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Olympiade: Kaputte Spiele, kaputtes Showbusiness

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ICH frage mich wirklich, was Olympische Spiele heute eigentlich noch sollen, da es keinen echten Amateursport mehr gibt und nur mit einem Riesenaufwand ein Riesenspektakel betrieben wird.

In Montreal werden in diesen Tagen die XXI. Olympischen Sommerspiele eröffnet. Nach einer Serie von Skandaler. wurden die gigantischen/ Sportanlagen e/rstaiunlicbenweise doch noch rechtzeitig fertig — aber um wel-

chen Preis? Die Stad Montreal hat sich finanziell -vollkommen ruiniert, für die Bauten, die man nicht mehr verwenden kann, wurden immense Summen aufgewendet. Die Anlagen sind mit allen Finessen ausgestattet, aber dafür auch die teuersten der Welt. Und dafür wurde das Budget der Stadt Montreal auf Jahre hinaus mit Schulden belastet, für die notwendigsten anderen Ausgaben — Wohnbau, Verkehrsplanung, soziale Anliegen, Umwelt-

schutz — ist überhaupt kein Geld mehr da. Hier ist die Olympiade nicht einmal mehr ein Geschäft, sondern auch wirtschaftlich eine totale Pleite.

Was bleibt noch übrig von der olympischen Idee? Nicht einmal das olympische Feuer ist diesmal echt, denn die Flamme wird nicht — wie das noch im Winter bei den Innsbrucker Spielen der Fall war — etwa per Flugzeug aus Griechenland gebracht, sondern wohl dort entzündet, aber in elektrische Impulse zerlegt, in Töne verwandelt, an einen Satelliten gefunkt und in Kanada durch Laserstrahlen wieder in Feuer zurückverwandelt. Das ist geradezu symbolisch dafür, Wie künstlich-iechnisiert heute der Sport geworden ist!

Und die politischen Einflüsse rund um die Teilnahme von Taiwan, das beanspruchte, unter der Bezeichnung „Republik China“ anzutreten, waa ihm das kanadische Außenamt nicht) gestattete! Nun hat Taiwan auf den

Start verzichtet. Kilianin sprach von Erpressung: „Die Welt hat die Nase voll von der politischen Einmischung in den Sport.“ IOC-Vizepräsident Daume gibt den Spielen höchstens 20 Prozent Überlebenschancen: „Die olympische Bewegung wird in der Politik immer unterliegen, weil sie keine Machtmittel hat“

Was soll es zum Beispiel, wenn man Neuseeland ausschließen will, nur weil eine neuseeländische Rugbymannschaft in Südafrika gespielfi hat, während Staaten, in denen die Menschenrechte nicht geachtet werden, zu den sogenannten großen Sportnationen gehören, die olympische Medaillen in hoher Zahl einheimsen? Das mutet wie eine Groteske an. Politik ist Macht. Aber Macht sollte beim Sport nicht zählen.

Die ganze Welt wird via TV an dieser Olympiade teilnehmen und die TV-Zuseher werden sich' wieder Ungeheuer „sportlich“ vorkommen. Jeder wird seinen Landsleuten die Daumen drük-

ken, seine nationalen Sportidole anspornen und feiern — und den anderen den Sieg nicht “ergönnen. So wind die nationale Aggressivität des Zuschauers aufgeladen — ob im Stadion oder am Fernsehapparat. An das Märchen vom völkerverbindenden Sport glaubt ohnehin längst niemand mehr.

Der Leisbumgsdruck, der heute das ganze menschliche Leben bestimmt, macht auch vor demi Sport nicht halt, und die aktiven Sportler sind nicht die gesünderen Menschen — sondern vielfach schon Leistungskrüppeln.

So wird Showbusdness Trumpf. Wenn es auch bei Sommerspielen nicht so acg ist wie beim Wintersport, wo das Sportgerät (und damit die Sportinidustrie) maßlos überbewertet wird (denn der Leichtathlet läuft und springt wenigstens noch mit seinen eigenen Beinen und nicht auf gut oder schlecht gewachselten, Bretteln mit reklamesüchtigen Firmenmarken) — die Sache hat ihren Sinn verloren.

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