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Olympische Sonderzeitung

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Proteste

Der Vorstand des australischen Verbandes „Menschlicher Sport” forderte vom Internationalen Olympischen Komitee die Annullierung der Ergebnisse des 100-Meter-Laufs. „Die Sieger wurden mehrere Wochen vordem Wettkampf künstlich ernährt”, steht in seinem Memorandum, „mit genau dosierten Mengen chemisch reiner Stoffe. Sie wurden unter einem speziellen

Ernährungsrhythmus gehalten, bis ihr Organismus wie ein Motor funktionierte. Ist ein Mensch,der wie ein Motor funktioniert, noch ein Mensch? Können normale Menschen mit einem Motor konkurrieren?”

Auch die beiden Schweizer Teilnehmeram 100-Meter-Lauf protestierten gegen die Ergebnisse, jedoch aus einem anderen Grund -weil sie mit Digitaluhren amerikanischer Produktion gemessen wurden. „Wir können dieses unkontrollierbare Werkzeug, das die Schweizer Uhrenindustrie ruiniert, nicht anerkennen”, erklärten sie.

Die isländische Volleyballmannschaft lehnte es ab, zum Kampf gegen die Mannschaft der Royal Navy anzutreten. „Wenn wir ein Netz und dahinter britische Matrosen sehen, werden wir nervös und können nicht spielen”, behaupteten die Isländer.

Irrtümer

Der Boxer der Weltergewichtsklasse Fred McMoor glaubte sich schon im Besitz der Goldmedaille, weil es ihm gelungen war, den anderen Mann im Ring in den ersten zwanzig Sekunden der ersten Runde k. o. zu schlagen. Der kurzsichtige Boxer freute sich jedoch zu früh - der Mann, den er geschlagen hatte, war der Ringrichter. Der Kampf mußte verschoben werden, weil kein Ersatz-Ringrichter zur Stelle war.

Glück hatte dagegen der Leichtgewichtler Francois Petit: In dem Moment, alserdrei schwere Treffer kassierte, schritten die dreißig Kandidatinnen für die Wahl der Miß Olympia in den Saal und zogen die Aufmerksamkeit aller

Anwesenden - auch des Ringrichters - auf sich. So konnte Petit noch einen Punktsieg erreichen und sich dadurch für den Endkampf qualifizieren.

Mißerfolg

Beim Schieber-Wettbewerb im Olympiastadion gewann die Goldmedaille die Mannschaft der Firma Braun und Söhne. Diezwölf Mann schoben die Schilder mit dem Text „Mit der Creme von Braun wird man auch bei Mondlicht braun” mit größter Geschwindigkeit und Geschicklichkeit vor die Fernsehkameras.

Einen praktischen Gewinn brachte es ihrem Arbeitgeber allerdings nicht. Die Kameraleute waren darauf trainiert, die Schleichwerbung auszuschalten, und außerdem auch reichlich von einer Konkurrenzfirma geschmiert.

Gesunder Standpunkt

Die Olympia-Repräsentation von Kalekistan besteht ausschließlich aus Rheumatikern, Fettsüchtigen und allerlei Rekonvaleszenten. Dr. Laurel Bagbi, derkalekistanische Minister für Gesundheit und Sport, begründet diese Auswahl so: „Wir haben sowieso keine Chancen, Medaillen zu gewinnen, und diese . Leute brauchen Sport und Bewegung viel dringender als die Gesunden.”

Attentatdrohungen

Für den Wettkampf der Gewichtheber werden besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die ersten drei Sitzreihen müssen leer bleiben. Den Grund für diese Anordnung lieferte das Flugblatt, von einer „Liga gegen Ausbeutung der Proletarier” unterzeichnet, in dem die Gewichtheber als Streikbrecher und Verräter an der proletarischen Sache gebrandmarkt werden, da sie mit ihren Leistungen den Weg zu noch schwereren Belastungen der arbeitenden Menschen weisen. Die Liga droht, sie würde die Athleten in dem Moment, da sie die Hanteln hochhalten, mit Nies- und Juckpulver bestreuen.

Auszeichnung für Peiniger?

Der Generalsekretär der Welttierorganisation (WTO)gab bei einer Pressekonferenz in Wien bekannt, daß die WTO gegen die Verteilung der Olympiamedaillen an die Reitsportler Protest erheben wird. „Die Auszeichnung gehört den Pferden”, erklärte er, „und nicht denen, die sie quälen und zu sinnlosen Leistungen zwingen.”

Kein Doping!

Wie der Olympia-Pressedienst meldet, lehnte das IOC den Antrag einer ungenannten osteuropäischen Bogenschützenmannschaft ab, die Zielscheiben mit Porträts von Leonid Breschnew schmücken zu dürfen. Die Ablehnung wird damit begründet, daß es für diese Mannschaft ein Dopingmittel darstelle.

Außerdem, so das IOC, würde man damit einen Präzedenzfall schaffen, denn es könnten dann auch andere Nationalmannschaften Porträt-Zielscheiben verlangen. In Fällen, wo die politische Einstellung der Mannschaft nicht einheitlich ist, könnte es außerdem zu „

Streitigkeiten kommen.

Auch die anderweitige Verwendung von Politikerbildern im olympischen Areal ist aus ästhetischen Gründen unzulässig.

Es wird vermutet, daß der Antrag von der tschechoslowakischen Mannschaft gestellt wurde.

(Aus: Olympisches Laub, Bastei-Lübbe-Taschenbücher)

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