ver- bundenen Niederlassungsfreiheit der ausländischen Konkurrenz haben Österreichs Banker nach eigenen Angaben keine Angst. Al- lerdings beschäftigt sie der zu er- wartende Preisdruck und der schär- fere Wettbewerb doch, indem sie über kostensparende Rationalisie- rungsmaßnahmen im Zahlungsver- kehr nachdenken.

Eine weitere Strategie könnte in der Schaffung stärkerer Einheiten durch Fusionen kleinerer Banken bestehen. Neben einem Druck zur Spezialisierung auf gewisse Dienst- leistungen wird sich die Konkur- renz neuer Auslandsbanken vor allem im Großkundengeschäft aus- wirken. Das Kleinkundengeschäft wird weiterhin Sache der österrei- chischen Institute bleiben, da der Aufbau eines entsprechenden neu- en Filialnetzes einfach zu teuer wäre. Allerdings könnten sich ein- zelne Großbanken in das Vertriebs- netz über Beteiligungen an heimi- schen Häusern einkaufen, und damit auch in diesem Bereich tätig werden.

Handler sieht jedoch keine Ge- fahr im möglichen Verlust von Marktanteilen, denn insgesamt erwartet er eine Zunahme des Marktvolumens, wenn wir Teile des Ostgeschäfts, das zur Zeit anders- wo gemacht wird, auf Österreich konzentrieren können.

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