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Offenbarungseid auf Raten
Österreichs Bundeshaushalt ist völlig aus den Fugen geraten. Mitdem siebenten (!) „Sanierungsbudget“ in ununterbrochener Reihenfolge drojit nun ein Quantensprung von einem Bruttobudgetdefizit in Höhe von rund 50 Milliarden Schilling (1981) auf rund 65 Milliarden Schilling im Jahr 1982. Demnach würde im kommenden Jahr das Budgetdefizit um 30 Prozent steigen, während für das nominelle Sozialprodukt mit einem Wachstum von etwa 9 Prozent (real 2 Prozent) zu rechnen ist.
Jedes bessere Ergebnis als ein 65- Milliarden-Schilling-Rekorddefizit bezeichnet Finanzminister Herbert Sal- cher heute schon als einen großen Erfolg. Uber die Finanzierbarkeit eines solchen Budgetdefizits schweigt er sich freilich aus und man kann diese Zurückhaltung wenigstens menschlich begreifen, wenn schon nicht wirtschaftlich verstehen.
Von den Sünden der Vergangenheit endgültig eingeholt, bietet die Bundesregierung das traurige Bild einer Reisegesellschaft, die nicht weiß, wohin die Fahrt geht und wer für die Fahrtkosten und den Proviant aufkommen soll.
Auf der Einnahmenseite wurden in den letzten Monaten so ziemlich alle Quellen genannt, von denen man glaubt, daß sie sich noch ein wenig auspressen lassen würden. Da gab es die Diskussion um die Einführung einer „Sparbuchsteuer“, dann Überlegungen, den Spitzensteuersatz von derzeit 62 auf 65 bis 80 Prozent anzuheben, schließlich die Idee, ein Wahlversprechen zu brechen und den 13. und 14. Monatsgehalt stärker zu besteuern, dann die inzwischen recht realistisch gewordene Absicht, die Höchstbeitragsgrundlagen für die Berechnung der Pensions- und der Krankenversicherung empfindlich zu erhöhen und zuletzt die politische Willenserklärung, die Rechnungslegung ab Beträgen von mehr als 300 Schilling zur behördlich kontrollierten Pflicht zu machen.
Auf der Ausgabenseite stockt dagegen der Einfallsreichtum der Bundesregierung, sieht man davon ab, daß Finanzminister Salcher Subventionen kürzen, die täglichen Essenszuschüsse für Beamte in Höhe von 10 Schilling streichen, eine Art interne Kontrolle der bürokratischen Prozesse etablieren und schließlich die Qualität der indirekten Investitionsförderung verschlechtern will.
Vorschläge, es der Bonner Koalition gleichzutun und auch den Zweck und die Höhe bestimmter Sozialausgaben in Frage zu stellen (beispielsweise die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) werden dagegen empört zurückgewiesen.
In einer miserablen konjunkturellen Situation, wo es nach Auffassung der Keynesianischen Nachfragesteuerung angezeigt wäre, Milliarden in die Wirtschaft zu pumpen, ist der Gestaltungsspielraum der Bundesregierung auf Null geschrumpft. Vorbei sind die Zeiten, da man mit der Politik des „deficitspending“ das ökonomische Geschehen anzukurbeln und Arbeitslosigkeit zu verhindern gelobte.
Heute plagt sich die Bundesregierung damit ab, ihren Schuldendienst fristengerecht zu bedienen und neue und teure Finanzierungsquellen zu erschließen. Für den kommenden Herbst plant die Bundesregierung mit einem neuen Finanzierungsinstrument (einem mit elf Prozent verzinsten „Kurzläufer“ von drei- bis vierjähriger Laufzeit) Kredite aufzutreiben. Dieses Unternehmen läuft unter dem Titel „Wiederbelebung“ des Kapitalmarktes und bedeutet doch nichts anderes, als letzte Reserven lockerzumachen.
1973 wendete der Bund rund neun Milliarden Schilling Tür die Rückzahlung seiner Schulden auf, bis 1978 erhöhte sich die Schuldentilgung auf rund 29 Milliarden Schilling und in diesem Jahre beträgt sie bereits rund 40 Milliarden Schilling. Allein seit 1975 vervierfachte sich der Schuldenstand des Bundes, während in diesem Zeitraum die Rückzahlungen nur um etwa das Dreifache stiegen.
Auf der einen Seite treibt der steigende Kreditbedarf des Bundes das Zinsniveau zusätzlich in die Höhe (siehe Seite 4) und verteuert damit die Investitionsfinanzierung der Unterneh
men, auf der anderen Seite führen die immer kürzeren Laufzeiten der staatlichen Schuldtitel zur Umschuldung in immer höherverzinsliche Kredite.
In diesem Jahr sind die staatlichen Ausgaben für den Finanzschuldendienst bereits höher als die Ausgaben für den Sektor Wirtschaft (Bauten, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft und Preisausgleiche) zusammen. Im nächsten Jahr wird sich dieses extrem ungünstige Verhältnis weiter, und zwar dramatisch verschlechtern.
Diese erdrückende Schulden- und Zinsenlast macht es dem Staat nahezu unmöglich, neuen politischen und ökonomischen Herausforderungen gerecht zu werden. Nur eine sehr konsequente Sparpolitik über Jahre hinweg würde die Regierung aus dem offensichtlichen Zustand der Handlungsunfähigkeit retten. Doch was immer in den letzten Wochen und Monaten zur Budgetsanierung zu hören war, von Sparen war dabei höchst selten die Rede.
Finanzminister Salcher wurde der Titel eines „Schotten aus Tirol“ zugeschrieben, doch vorderhand hat man den Eindruck, daß sich seine Knausrigkeit auf Vorschläge für Kürzungen auf der Budgetausgabenseite beschränkt. Darum aber wird kein Finanzminister herumkommen, der die österreichische Budgetnot bei der Wurzel packen will.
Verlorene Zuschüsse für leider unrentable Betriebe, soziale Privilegien in schwer defizitären Staatsbetrieben und sozialen Transferleistungen ohne besondere sozialpolitische Notwendigkeit sind Anachronismen in einer Zeit, da der Bundeshaushalt völlig aus den Fugen geraten ist.
SPO-Klubobmann Heinz Fischer hat vor einigen Wochen in der TV-Sendung „Politik am Freitag“ ein überraschendes Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip abgelegt. Hier liegt die Chance zur Kurskorrektur.
Für eine sozialistische Partei mag diese Erkenntnis sehr schmerzhaft sein, für den Staat aber liegt in der stärkeren Eigenvorsorge und Selbstbeteiligung seiner Bürger die Chance zur wirtschaftlichen Konsolidierung.
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