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ÖVP-Vorwahlen: Länder wollen Änderungen

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Die ÖVP einigte sich bei ihrer Regierungsklausur vor einem Jahr auf ein weitgehendes Vorwahlmodell und wagte sich damit auf glattes Terrain. Bei der diesjährigen Klausurtagung sind Reparaturen angesagt.

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Die ÖVP einigte sich bei ihrer Regierungsklausur vor einem Jahr auf ein weitgehendes Vorwahlmodell und wagte sich damit auf glattes Terrain. Bei der diesjährigen Klausurtagung sind Reparaturen angesagt.

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Nach der Wahlrechtsreform des Jahres 1992 wird bei der kommenden Nationalratswahl erstmals nach dem neuen Modus gewählt. In 43 Wahlkreisen werden jeweils zwischen einem und sieben Mandate „direkt” vergeben - für die Erringung eines dieser „Direktmandate” können dann bereits rund 4.200 Vorzugsstimmen ausreichen. In der Theorie heißt das, daß der Popularität der jeweiligen Wahlkreiskandidaten eine entscheidende Bedeutung für das Abschneiden ihrer Partei zukommt.

Die logische Konsequenz daraus war, daß SPÖ und ÖVP Vorwahlen zur Erstellung ihrer Parteilisten beschlossen. Die Volkspartei ging dabei noch um einen Schritt weiter als ihr Koalitionspartner: Die Vorwahlen sollten auch Nicht-Mitgliedern offenstehen - und zwar sowohl beim aktiven als auch beim passiven Wahlrecht. Konsequent durchgezogen, würde dies das Ende des bündischen Proporzes in der ÖVP bedeuten.

Nach der niederösterreichischen Landtagswahl im Mai 1993, bei der dieses Vorwahlmodell bereits angewendet wurde, kehrte freilich der Katzenjammer ein: Arrivierte Parteigranden mußten um ihren Landtagssitz zittern, die Parteiliste wurde im nachhinein umgereiht.

Nun soll auch das Vorwahlmodell für die Nationalratswahl wieder geändert werden. „Am liebsten wäre es den meisten, wir hätten das alles nie beschlossen”, formulierte ein ÖVP-Vorstandsmitglied gegenüber der FURCHE: „Aber ein Jahr, nachdem wir die Vorwahlen mit Pomp und Trara beschlossen haben, können wir wohl schwerlich alles wieder rückgängig machen.” Das Dilemma der Busek-Partei: Wie kann man über ein offenes Vorwahlmodell neue Aktivisten zur Partei bringen ohne daß gleichzeitig alteingesessene Mandatare Platz machen müssen. Da nicht anzunehmen ist, daß die ÖVP Mandate dazugewinnen wird, gleicht dieses Anliegen dem Versuch zur Quadratur des Kreises.

Modell Niederösterreich

Vor allem die Landesorganisationen wollen bei der Regierungsklausur der ÖVP am kommenden Wochenende im obersteirischen Pichlarn auf Änderungen drängen. Vorarlbergs Landesparteisekretär Martin Ruepp befürchtet „Streuverluste” bei allzu offenen Vorwahlen: „Wir wollen das ,Salzburger Modell'. Das heißt, daß nicht alle Stimmbürger bei den Vorwahlen aktiv wahlberechtigt sein sollen, sondern bloß alle Parteimitglieder und darüber hinaus nur jene Bürger, die sich rechtzeitig in Wählerlisten eintragen lassen.”

Auch Niederösterreichs Landesparteisekretär Ernst Strasser will bei der Klausur „die Erfahrungen aus der Landtagswahl einbringen”. Ihm ist wichtig, daß das Vorwahlmodell „für die Wähler transparent ist. Das heißt, daß von vornherein klar ist, daß zwei Drittel der Listenplätze verbindlich über die Vorwahlen festgelegt werden und der Rest von den Parteigremien nominiert wird”. In manchen Bundesländern wäre es daher schwierig, alle „Direktmandate” über die Vorwahlen zu vergeben.

Wiens Landesparteiobmann Bernhard Görg plagen ähnliche Sorgen: „Ausgehend vom letzten Wahlergebnis können wir in Wien bestenfalls mit zwei Direktmandaten rechnen. Gerade in Wien aber drängt sich die Parteiprominenz um die Listenplätze - angefangen vom Parteiobmann und den beiden Generalsekretären bis zum Klubobmann.” Für Politik-Neulinge, für die das Vorwahlmodell eigentlich gedacht war, gebe es daher kaum Chancen: „Das muß man den Wählern aber auch sagen, weil sie sich sonst gefrotzelt fühlen. Sofern wir uns in der Bundesparteileitung einigen, werden wir ein eigenes, Wienspezifisches Modell erarbeiten.”

ÖVP-Generalsekretär Ferdinand Maier blockt jedenfalls ab: „Ich sehe derzeit keinen Anlaß für Änderungen. Die Vorwahlen sollen für alle offen und für die Partei verbindlich bleiben.” (Vorschau auf die ÖVP-Klausur auf Seite 5)

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