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Ohne Frauen geht’s nicht mehr

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Achtzig wäre der Pastoral- theologe Ferdinand Klostermann am 21. März geworden. Der frühere Wiener Erzbischof hielt die Festansprache zum Thema „Frau und Kirche"

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Achtzig wäre der Pastoral- theologe Ferdinand Klostermann am 21. März geworden. Der frühere Wiener Erzbischof hielt die Festansprache zum Thema „Frau und Kirche"

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Es wird häufig festgestellt, daß es in der Kirche vor allem Männer sind, die zum Thema „Frau in der Kirche“ sprechen. Zumindest was die Vorträge betrifft, die von sogenannten Amtspersonen oder Führungskräften gehalten werden. Aus diesem Grund habe ich bei der Vorbereitung meiner Ausführungen auch mit einigen Frauen gesprochen und dadurch wertvolle Anregungen und Hinweise erhalten.

Bei diesen Gesprächen habe ich dann auch eine Entdeckung gemacht, die ich mit den Worten meines verstorbenen Mitbruders, des Erzbischofs Jachym, formulieren möchte: „Nicht die Kirche, sondern die Männer in der Kirche müssen sich ändern.“ Bei der Beschäftigung mit unserem Thema ist mir auch klar geworden, daß ich als Mann - nur wenn ich zu meiner Rolle als Mann stehe - etwas, das Hoffnung und Zuversicht einschließt, sagen kann.

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist noch nicht erreicht und verlangt weiter unser Bemühen. Ganz im Sinne des II. Vatikanums („Die Kirche in der Welt von heute“, Art. 9): „Die Frauen verlangen für sich die rechtliche und faktische Gleichstellung mit den Männern, wo sie diese noch nicht erreicht haben.“ Es ist ein Zeichen der Zeit, daß in unserer Gesellschaft der Ruf nach der Gleichberechtigung der Frau erhoben wird.

Dazu zählt auch die Suche der Frauen nach einem neuen Selbstbewußtsein, nach wirklicher Selbstbestimmung — gegenüber der Fremdbestimmung durch Männer - nach einer gerechteren Verteilung der Lebenschancen auf dem Weg in eine Neubesinnung auf die Rolle der Frau. Auch hier hat die Kirche die Chance schon anfanghaft wahrgenommen, von der Welt zu lernen, im Sinne eines anderen Passus aus dem II. Vatikanum: „Der Kirche obliegt allezeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Lichte des Evangeliums zu deuten.“ (,»Kirche in der Welt von heute“, Art 4.}

In diesem Sinne ist ein positivkritisches Verhältnis zu den Auf- bruchbewegungen der Frauen von der Kirche erwünscht. Die Kirche wird ihrerseits christliche Frauen ermutigen, sich an diesen gesellschaftlichen Aufbruchsbewegungen der Frauen zu beteiligen und einen kritischen Beitrag aus der Erfahrung und Kenntnis des Evangeliums zu leisten.

Der Ruf nach Gleichberechtigung hat bewirkt, daß verschiedene institutionalisierte und psychologisch internalisierte Benachteiligungen der Frau bewußt geworden sind. Dabei ist allerdings eine Einschränkung zu machen: ein Großteil des kirchlichen Volkes hat die theoretisch erkannte Notsituation noch zu wenig erkannt. Wenn auch schon viel Positives geschehen ist, so müssen doch auch restaurative und gegenläufige Tendenzen festgestellt werden.

Das Anliegen der Gleichberechtigung der Frau ist vor allem in intellektuellen Kreisen bewußt geworden. Jetzt ist jedoch unser weiteres Bemühen mit dem Ziel gefordert, daß — wie es Paulus im Galaterbrief verlangt — in Christus alle gleichberechtigt sind. „Es gibt nicht mehr Juden und Christen, nicht mehr Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28). Mit diesen Worten hat Paulus auch für unsere Zeit eine Richtung gegeben.

Es muß Ziel der kirchlichen Bildungsarbeit, der Katechese, der Verkündigung, des Religionsunterrichtes sein, das allen Christen bewußt zu machen, was in kleinen Kreisen aufgebrochen ist. An dieser Stelle darf ich auf die Veröffentlichung des österreichischen Pastoralinstitutes „Frau, Partnerin in der Kirche“ hinweisen, die von der österreichischen Bischofskonferenz zustimmend zur Kenntnis genommen wurde. In dieser Handreichung wird mit Recht darauf hingewiesen, daß die Frauenfrage keine bloße Modeerscheinung ist, und daß es daher wünschenswert sei, daß möglichst viele Frauen und Männer dieses Anliegen im privaten und öffentlichen Leben in Kirche und Gesellschaft aufgreifen.

Im Sprachgebrauch der Kirche muß man feststellen, daß beim Begriff „Amt“ eine nicht immer einwandfreie Einschränkung auf das Priester- oder Bischofsamt üblich ist. Damit — so meinen manche - ist eine indirekte Diskriminierung miteingeschlossen.

Es ist hilfreich, zunächst ganz allgemein nicht vom „Amt“, sondern von vielfältigen kirchlichen „Ämtern“ zu reden. In den Paulusbriefen finden wir neben den Ansätzen des hierarchischen Amtes im Dienste am Evangelium und der Kirche bereits Hinweise auf Verschiedenheit von Ämtern und Dienstleistungen im pastoralen Sinn (1 Kor 12,5).

So kann man mit Karl Rahner das Amt des Diakonates ebenso mitbedenken, wie auch das Amt eines Pastoralassistenten oder das Amt eines Caritasdirektors oder eines Lehrers der Theologie. Alle diese sogenannten hauptamtlichen Aufgaben sind ja dem kirchlichen Amt näher, als wir gemeinhin annehmen. Diese Ausweitung des Amtsbegriffes könnte die Diskussion um Amt und Frau entscheidend entlasten.

Zugleich würde diese Auswei tung der Sprachregelung verhindern, daß das Amt von seinem Dienstcharakter getrennt wird. Wenn man zum Beispiel die Aufgaben in der Caritas oder die einer Gemeindereferentin nicht als Amt bezeichnet, werden diese Dienste vom Wortgebrauch her schon von der Verantwortlichkeit und Entscheidungskompetenz als Dienst in der Kirche in Verbindung mit dem hierarchischen Amtsbegriff getrennt. Es wäre daher nützlich, die Monopolisierung der Entscheidungsgewalt beim Amt im herkömmlichen engen Sinn aufzubrechen.

Mit einem veränderten Ge brauch des Amtsbegriffes eröffnet sich eine weitere Chance: Ich meine den Kompetenzausgleich. Nicht zuletzt durch die pastorale Not aufmerksam gemacht und gedrängt, sollten wir in der Kirche die Verantwortung soweit wie möglich teilen. Durch die Zusammenarbeit können wir die Kirche auch erneuern. Unabhängig von den gegenwärtigen kirchlichen Rechtsstrukturen sehe ich einen Weg, wenn wir an der oberen Grenze der Möglichkeiten verweilen.

So könnte man konkret fragen: Wie können Frauen beteiligt werden an Konzilien oder Bischofssynoden? Bei der letzten Bi- schofssynode haben beispielsweise bereits mit Mutter Teresa eine Reihe anderer Frauen teilgenommen. Wir können weiter fragen, wie Frauen in der Leitung von Gemeinden und Akademien beteiligt werden können. Man könnte auch überlegen, ob es in Zukunft nicht jedem Amtsträger im herkömmlichen Sinne aufgegeben sei, daß er sich die partnerschaftliche Mitarbeit von Frauen sucht, ihren Rat hört und sie damit am Gemeindeleben, ihrer Würde entsprechend, beteiligt.

In diesem Zusammenhang taucht eine andere praktische Frage auf: ich meine die auch in der Kirche wirksamen Herrschaftsstrukturen — das heißt, die Ausübung der Autorität — am Beispiel von Frauengemeinschaften und Frauenorden. Wie oft sind es doch Männer, die in diesen für die Kirche und ihre Spiritualität das letzte Wort zu sprechen haben. So wie heute Frauengemeinschaften im Begriffe sind, ihre eigenen Psychotherapeutinnen auszubilden, so ließe sich mit überlegen, wie weit sie die geistliche Führungsaufgabe einem geeigneten, dafür vorbereiteten und ausgebildeten Mitglied anvertrauen könnten.

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