Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Operettenkrieg in Jugoslawien
Hier die' bösen Serben, dort die bedrohten Kroaten - das Klischee gab sich am letzten Wochenende wieder alle Ehre. Im kroatischen Slawonien, im Kleinstädtchen Pakrac, spielte man Stellvertreterkrieg. Die Zagreber Regierung hatte paramilitärische Polizeieinheiten entsandt, da „terroristische Serbenbanden” - so Radio Zagreb -angeblich versuchten, aus der serbischen Enklave heraus „die demokratisch gewählte kroatische Regierung zu destabilisieren”. Hintergrund war die Ausrufung eines „Freistaates” Pakrac am letzten Donnerstag.
In einem Schildbürgerstreich erklärte der Gemeinderat, man wolle als Serbe nicht länger unter „kroatischem Kommando” stehen, Pakrac trete aus der Republik Kroatien aus. Darüber hätte man lachen können. 6.000 Einwohner einer heruntergewirtschafteten Enklave, dazu noch 300 Kilometer von der Republik Serbien entfernt gelegen, die können ja entscheiden, was sie wollen - durchführbar ist sowieso kein Beschluß.
Und dennoch ergriff das offizielle Zagreb/Agram sofort die Gelegenheit, militärisch zu reagieren. Zwar hat man noch keine Armee, aber eine Sondertruppe, und die setzte man in
Gang. Wen wundert, daß das offizielle Belgrad seinerseits beim Truppenaufmarsch nicht zurückstecken wollte. So standen sich über das Wochenende etwa 40 Panzer der Sozialistischen Volksarmee und 30 Panzerfahrzeuge der kroatischen Eingreiftruppe Auge in Auge gegenüber.
Ein paar Mal wurde geballert, man meldete Tote, dementierte Tote und ließ ein „Schlachtfeld” zurück mit ein paar ernsthaft verletzten „Volkshelden”. Ansonsten schaute man zu. Weder Slowenen noch Albaner, Moslems oder Bosniaken erhoben schlichtend ihre Stimme.
Ein Vorgeschmack darauf, was passieren wird, wenn das Zündeln am Pulverfaß Balkan weitergehen wird. Alle jugoslawischen Völker werden gegeneinander antreten, nach Gründen und nach der Verhältnismäßigkeit wird niemand fragen. Schon jetzt sind die Köpfe von Skopje bis Ljubljana/Laibach auf Krieg eingestellt. Jedoch Belgrad ist nicht Moskau. Vor dem Kreml demonstrieren Demokraten für die Freiheit des Baltikums, gegen eine drohende Diktatur - Bilder, die man aus dem südlichen Nachbarland vermißt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!