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Okosoziale Polit-Vision

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Jede politische Bewegung, egal, welche Wähler sie grundsätzlich repräsentiert, besonders aber eine große Partei wie die Volkspartei, muß sich der ökologischen Herausforderung stellen.

Dabei muß allen Mitbürgern viel konkreter und auch direkter bewußt gemacht werden, daß “der Staat“ und “die Politik“ die Umweltprobleme nur zum geringeren Teil lösen können, daß es vielmehr an der Einsicht und an der Verhaltenswei-

se des einzelnen liegen wird.

In der politischen Praxis bedeutet dies:

• Die Umweltprobleme können nicht gegen die Wirtschaft, sondern müssen mit der Wirtschaft bewältigt werden. Bei einer so weit wie möglich marktkonformen Lösung der ökologischen Fragen werden der Wirtschaft nicht nur Beschränkungen auferlegt, sondern auch Chancen eröffnet. Das ist der Kem der ökosozialen Marktwirtschaft.

• Die Umweltprobleme sind heute von einer so großen Bedeutung und Brisanz, daß ihre Lösung im oben beschriebenen Sinn ohne institutionelle Einbindung in das tatsächliche wirtschaftspolitische Machtgefüge nicht realistisch erscheint.

Ich schlage daher vor, daß wir sobald wie möglich ein Modell ausarbeiten, nach dem das bewährte, international bewunderte System der Sozialpartnerschaft um eine gleichberechtigte “Umweltpartnen- Schaft“ erweitert wird.

Wenn wir den Umweltschutz zur entscheidenden politischen Herausforderung der neunziger Jahre erklären, zum Generalthema des nächsten Jahrzehnts, dann folgen wir der programmatischen Tradition der Volkspartei.

Sie hat in den fünfziger Jahren angesichts eines vergleichbaren Wendepunktes der Politik mit der Konzeption der sozialen Marktwirtschaft die Basis für eine völlige Neuordnung des wirtschaftlichen und sozialen Systems geschaffen. Sie hat mit ihren ordnungspolitischen Vorstellungen den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit aufgehoben und beide Faktoren zu einer neuen, tragfähigen und bis heute funktionierenden Partnerschaft zusammengeführt.

Mit dem Ausbau und der Weiterentwicklung der sozialen zur ökologischen Marktwirtschaft legt die Volkspartei das ordnungspolitische Modell für die neunziger Jahre von

• Die ökosoziale Marktwirtschaft ist die Konzeption eines Wirtschaftssystems, in dem der Staat seine sozialen und ökologischen Aufgaben gleich ernst nimmt.

• Die ökosoziale Marktwirtschaft ist ein Wirtschaftssystem, in dem die Belastung der Umwelt verteuert, umweltgerechtes Verhalten hingegen durch finanzielle Anreize belohnt wird.

• Die ökosoziale Marktwirtschaft ist jene Konzeption, in der die Dynamik der Marktwirtschaft in den Dienst der Sicherung unserer Umwelt gestellt wird, in der Innovation und technologische Entwicklung zum Verbündeten des Umweltschutzes werden.

• Die ökosoziale Marktwirtschaft ist schließlich ein Wirtschaftssystem, das auf das aktive Umweltbewußtsein der Produzenten und Konsumenten baut und nicht auf immer kompliziertere Vorschriften und bürokratische Regelungen.

Im Rahmen der geplanten zweiten Etappe der großen Steuerreform wird es daher auch notwendig sein, ökologische Gesichtspunkte im Steuersystem zu verankern. Der “ökologische Umbau“ unseres Steuersystems darf zu keiner Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung führen, sondern zu einer steuerlichen Umschichtung.

Die Lösung der Umweltprobleme wird jedenfalls umso leichter fallen, je besser sich die österreichische Wirtschaft im technischen Wandel behaupten kann, je fortgeschrittener die Technologien sind, derer sie sich bedient und je erfolgreicher es ihr gelingt, ihre Produktivität zu steigern. Gerade die technische Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft erhöht den Spielraum für ökologische Kurskorrekturen.

Eine solche aktive und konstruktive Umweltpolitik könnte im Verlauf des kommenden Jahrzehnts

• das gegenwärtige Müllvolumen halbieren,

• die bedeutendsten Gruppen der Luftschadstoffe bis zum Ende des Jahrtausends auf ein Drittel verringern,

• die Qualität unseres Wasserhaushaltes entscheidend verbessern und

• die gegenwärtig zum Teil bereits imerträgliche Lärmbelastung vor allem in Wohngebieten durch eine neue Verkehrspolitik auf ein dem Menschen zumutbares Ausmaß verringern.

Die Umweltpolitik ist die Herausforderung des kommenden Jahrzehnts. Sie ist ressortübergreifend, das heißt, ihre Ziele müssen in den Planungen sämtlicher politischer und administrativer Instanzen Eingang finden. Die Umweltpolitik der neunziger J ahre muß integrativ sein und Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Bevölkerung zu konstruktiven Partnern umweltgerechten Handelns machen.

Der Autor ist Vizekanzler und neugewählter Parteiobmann der Volkspartei. Der Beitrag zitiert auszugsweise (unkorrigierte Mitschrift) die Rede vor dem ÖVP-Bundesparteitag am 20. Mai 1989 in Wien.

Gedenken an FURCHE-Gründer Funder

Gemeinsam mit Professor Wolfgang Funder, dem Sohn des FUR- CHE-Gründers, und Hella Lainer, der langjährigen Redaktionssekretärin und engen Mitarbeiterin Funders, sowie Paula Gross und Dora Appelt, die seit Funders Zeiten unserer Zeitung auch im wohlverdienten Ruhestand verbunden sind, gedachte die FURCHE, reprä-

sentiert durch die Herausgeber Wolfgang Schmitz und Felix Ga- millscheg, durch Verlagsleiter Walter Schaffelhofer, Chefredakteur Hannes Schopf und Betriebsratsvertreter Heiner Boberski, am 19. Mai, dem 30. Todestag des Zeitungsgründers, am Hietzinger Friedhof in Wien ihres Gründers Friedrich Funden

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