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Ohne Schwert geht's auch

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Die Zivildiener sind eine Minderheit im Staat und, wenn man es negativ formuliert, sie teilen dieses „Los”, mit vielen anderen Gruppen.

Positiv formuliert, ist unsere Gesellschaft eben kein Reichseinheitsbrei, sondern ein sehr bunter Haufen von Menschen mit unterschiedlichen Anliegen Problemen, Ausgangspunkten für ihr Leben.

Aufgabe der Gemeinschaft ist es, jedem Menschen, der in diesem Staat lebt, so viele Möglichkeiten, Chancen und Freiheiten als Rahmenbedingungen zu gewährleisten, daß der einzelne auch am eigenen Leib Gerechtigkeit und Freiheit verspüren kann. Denn es gibt den Staat, weil es den Bürger gibt und nicht umgekehrt.

Einer der Kernsätze des Christentums ist jener von der Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen. Deswegen ist jede Brandmarkung von Minderheiten, auch von Zivildienern, abzulehnen. Der Gedanke einer Brandmarkung erinnert an den gelben Stern, den die Juden im „Dritten Reich” tragen mußten.

Eisenreich sitzt einem argen Mißverständnis auf, wenn er meint, daß jene Menschen, die nicht Wehrdienst, sondern den von der österreichischen Verfassung anerkannten Zivildienst leisten, der Gesellschaft nur zur Last fallen.

Es sei nur darauf verwiesen, daß die Rettungsgesellschaften ihren Dienst an der Gemeinschaft gar nicht im heutigen Umfang aufrecht erhalten könnten, wenn nicht Hunderte Zivildiener ihren wahrlich nicht leichten Dienst ableisteten.

Der Wehrdienst ist überhaupt nur eine der Möglichkeiten der Verteidigung. Wenn es darum geht, den Bestand der unabhängigen demokratischen Republik Österreich zu sichern, sind auch die Zivildiener aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten. Es wurde und wird aber den Zivildienern ihr Beitrag zur Verteidigung verweigert. Die meisten Zivildiener sind bereit, einen Beitrag zur Verteidigung Österreichs zu leisten, nämlich einen Beitrag im Sinne einer gewaltfreien Verteidigung.

Gründe für den Aufbau einer gewaltfreien Verteidigung — zusätzlich zu den bestehenden Verteidigungsmechanismen — gibt es genug: die Spirale der Gewalt läßt sich letzten Endes nur mit Gewaltfreiheit brechen. Ein demokratischer Staat kann Gewalt -auch im militärischen Sinne — nur dann glaubhaft einsetzen, wenn alle gewaltfreien Mittel ausgeschöpft sind.

Die Zivildiener zeigen aber auch noch eine tiefere, substantiell christliche Dimension auf. Das Zeugnis — auch nur weniger Zivildiener —ist auch als prophetischer Protest zu sehen, der einer im militärischen Denken verhafteten Mehrheit zu zeigen vermag, daß Anliegen des Friedens, ja wirksame Friedenssicherung, sich nicht nur auf Gewalt, Rüstung und Waffen verlassen kann und darf. Gerade von Christen wird erwartet, daß sie sich offenhalten für Alternativen, wie sie Jesus bereits ausgesprochen und mit seinem Tod bezeugt hat.

Der Wehrdienst wurde von den jungen Christen mit guten Gründen verweigert. Origines argumentiert etwa: „Wir ergreifen nicht mehr das Schwert gegen ein Volk, und wir lernen nicht mehr die Kriegskunst, da wir Kinder des Friedens geworden sind durch Jesus, der unser Führer ist.”

Die Konstantinische Wende, sozusagen die Pubertätsphase des Christentums, hat tatsächlich eine Änderung hervorgerufen. Das von einer verbotenen Religion zu einer erlaubten, wenig später sogar zur Staatsreligion gewordene Christentum beschloß in der vom damals noch nicht formell zum Christentum übergetretenen Kaiser Konstantin einberufenen Synode (nicht Konzil!) von Arles die Exkommunikation von Wehrdienstverweigerern, weil diese die Interessen des Staates und des Heeres nicht anerkannten. Der Priesterstand blieb aber bis auf den heutigen Tag vom Militärdienst befreit.

Pubertätsphase

Allerdings hat das 2. Vatikanische Konzil denen die „Anerkennung nicht versagt, die bei Wahrung ihrer Rechte darauf verzichten, Gewalt anzuwenden” (Pastoralkonstitution Nr. 78) und fand es angebracht, daß Gesetze für die in humaner Weise Vorsorge treffen, „die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern” (Pastoralkonstitution Nr. 79).

Die Soldaten wurden hingegen ermahnt, sich als „Diener der Sicherheit und der Freiheit der Völker” zu verstehen (Pastoralkonstitution Nr. 79).

Im Gegensatz zur Meinung Eisenreichs ist in der Bibel sehr wohl von einer Nächstenliebe die Rede, die auch den Feind einbezieht. Ja, man soll sogar für die Verfolger beten, so wie Christus am Kreuz: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun” (Lukas 23,34) und wie der erste Blutzeuge der jungen Kirche, Ste-phanus: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!” (Apostelgeschichte, 7,60).

Menschenleben vorsätzlich zu töten, macht immer schuldig. Davon weiß vermutlich jeder Soldat, der sich einmal dazu gezwungen sah. Deshalb gibt es nicht nur kein Recht, zu „morden”, sondern auch nicht, zu „töten” mit Absicht und vorauswissend. Tötung für eine etwaige Notwehr läßt sich nicht im voraus planen.

Da der Mensch ernten wird, was er gesät hat, darf er nicht auf Gewalt mit Gegengewalt antworten, sondern muß auf einer qualitativ neuen Ebene Widerstand leisten, die die Gewaltsituation entkrampft, unnotwendig macht und beendet. Das meint das Hinhalten der anderen Wange.

Im übrigen sollen wir nicht wie Lamech uns siebenundsiebzig-fach rächen, sondern bereit sein, siebenundsiebzigfach zu verzeihen und uns zu versöhnen.

Ohne Herrn Eisenreich nahe treten zu wollen, könnte dies ganz konkret bedeuten: wenn schon nicht siebenundsiebzigmal, sondern wenigstens einmal auf die Meinung und guten Argumente der Zivildiener hören, die sich auch guten Glaubens auf die Bibel berufen.

Der Autor ist Mitarbeiter des Katholischen Bildungswerkes der Diözese Graz-Seckau und war Vorsitzender des österreichischen Bundesjugendringes.

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