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Österreichs Kreditapparat in Bewegung
Die Pressekonferenzen der großen Banken in den letzten Wochen zeigten es ebenso wie der kurzfristige Wirbel um die Auslandsveranlagungen der Genossenschaftlichen Zentralbank: Der österreichische Kreditapparat ist in Bewegung geraten. Plötzlich scheint eines der beständigsten Kartelle Österreichs, das Zinssatzkartell der österreichischen Kreditinstitute bei den Einlagezinsen, offiziell Habenzinsabkommen genannt, ins Wanken geraten.
Nachdem sich Generaldirektor Dr. Emdl von der Länderbank zu einer liberalen Wirtschaftspolitik und auch zu mehr Wettbewerb in der Kreditwirtschaft bekannt hatte, sprach sich auch BAWAG-Generaldirektor Flöttl für eine freie Zinsbildung aus. Gleichzeitig erneuerte er die von seiner Bank schon seit Jahren ständig erhobene Forderung nach Freiheit der Filialgründungen. Diese Meinungen hat dann auch Generaldirektor Dr. Treichl von der größten österreichischen Bank, der Creditanstalt, vertreten.
An dieser Entwicklung ist einiges bemerkenswert. Wieder, wie schon im Juni 1974 und im Frühjahr 1976, kommt der Ruf nach einem marktwirtschaftlicheren Verhalten des österreichischen Kreditapparates bei der Verzinsung der Einlagen zuerst aus jenem Bereich des österreichischen Kfeditapparates, den man generell der sozialistischen Einflußsphäre zuordnen kann.
Im Frühjahr 1974 hatte ÖGB-Präsi- dent Anton Benya mit seiner Forderung, den Spareinlageneokzins von 3,5 auf 5 Prozent zu erhöhen, die fast zwanzigjährige Erstarrung dieses Zinssatzes gelöst.
Als Österreich dann im darauffolgenden Jahr die erste echte Rezession seit Kriegsende erlebte, wurde die höhere Verzinsung der Spareinlagen zu einem Kostenproblem. Denn hohe Einlagezinsen haben nicht nur die
Funktion, für den Sparer ein Entgelt oder wenigstens eine Inflationsabgel- tung zu sein, sie sind auch der wichtigste Kostenfaktor für die Kreditinstitute. Hohe Einlagezinsen bedingen hohe Kreditzinsen.
Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus war daher die von Zentral- sparkasse-Generaldirektor Mantler im Frühjahr 1976 erhobene Forderung nach einer Senkung der Habenzinsen eher zu spät als zu früh gestellt worden. Der dann getroffene Kompromiß, ab Mitte 1976 einige der Einlagezinssätze, den Spareinlageneckzins aber erst ab 1.1.1977 auf 4,5 Prozent zu senken, bewirkte allerdings, daß der Spareinlagenzinssatz gerade zu dem Zeitpunkt gesenkt wurde, da die hohe Sparneigung der österreichischen Bevölkerung erstmals seit Ende 1974 zurückzugehen scheint.
Damit trifft eine Abschwächung des Einlagenzuflusses zu den Banken mit einer steigenden Kreditnachfrage und einer Liquiditätsanspannung zusammen. Die Liquiditätsverknappung ist vor allem eine Folge der Verschlechterung der Zahlungsbilanz, die in den letzten Monaten zu einer zunehmenden Verschuldung des österreichischen Kreditapparates bei der Oester- reichischen Nationalbank geführt hat. Da aber die Notenbank nach offiziösen Äußerungen nicht mehr gewillt zu sein scheint, den durch das Zahlungsbilanzdefizit entstehenden Geldabfluß ins Ausland voll zu ersetzen, beginnt sich nun der Wettbewerb um die Einlagen zu verschärfen.
Ein Wettbewerb um Einlagen mit höheren Zinsen würde jenen Kreditinstituten ein Mehr an Einlagen bringen, die rationeller wirtschaften.
Die zweite Forderung nach einer Liberalisierung von Filialgründungen würde dagegen kaum zusätzliche Einlagen für die Gesamtheit der Kreditinstitute bringen und somit nur die volkswirtschaftlichen Kosten der Einlagensammlung bei den Kreditinstitu-
ten erhöhen. Wahrscheinlich würden konsumentengerechtere Öffnungszeiten der Kreditinstitute mehr bringen. Durch die Freigabe der Filialgründungen würden vor allem jene Kreditinstitute begünstigt werden, die derzeit weniger Filialen besitzen, das sind vor allem die verstaatlichten Großbanken und die Gewerkschaftsbank.
Der Sparkassen-, Volksbanken- und Raiffeisensektor hingegen würde bei einer Freigabe der Filialgründungen seine jetzige Vorzugsstellung verlieren, da diese Sektoren bereits über ein gutausgebautes Filialnetz verfügen.
Da die beiden letztgenannten Sektoren, und auch der Sparkassensektor mehrheitlich, der ÖVP nahestehen, gibt es nun Leute, die meinen, daß die zufällige Erwähnung der Genossenschaftlichen Zentralbank, des Spitzeninstitutes des Raiffeisensektors, bei der großen Kreisky-Taus-TV-Diskus- sion in ein größeres langfristiges SPÖ-Konzept gehört, den guten Ruf, den Einfluß und die Entwicklung dieses Teiles der Kreditwirtschaft ein wenig einzudämmen.
Ob diese Entwicklung, die den Trend zur Universalbank, d. h. zu der Bank, die in Massenfilialen Spareinlagen sammelt, und zu der Sparkasse, die in die Industriefinanzierung einsteigt, begünstigt, für die österreichische Gesamtwirtschaft vorteilhaft ist, ist zumindest fraglich.
In der Entwicklungsgeschichte der Geldwirtschaft zeigte sich nämlich, daß gerade die Spezialisierung in der Kreditwirtschaft am meisten das Wachstum der Wirtschaft fordert. Vielleicht gehört die Zukunft doch nicht der Universalbank, sondern den auf Industriefinanzierung, Entwicklungsprojekte, Firmengründungen und -fusionen, Umweltschutzinvestitionen spezialisierten Banken, die das kostspielige Sammeln von Kleineinlagen ruhig den anderen Kreditinstituten überlassen können.
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