6872654-1978_30_15.jpg
Digital In Arbeit

Österreichs Zuckermarkt ist vorbildlich geregelt!

Werbung
Werbung
Werbung

Die österreichische Zuckermarktregelung gilt als Vorbild einer subventionsfreien, selbsttragenden Marktordnung und absatzorientierten, kooperierenden Vertragslandwirtschaft und Primärverarbeitung. In Form der vorwiegend privatwirtschaftlichen ösfer-reichischen Zuckermarktordnung wurde ein ökonomisch arbeitendes Lenkungsinstrumentarium entwickelt, das im Rahmen gewisser witterungsbedingter Toleranzen eine flexible und gezielte Anpassung der Erzeugung an den jeweiligen Gesamtbedarf bei optimaler Wirtschaftlichkeit ermöglicht.

Diese Marktregelung besteht im wesentlichen aus einer Verbindung von behördlichen Rahmenregelungen und privatrechtlichen Steuerungsmechanismen. Während sowohl das

Außen- als auch das Preisregime zur erstgenannten Art gehören, fallen die eigentlichen Marktlenkungsmaßnahmen, einerseits die Rübenbeschaffung und -Verteilung, anderseits die Inlands- und Exportzuckerabsatzregelungen in die zweite Kategorie und können unter dem Sammelbegriff Zuckerkartell untergeordnet werden.

Der Kartellvertrag der österreichischen Zuckerindustrie wurde bekanntlich nach gründlicher Prüfung seiner volkswirtschaftlichen Rechtfertigung und nach Durchführung einiger Modifikationen neuerlich in das Kartellregister eingetragen.

Grundsätzlich müssen bei der Beurteilung einer Marktregelung sowohl die spezifischen Merkmale und Erzeugungsvoraussetzungen als auch das internationale Umfeld des betreffenden Produktes in die Betrachtung einbezogen werden. Was den Rübenzucker beziehungsweise dessen, Erzeugung betrifft, so könnte hier unter anderem eine Verbindung der folgenden Merkmale als typisch angesehen werden:

• Grundnahrungsmittel, das wegen seiner praktisch unbegrenzten Lagerfähigkeit und vielseitigen Verwertbarkeit aus versorgungspolitischen und strategischen Gesichtspunkten beträchtliche Bedeutung besitzt.

• Funktionell bedingtes natürliches gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zuckerrüben Produzenten und Zuckerfabriken, da einerseits die Zuckerrübe wirtschaftlich vertretbar nur zu Zuk-ker verarbeitet werden kann, anderseits aber auch die Zuckerfabriken praktisch ausschließlich auf den Rohstoff Rübe angewiesen sind.

• Rohstoffbedingte kurze Verarbeitungsdauer des Typs einer Kampagneindustrie mit deren besonderen Problemen (hohe Anlägen- und Fixkostenintensität, Lagerungs- und Finanzierungserfordernisse).

• Dem Welthandel unterliegender börsenfähiger Rohstoff, von dessen weltweiter Gesamtproduktion - einschließlich des Rohrzuckers - allerdings nur ein geringer Teil (zehn bis 15 Prozent) den sogenannten Weltmarkt, der ein Residualmarkt ist, überhaupt berührt.

• International gesehen herrschen dirigistische und häufig offensive Zuckermarktordnungen vor, man denke vor al-

lern an die perfektionistischen und mit riesigem Aufwand verbundenen Regelungen der EWG-Zuckermarktordnung mit ihrem landwirtschaftlichen Ausrich-tungs- und Garantiefonds, ihren Ausfuhrerstattungen in gigantischer Höhe für Grund- und Folgeprodukte - die EG rechnet für das laufende Wirtschaftsjahr 1977/78 allein bei Zucker mit einem Stützungserfordernis von 471 Millionen Rechnungseinheiten, das sind umgerechnet elf Milliarden Schilling (!)-, ihren Interventionsstellen, ihrem Quotensystem, ihren Abnahme- und Preisgarantien für 135 Prozent der Grundquoten, ihren Einfuhrabschöpfungen, Lagervergütungen, Vorausfestsetzungsbescheiden-all dies noch verschärft durch das Abkommen der EG mit den sogenannten AKP-Staaten.

Vor diesem Hintergrund wird die Effizienz der österreichischen Zuckermarktregelung deutlich, ein System, das nicht nur die Sicherung der vollen Inlandsversorgung und überdies beträchtliche Zuk-kerexporte und damit Aktiva in Milliardenhöhe für die österreichische Handelsund Zahlungsbilanz ermöglicht, sondern darüber hinaus den Konsumenten zum Nutznießer eines im europäischen Vergleich günstig gelegenen Zuckerpreises macht.

Daraus ableitbar ist aber auch die Notwendigkeit, gerade angesichts der immer stärker werdenden expansiven Dynamik

der Brüsseler Zuckerpolitik der österreichischen Zuckerwirtschaft die Chance zu erhalten, ihre versorgungs-, agrar-, han-dels-, industrie- und beschäftigungspolitische Aufgabe zum Nutzen unserer Volkswirtschaft erfüllen zu können.

Im folgenden eine kurze Rückblende auf die Entwicklung der heimischen Zuk-kerwirtschaft seit Ende des letzten Weltkrieges, wobei hier drei zeitliche Abschnitte unterschieden werden können:

Die erste Phase bis gegen Ende der fünfziger Jahre, charakterisiert durch den Wiederaufbau und durch das Erreichen der vollen Inlandsversorgung.

Die zweite Phase umspannt die sechziger Jahre, beginnt mit dem Abschluß des Kartellvertrages und ist gekennzeichnet durch den Ausbau der Zuckermarktordnung mit dem Ziel, die Zuckerproduktion auf den Inlandsbedarf zu beschränken, da der Weltmarkt - besonders in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre - durch Überschüsse und extrem niedrige Weltmarktpreise charakterisiert war.

Die dritte Phase wurde etwa 1970 ein-geleitet.als im Zuge der ersten Anzeichen der internationalen Tendenzwende und der beginnenden weltweiten Zuckerverknappung die österreichische Zuckerwirtschaft einen vorsichtigen Expansionskurs steuerte. Wenn auch zunächst noch keine Zuckerexporte möglich waren, konnte doch von der Preiskommission die behördliche Genehmigung zur

Lieferung von österreichischem Veredelungszucker erreicht werden. Die Möglichkeit, inländischen Zucker zu Weltmarktpreisen für die Exportproduktion zur Verfügung zu haben, gab auch den kleineren Weiterverarbeitern verbesserte Exportchancen, da viele Klein- und Mittelbetriebe vorher von einem Zuckerbezug vom Weltmarkt wegen der Mindest-bezugserfordernisse, des administrativ mühsamen Einfuhrverfahrens und dergleichen mehr praktisch ausgeschlossen waren, ganz abgesehen von der gesicherten und nahen Beschaffungsbasis bei Inlandsbezug und der besseren österreichischen Zuckerqualität.

Diese zusätzlichen Erzeugungsmöglichkeiten wurden durch das Abkommen Österreichs mit den Europäischen Gemeinschaften und das damit verbundene

Parteienübereinkommen vom Oktober 1972 noch ausgebaut. Erstmalig erfolgten auch Zuckerexporte in unverarbeiteter Form.

Die weltweite Zuckerkrise 1974/75 führte in Österreich im Zuge eines auch von der Bundesregierung unterstützten Stabilisierungs- und Sozialpartnerabkommens zu einer gezielten Ausweitung der Rübenanbauflächen und zu vergrößerten Zuckerexporten, wobei allerdings durch dieses Abkommen der Inlandszuk-kerpreis bis 31. Jänner 1978 eingefroren wurde.

Aus heutiger Sicht kann festgestellt

werden, daß die Gewinner dieses Abkommens sowohl die Konsumenten als auch der Staat waren. Während die Verbraucher bei voller Versorgungsgarantie durch die Zuckerindustrie einen durch drei Jahre unveränderten und im westeuropäischen Vergleich fast an letzter Stelle liegenden Zuckerpreis hatten, war vor allem der Staat Nutznießer, erstens durch die positiven Auswirkungen der Zuckerexporte im Ausmaß von weit über einer Milliarde Schilling auf die Handels- und damit Zahlungsbilanz, zweitens, agrar-wirtschaftlich gesehen, durch die Einsparung von Kosten und Subventionszahlungen, da der ungestützte Zuckerrübenanbau im Ausmaß der für die Exportproduktion benötigten Flächen andernfalls l gestützte Getreideflächen ersetzte.

Durch den besonders in der zweiten Hälfte 1976 einsetzenden Verfall desZuk-kerweltmarktes reichten die Exporterlöse angesichts des unveränderten Inlandspreises jedoch für die Zuckerindustrie bei weitem nicht aus, um die in diesen drei Jahren stark gestiegenen Kosten zu decken.

Am 1. Februar 1978 wurde der Zuckerpreis nach einem strengen preisbehördlichen Prüfungsverfahren, das ein betriebswirtschaftliches Erhöhungserfordernis von 21 Prozent ergab, um lediglich 14 bis 14,5 Prozent, je nach Sorte, angehoben.

Abschließend sei darauf hingewiesen, daß der Zuckerwirtschaft unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten besondere Bedeutung zukommt. Während allein in der österreichischen Zuckerindustrie etwa 2500 Dauerarbeitsplätze gegeben sind, steigt während der Kampagne die Beschäftigtenzahl in den Zuckerfabriken auf fast 4000 an. Der Umsatz der Zuckerindustrie liegt in der Größenordnung von 2,5 bis 3 Milliarden Schilling. Für rund 15.000 Rübenproduzenten stellt die Zuk-kerrübe nicht nur eine wichtige Einkommensquelle dar, sondern muß vor allem auch in ihrer positiven Funktion für die Fruchtfolge gesehen werden.

Zur Erhaltung unserer Zuckerwirtschaft und des bewährten Modells der österreichischen Marktregelung für Zuk-ker müssen im gesamtwirtschaftlichen Interesse gewisse Voraussetzungen erfüllt werden. Hiezu zählt vor allem ein kostendeckender Inlandspreis, Freizügigkeit Im Export und auf dem“ Sektor der Koppelprodukte Trockenschnitzel und Melasse, Beitritt zum Internationalen Zuckerabkommen - bei dessen Aushandlung in Genf im Vorjahr Österreich für sich eine Exportquote von 80.000 Tonnen durchsetzen konnte -, unbefristete Ermöglichung einer Grenzkostenkalkulation bei der Zuckerausfuhr, aber auch gewisse Mindestansätze eines handelspolitischen Offensivinstrumen tariums, insbesondere im Hinblick auf den Absatz des österreichischen Veredlungszuckers für die exportierende Weiterverarbeitungsindustrie. Letztlich sollte auch das Zuckerkartell, das die Basis für unsere Zuckermarktordnung darstellt, allseits und längerfristig als jenes Instrument anerkannt und akzeptiert werden, das die bisherige positive Entwicklung auf diesem Sektor ermöglichte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung