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Onkel Alban

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Es gibt derzeit zwei etwa gleichrangige ausführliche Berg-Monographien, in denen Leben und Werk eines der bedeutendsten Komponisten dieser ersten Jahrhunderthälfte dargestellt werden: es, sind dies die Bücher von R. F. Redlich und Willi Reich. Mit Bildmaterial sind beide spärlich ausgestattet, und auch auf Persönlich-Anekdotisches mußten die beiden Musikologen verzichten. So bringt das preiswerte (und trotzdem schöne) Insel-Taschenbuch von Erich Alban Berg (A. Berg. Leben und Werk in Daten und Bildern) wertvolle und interessante Ergänzungen. Es sind dies nicht nur die 249 zum großen Teil aus Familienbesitz stammenden Bilder, sondern auch ein etwa 40 Seiten umfassender Textteil mit vielen biographischen und kulturhistorischen Details.

Der Autor, Erich Alban Berg, Jahrgang 1905, also volle 20 Jahre jünger als der Komponist, hat zwar bei dem von ihm sehr verehrten Onkel einige Klavierstunden genommen, ist aber selbst kein studierter oder ausübender Musiker, sondern gelernter Landwirt und, wie sein Vater Charley, Exportkaufmann, lebt in Wien — und ist bei allen wichtigen kulturellen Veranstaltungen zu sehen, über die er in in- und ausländischen Zeitungen berichtet.

Mit der Schule tat sich Alban Berg schwer, im Gymnasium mußte er zwei Klassen repetieren, und entgegen anderslautenden Behauptungen hat er an der Wiener Universität nie Vorlesungen über Musikwissenschaft (sondern nur über Staais-verrechnungswesen) gehört und an keiner staatlichen oder städtischen Musikanstalt Theorie, Kontrapunkt und Komposition studiert.

Denn sein einziger Lehrer war Arnold Schönberg, bei dem ihn seine Schwester Smaragda anmeldete, nachdem sie eine diesbezügliche Zeitungsnotiz gelesen hatte. Was die Frau Alban Bergs betrifft, so erfahren wir nur, daß sie die Tochter eines höheren Beamten namens Franz Na-howski war, der weder von der Gesundheit seines künftigen Schwiegersohnes noch von dessen Laufbahn als Komponist etwas hielt. Die Trauung fand in der evangelisch«n Kirche HB in der Dorotheergasse statt.

Im gleichen Jahr (1911), als Gustav Mahler starb und die Lehrzeit bei Schönberg beendet war, bezog Berg mit seiner jungen Frau jene Wohnung in der Trauttmansdorffgasse in Hietzing, die er bis zu seinem Tod behielt und die sich heute noch, von seiner Witwe sorgfältig betreut, in fast unverändertem Zustand befindet, vor allem das Arbeitszimmer Bergs mit dem großen Flügel, Bildern von Mahler und Schönberg an der Wand, der sehr nach Bergs persönlichem Geschmack zusammengestellten kleinen Bibliothek mit Werken Balzacs, Ibsens, Goethes, Thomas Manns, Kafkas, Musils und einer Gesamtausgabe von Peter Ro-segger ... Zur Unterhaltung las er gern Karl May und Jack London. Bereits 1930 besaß Berg ein Ford-Cabriolet, das er angeblich meisterhaft beherrschte.

Die letzten Jahre waren schwer, obwohl ihn „Wozzeck“ und seine bei den angesehensten internationalen Musikfesten aufgeführten Werke berühmt gemacht hatten. — Nach der Uraufführung 1925 in Berlin folgte im Jahr darauf Prag und bereits 1927 Leningrad, hierauf mehrere Provinzbühnen. In Wien ließ man sich bis 1930 Zeit. Aber da war es für Berg, der am 23. Dezember 1935 gestorben ist, fast schon zu spät, denn die Hetze gegen Schönberg und seine Schüler hatte schon begonnen. Seine zweite Oper („Lulu“) blieb unvollendet, wäre aber in Deutschland sicher nicht aufgeführt worden. Auch einen anderen Lieblingswunsch ließ ihm der österreichische Staat unerfüllt: Nachdem der Erfolg von Kre-neks „Jonny spielt auf“ durch die Zigarette „Jonny“ geehrt worden war und Korngold seine „Heliane“ bekommen hatte, wollte Berg, im Unterschied zu diesen Zigaretten für „feine Leute“, eine starke und die al-lerbüligste haben, die „Wozzeck“ heißen sollte. Aber es gibt sie bis heute nicht. Und 1975, zum 25. Geburtstag des „Wozzeck“, stand Bergs Opus Magnum nicht auf dem Spielplan der Wiener Oper.

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