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Digital In Arbeit

Ohne Fleiß und Schweiß

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Das Angebot ist groß, die Frequenz bei beruflichen Weiterbildungskursen und Umschulungen erschrek-kend gering. Herr und Frau Österreicher werden umdenken müssen.

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Das Angebot ist groß, die Frequenz bei beruflichen Weiterbildungskursen und Umschulungen erschrek-kend gering. Herr und Frau Österreicher werden umdenken müssen.

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Ubergroßen Bildungseifer kann man den österreichischen Arbeitnehmern nicht gerade vorwerfen. Zu diesem Ergebnis kommt das Statistische Zentralamt in einer neuen Studie.

Das ist'umso bedenklicher, als unser modernes, sich rasch wandelndes Wirtschaftsleben permanente berufliche Aus- und Fortbildung nachgerade verlangt. In wirtschaftlichen Krisenzeiten, in denen auch hierzulande der vielzitierte Strukturwandel zur ökonomischen Uberlebensf rage wird, wiegt die Bildungsabstinenz besonders schwer.

Im Dezember 1982 hat das Statistische Zentralamt im Rahmen des Mikrozensus einer repräsentativen Stichprobe von rund 40.000 Personen ein Fragenprogramm über berufliche Fortbildung und Umschulung vorgelegt. Zieht man die Befragten ab, die keine Auskunft gaben, wurden in dieser Untersuchung hochgerechnet immerhin über dreieinhalb Millionen Menschen erfaßt.

Ein Abschnitt des Fragenprogramms sollte Auskunft darüber geben, wie viele Österreicher im Laufe der gesamten Berufstätigkeit im sogenannten „Zweiten Bildungsweg" Schulen abgeschlossen und berufliche Prüfungen abgelegt haben. Lediglich 1,6 Prozent schafften den Abschluß einer berufsbildenden mittleren Schule (z. B. Handelsschule) im zweiten Anlauf, lediglich 0,8 Prozent beendeten eine berufsbildende höhere Schule und 0,6 Prozent erlangen das Maturazeugnis einer allgemeinbildenden höheren Schule. Gar nur 0,4 Prozent kamen neben ihrer Berufstätigkeit zu akademischen Ehren.

Wenn man schon zugesteht, daß die Matura an einer Abendschule oder ein Universitätsstudium nach Dienstschluß persönlich schon einiges abverlangen, dann stimmt doch auch nachdenklich, daß nur 3,6 Prozent der Befragten in ihrem Leben eine Meister- oder Konzessionsprüfung und 1,1 Prozent eine Werkmeisterprüfung abgelegt haben.

Auch bei fachbezogenen Kursen zeigen die Österreicher erstaunliche. Zurückhaltung. Knapp über 20 Prozent haben irgendwann einmal einen solchen Kurs besucht, um sich in ihrem Beruf weiterzubilden oder um einen anderen Beruf ergreifen zu können. Rund 13 Prozent der Befragten nahmen an sogenannten berufsorientierten Weiterbildungsveranstaltungen teil, das sind Kurse, die nicht unmittelbar mit dem ausgeübten Beruf oder einem Berufsänderungswunsch zu tun haben (z. B. Sprachkurse).

Die Statistikbeamten fragten auch danach, wie viele Personen in den Jahren 1981 und 1982 eine Schule, einen Kurs oder Fachveranstaltungen zur beruflichen Fortbildung oder Umschulung besucht oder in diesen beiden Jahren abgeschlossen haben. Das enttäuschende Ergebnis: Nur 10,8 Prozent antworteten positiv auf die diesbezügliche Frage.

Die geringe Beteiligung an Weiterbildungsveranstaltungen ist allein schon deshalb bedauerlich, als über die Hälfte der Kursteilnehmer angab, durch den Besuch eines Kurses einen deutlichen beruflichen Aufstieg erreicht zu haben.

Das reichhaltige Angebot der verschiedenen Fortbildungsinstitutionen wie Beruf sbildungsinsti-tut(BFI),Wirtschaftsförderungs-institut (WIFI) oder Gewerkschaften wird wohl auch in allernächster Zeit kaum intensiver genutzt werden. Mit mehr Zulauf dürfen aber die Kurse der Arbeitsmarktverwaltung rechnen, auch betriebsinterne Schulungen aus Mitteln der Arbeitsmarktförderung. Die Erklärung ist einfach.

In Zeiten steigender Arbeitslosenzahlen werden solche Schulungen meist zum Versteck für Beschäftigungslose. Arbeitsmarktexperten schätzen, daß die Arbeitslosenrate um mindestens ein Prozent höher wäre, gäbe es nicht die verschiedenen Kurse der Landesarbeitsämter. Kennzeichen dafür sind auch die Zuwächse der Schulungsbudgets des Sozialministeriums: 1981 betrug der finanzielle Aufwand noch 300 Millionen Schilling. Für 1984 sind schon 624 Millionen Schilling als Förderung solcher Schulungsund Umschulungskurse budge-tiert.

Die Effizienz dieser Bildungsmaßnahmen der Arbeitsmarktverwaltung wird allerdings angezweifelt. Vor allem die Fernschulung von zum Beispiel arbeitslosen Bauarbeitern gerät mitunter zur Farce: In der Tat dürfte ein Maurer mit schriftlichem Fortbildungsmaterial nicht allzuviel anfangen können. Ist er doch in erster Linie harte manuelle Arbeit gewöhnt und weiß, daß er die ein-bis viermonatige Fernschulung in erster Linie deshalb absolviert, um in dieser Zeit nicht „stempeln" gehen zu müssen.

Auch im Sozialministerium weiß man um die Problematik solcher Kurse für Arbeitslose Bescheid. Bis März dieses Jahres soll deshalb in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ein umfassendes Konzept für die berufliche Fortbildung, aber auch Umschulung erarbeitet werden.

Wo die Schwerpunkte eines solchen Konzepts liegen müssen, geht aus den Detailergebnissen der schon erwähnten Mikrozen-sus-Befragung des Statistischen Zentralamtes hervor.

Einmal liegt der Anteil der Frauen beim Besuch von Fortbildungskursen um weit mehr als die Hälfte unter den entsprechenden Werten der Männer. Und auch der Umstand, daß die Bildungsbereitschaft mit höherer Schulbildung wesentlich ansteigt, müßte in einem umfassenden Bildungskonzept Eingang finden. Denn es sind vor allem minder qualifizierte Arbeitnehmer, die auf dem angespannten Arbeitsmarkt übrigbleiben.

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