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“Österreichs Milchmarktordnung eine wesentliche Komponente der Ernährungssicherung

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Aus der wechselvollen Geschichte der Vorläuferorganisationen des heutigen Milchwirtschaftsfonds ist zu ersehen: die Ausgleichs- und Lenkungsmaßnahmen haben sich zum Wohle der Produzenten, der Betriebe und der Konsumenten ausgewirkt. Die Landwirte können immerhin mit einem sicheren — wenn auch in vielen Fällen zu geringen — Einkommen rechnen und die Konsumenten können auf eine ausreichende und qualitativ einwandfreie Versorgung mit Milch und Milchprodukten vertrauen.

Die milchwirtschaftliche Gesetzgebung hat sich bisher als ein unentbehrlicher Bestandteil unserer Rechtsordnung erwiesen. Der Interessenausgleich zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern und Konsumenten unter Berücksichtigung der Verarbeitungs- und Handelsstufen wird daher auch weiterhin gegeben sein müssen. Eine falsch verstandene Freizügigkeit bei gleichzeitigem Verlust unserer Marktordnung würde für unseren Wirtschaftszweig jedoch einen sofortigen Rückfall in die schwere Zeit der dreißiger Jahre bedeuten. Aus der damals so unglückseligen wirtschaftlichen Situation — einen Umstand, den wir uns immer wieder vor Augen führen sollten — haben Uberlebenswille, Mut und Einsicht, gepaart mit wirtschaftlicher Vernunft das milchwirtschaftliche Ausgleichswesen geschaffen, auf das der Milchwirtschaftsfonds in wichtigen Teilen auch heute noch aufbaut. Dies gilt es, zu bewahren.

Die große Bedeutung der Milchwirtschaft für die gesamte Volkswirtschaft geht schon daraus hervor, daß sie mit einem jährlichen Umsatz von rund zehn Milliarden Schilling etwa dem Umsatz gigantischer Stahlkonzerne entspricht.

Die Marktordnung trägt nicht nur zur Existenzsicherung der rund 170.000 Milchbauern sowie etwa 11.000 Molkereiarbeiter und Angestellten bei, sondern sichert allen Konsumenten Milch und Milchprodukte zu gleichen Preisen und in bester Qualität.

Die Preisbildung auf dem Agrar-sektor wird nirgends auf der Welt dem völlig freien Wettbewerb und damit ausschließlich dem Marktmechanismus überlassen. Daher ergibt sich die Notwendigkeit, die wichtigsten Agrarprodukte einer Preisregelung zu unterwerfen. Damit sind die Preisstabilität, der Schutz der inländischen Produktion sowie ein geordneter Markt für die Konsumenten garantiert. Eine Preisregelung muß aber ohne Koppelung mit einer Marktordnung oder Marktlenkung wirkungslos bleiben.

Die Probleme der Nahrungsmittelversorgung haben früher nur einzelne Völker betroffen, heute aber bereiten die Schwierigkeiten auf dem Ernährungssektor international Sorgen. Diese Probleme der Ernährungssicherung machen auch vor unseren Grenzen nicht halt. Es handelt sich hier um langfristige Entwicklungstendenzen.

Es muß damit gerechnet werden, daß erst ab dem Jahr 1980 ein Rückgang der Zuwachsraten der Weltbevölkerung einsetzen wird und die Nachfrage nach Nahrungsmitteln global gesehen stark zunimmt.

Die Konsequenz für die österreichische Milchwirtschaft, aus der Entwicklung der Weltlandwirtschaft deduziert, ist eine bewußte Aufrechterhaltung einer kleinen Überproduktion, weil schon eine knappe Verbraucherbefriedigung einer Unterversorgung gleichkommt.

Der Überschußverwertungsgrad betrug für die Jahre 1968 bis 1973 zirka 15 bis 20 Prozent. Für die Kosten der Uberschußverwertung kommen derzeit die Landwirtschaft und die übrige Wirtschaft auf.

Es müßte zweckmäßigerweise ein Uberschußverwertungsgrad definiert werden, welcher für die gesamte Volkswirtschaft sowohl notwendig als auch tragbar erscheint. Die Kosten dieser Überschußverwertung müßten dann gesetzlich verankert werden.

Der Fett-Globalbedarf (Industrie und Nahrung) in Österreich z. B. beträgt zirka 200.000 t pro Jahr, davon für Industrie 80.000 t, Ernährung 120.000 t.

Der Fettverbrauch für Ernährung gliedert sich in 40.000 t Butter, 40.000 t Margarine, 40.000 t Öle und Fette. Die Fettkomponente der Milcherzeugung ist also nur ein scheinbarer Überschuß! Bei Wegfall preisgünstiger Importe käme man sofort ins Minus.

Um die Selbstversorgung zu garantieren, wird auch von Agrarwirt-schaftsexperten festgestellt, daß, je kleiner ein Land ist, je weniger es politisches, militärisches und wirtschaftliches Gewicht besitzt, je geringer seine Verankerung in internationalen Großmärkten ist, um so mehr sollte dieses Land seine Agrarmarkt-ordnung in den Dienst der langfristigen Ernährungssicherung auf der Grundlage der inländischen Agrar-erzeugung stellen, um sich auf diese Weise eine der wesentlichsten Voraussetzungen für eine politisch und wirtschaftlich möglichst weitgehende Unabhängigkeit zu bewahren.

Bei den bevorstehenden Verhandlungen um die Verlängerung der Marktordnungsgesetze müßten unter anderem Lagerhaltung und Bevorratung, die Erhaltung des landwirtschaftlichen Bodens und Viehbestandes und auch die Verpflichtung der Regierung berücksichtigt werden, jährlich einen Versorgungsplan aufzustellen, um so die Produktionsziele den Verhältnissen in der Weltwirtschaft anzupassen.

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