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(Ohn-)Machtspiele

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Verfassungen legen neben gewissen Grundwerten und Handlungszielen vor allem Organisation und Entscheidungsverfahren des Staates fest und präzisieren und formalisieren die politische Willensbildung und staatliche Rechtssetzung.

Regelungen über Wahlen von Parlamenten und Regierungen kommt in demokratischen Staatsverfassungen deshalb besondere Bedeutung zu, weü durch Wahlen die Bürger eines Staates direkt oder indirekt am Aufbau des staatlichen Machtapparates und der Ausübung staatlich-politischer Herrschaft mitwirken.

Dabei wird in relativ kurzen Zeitrhythmen nicht nur über konkrete Programm- und Personalalternativen entschieden, sondern auch eine abstrakte Zuweisung politischer Macht vorgenommen. Wahlen regulieren somit den personellen Wechsel in der Ausübung staatlich-politischer Macht, entschärfen ihn aber zugleich, indem sie ihn zu einem mathematischen Berechnungsverfahren sublimieren.

Wahlen markieren auch gfcich-sam künstliche Unruhezonen im politischen System, mit denen allerdings trotz oder vielleicht gerade wegen der intensiven kurzfristigen Politisierung der Bürger, der Thematisierung kontroverser Sachstandpunkte und Interessen und der neutralisierenden Rekrutierung politischer Machtträger eine längerfristige Stabilisierung des staatlich-politischen Systems möglich wird.

Erst diese nachfolgende Beruhigung des politischen Lebens nach den periodisch eingebauten Irritationen und personellen und thematischen Innovationsimpulsen durch Wahlen erlaubt dann auch ein kontinuierliches, problembezogenes Arbeiten in Parlament, Regierung und Verwaltung.

Von diesen klassischen Funktionen der Wahl geht auch die burgenländische Landesverfassung des Jahres 1981 aus, die zwar in manchen Bereichen, wie den direktdemokratischen Bürgerrechten und den parlamentarischen Kontrollrechten, wichtige Neuerungen brachte, aber das Wahlverfahren für Landtage und Landesregierung nicht wirklich entscheidend verändert hatte.

Vielmehr ist gerade bei der Wahl der Landesregierung eine Tradition rechtlich zementiert worden, die von SPÖ und ÖVP seit 1945 durch eine groß-koali-tionäre Praxis vorgeformt worden war.

Demnach wurde das Konzept der proportionalen Regierungs-Zusammensetzung zum Normalfall erklärt, das heißt, daß Landeshauptmann, Landeshauptmann-Stellvertreter und die übrigen fünf Landesregierungsmitglieder nach der Mandatsstärke der Landtagswahl eher von den Parteifraktionen bestellt als vom Landtag echt gewählt werden, wobei üblicherweise der Landeshauptmann der mandatsstärksten Fraktion und der Stellvertreter der zweitstärksten Fraktion zusteht (Fraktionswahlrecht).

Lediglich für den Fall, daß es zu keinem diesbezüglichen gemeinsamen Wahlvorschlag der nach dem Proportionalitätsprinzip anspruchsberechtigten Fraktion kommt - aufgrund der Landtagswahlergebnisse vom 4. Oktober sind dies für die SPÖ vier und für die ÖVP drei Mitglieder -, wäre vorgesehen, daß der Landeshauptmann und der Landeshauptmann-Stellvertreter je-weüs auch mit einfacher Stimmenmehrheit vom Landtag gewählt werden könnten, ohne daß sich jedoch das Stärkeverhältnis in der Landesregierung verschieben würde.

In einer politischen Ausnahmesituation oder in einer personell verfahrenen Lage kann diese Lösung durchaus notwendig werden

- aber taugt sie auch für den Normalfall?

Wahlen stellen, wie gesagt, Unruhephasen dar, die gelegentlich auch radikale personelle und sachliche Veränderungen mit verschiedensten möglichen innerparteilichen, parlamentarischen und bürokratischen Dominoeffekten provozieren können. Nach einer gewissen Phase der durchaus positiv einzuschätzenden Entstabilisierung und Um-orientierung ist allerdings wiederum eine Neustabilisierung und Normalisierung des politischen Prozesses notwendig.

Dies verbietet es auch, im Gefolge von Wahlen oder durch Wahlen Unsicherheit und Unruhe zu perpetuieren oder künstliche Asymmetrien in der Regierungszusammensetzung ohne ausreichenden Grund zu riskieren.

Diese Überlegungen lassen zumindest unter den derzeitigen politischen Verhältnissen im Burgenland eine Majorisierung der SPÖ durch ein gemeinsames Vorgehen von ÖVP und FPÖ bei der Wahl des Landeshauptmannes als eher kontraproduktiv erscheinen.

Andererseits sollte aber auch ein Koalieren von SPÖ und ÖVP bei der Wahl von Landeshauptmann und Landesregierung keine starre wechselseitige parlamentarische Bindung der beiden Großparteien mit sich bringen.

Im Gegenteil: Durch wechselnde Mehrheitsbildungen im Landtag könnten endlich die Abgeordneten nicht nur ein wichtiges oppositionelles Korrektiv, vor allem gegenüber der jeweils gegnerischen Regierungsfraktion, entfalten (Bereichsopposition), sondern auch neue Impulse und Initiativen in die gouvernmental-bürokratische Routine einbringen. Zu hoffen wäre dann, daß dies endlich auch ein stärkeres direktdemokratisches Engagement der Bürger zur Folge hat.

Der Autor ist Professor für Staatsrecht und Politische Wissenschaften an der Universität Linz und hat als wissenschaftlicher Experte an der burgenländischen Verfassungsreform mitgearbeitet

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