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Ohne Illusion über Polen

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Sinn und Zweck von General Jaruzelskis Militärputsch am 13. Dezember 1981 war es, die unabhängige Gewerkschaft „Solidarität" zu liquidieren, den Prozeß der Erneuerung zu stoppen und das kommunistische totalitäre Regime zu restaurieren. Die Erwartung, daß der Kriegszustand in Polen bald aufgehoben wird und daß es schnell zur Entlassung der Internierten kommt, mutet so gesehen geradezu kindisch an. Und es ist eine direkte Naivität, zu glauben, daß es wieder zu einem ernsthaften Dialog zwischen der Regierung und der „Solidarität" kommen könnte.

Es gibt keine Rückkehr zur Zeit vor dem 13. Dezember. Was jetzt geschieht, ist ein abgekartetes Spiel mit dem Ziel, den Westen dazu zu bringen, eine weitere sowjetische Lektion zu schlucken — nach der ungarischen 1956, der tschechoslowakischen 1968, der afghanischen 1979 und vielen anderen.

Sollen wir so leichtsinnig sein und uns vortäuschen, daß Moskau außerhalb des polnischen Militärputsches 1981 steht? Sollen wir sogar unseren eigenen Völkern sagen, daß wir nicht an eine Beteiligung Moskaus glauben?

Die Existenz der Völker im Frieden zu sichern —, das bedeutet, die Substanz und die Rolle der Sowjetunion in der Welt von heute realistisch zu sehen...

Mit Unverständnis, manchmal mit Entsetzen höre ich die Reden mancher sozialistischer Spitzenfunktionäre, die die Illusionen vom Sowjetstaat und seinem angeblich um den Frieden zitternden Führern verbreiten. Auch ein Blinder muß doch sehen, daß die Herrscher aus dem Kreml ihre Soldaten nach Afghanistan schickten, um dort zu schießen. Sie schickten sie ohne Zittern und ohne Erbarmen.

Und mit dem Gefühl einer tiefen Enttäuschung höre ich die Worte derjenigen sozialistischen Führer, die Vergleiche zwischen den USA und der UdSSR anstellen. Solche Worte sind ein Beweis für das Unverständnis der gesellschaftlichen und politischen Probleme.

Die sogenannte Entspannungspolitik in ihrer bisherigen Form verhüllte die Unterdrückerrolle der Sowjetunion. Deshalb ist sie alles andere als Friedenspolitik. Die Entspannungspolitik ist am Ende, weil die Abkommen zwischen den Staaten des Westens und des Ostens zu keiner inneren Entspannung des Lebens der Bürger in den totalitären Staaten führten.

Eine für den Frieden in der Welt gefährliche Zone ist Osteuropa. Eine Zone der Spannung und der Unruhe. Ein Brennpunkt dieser Zone ist Moskau, das sich als Folge von Jalta für den Herrn Osteuropas hält. Der Sowjetstaat, der seine Bürger versklavte und vielen Völkern die Unabhängigkeit nahm, ist die größte Gefahr für die heutige Welt...

Einige Staatsmänner behaupten, man könne nichts tun — schließlich habe es ja Jalta gegeben. Jalta sei ein unverrückbarer Faktor, der zur politischen Situation im heutigen Europa geführt habe. Aber ein integraler Teil des heutigen Europas ist auch Helsinki.

Die Schlußakte von Helsinki ist ein Projekt zur Herstellung neuer Beziehungen zwischen den Staaten und zur Schaffung besserer Lebensmöglichkeiten für alle Europäer. Die Schlußakte bildet ein unteilbares Ganzes. Die ökonomische und Zusammenarbeit auf anderen Gebieten dient dem Geist von Helsinki nur dann, wenn sie durch Erfüllung der Artikel über Achtung der Menschenrechte begleitet ist. Ansonsten wird Helsinki zu einem Betrug an allen Völkern Europas.

Wir wissen, daß bei der Sowjetmacht keine schönen Erklärungen wirken. Es wirkt bei ihr nur dann etwas, wenn es ihre Interessen berührt.

Moskau wußte, daß eine militärische Intervention in Polen ihre strategische Hauptabsicht (das Bündnis Westeuropas mit den USA zu schwächen) bedrohen würde. Deshalb hat sie bereits im Frühjahr 1981 eine andere polnische Lösung angedeutet: die Militärdiktatur. Die ganze Aktion. mußte von langer Hand vorbereitet werden. Vor allem mußte man unter den Polen verläßliche Verräter finden.

So kam es zum kommunistischen Putsch gegen das polnische Volk. Die kommunistische Partei befand sich im Zerfall. Deshalb mußte die Armee den Putsch durchführen — eine Armee, in deren Führung auch der Chef der kommunistischen Partei steht.

In Polen wurde durch den Putsch nicht das kleinere Übel gewählt, sondern es kam zum Schlimmsten. Es fanden sich Polen, die für Moskaus imperiale Interessen ihrem eigenen Volk um den Hals griffen.

Aus diesen keineswegs leichten Zeiten werden die Polen den Namen eines Staatsmannes im Gedächtnis behalten: den von US-Präsident Reagan. Und zwar deshalb, weil er der einzige Staatsmann ist, der nicht nur eine Proklamation verbreitete, sondern der im tief steh Interesse des polnischen Volkes auch echte Schritte unternahm.

(Der Autor, tschechischer Jornalist, wurde in seiner Heimat aus politischen Gründen mehrere Male verhaftet, ehe er 1980 ausgewiesen wurde. Seither lebt er als freischaffender Publizist in Bayern. Er ist Autor des i'üngst im Kölner Bund-Verlag erschienenen Juches „Mein Polen lebt. Zwei Jahrhunderte Kampf gegen Fremdherrschaft".)

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