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Opern auf Abruf zu mieten

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Noch vor zehn Jahren hätte kein Opernfreund es für möglich gehalten, daß der Oper als „Serienprodukt" die Zukunft gehören könnte. Jeder Opernchef pflegte seine individuellen Komponisten und Werkvorlieben. Das könnte in Zukunft anders werden.

Anstoß zu solchen Überlegungen gibt eine Opernproduktion, die vor kurzem in Brüssel uraufgeführt und von den Spitzen der internationalen Presse als Paradefall modemer Opernkonzeption bejubelt wurde: John Adams' Musiktheater „Der Tod Kling-hoffers", der auch ab 9. Mai bei den Wiener Festwochen gastieren wird. Die Produktion war von Brüssel nach Lyon übersiedelt und wird in den kommenden Monaten zwischen Paris, New York, Los Angeles und anderen Musikmetropolen herumgereicht.

Wesentlich bei dieser neuen Vorgangsweise ist, daß da nicht irgendein Direktor, in diesem Fall Brüssels

Opemchef Gerard Mortier, ein Werk herausbrachte und dann nach Abnehmern Ausschau hielt, um die sündteure Produktion „weiterzuverscher-beln". Sondern daß Mortier sich ein internationales Team suchte, mit dem er ein neues Werk schaffen konnte. Die aufsehenerregende, tatsächlich erfolgte Ermordung des amerikanischen Touristen Klinghoffer auf dem von Terroristen gekaperten Schiff Achille Lauro schien als Stoff brisant und aufregend genug, um weltweit zu interessieren. Autorin Alice Goodman schrieb den Text dieses Psycho-Schockers, der Amerikaner John Adams, seit seiner Oper „Nixon in China" international vielgefragt, komponierte den Stoff, der umstrittene Regisseur Peter Sellars machte sich mit dem Dirigenten Kent Nagano ans Werk. Ihre Aufgaben: den Modellfall einer Oper zu schaffen, die in jenen Opernhäusern gezeigt wird, die von Anfang an für diese Produktion mitzahlen. Das Ergebnis, das Musiktheater-Stück „Der Tod Klinghoffers" zeigt, daß dieses Modell, das man

letztlich dem Musicaltheater eines Andrew Llyod Webber abgeschaut hat, funktioniert - und auch die Kassen klingeln läßt. Und es könnte Schule machen. Umso mehr, als alle Beteiligten sich enorme Produktionskosten ersparen, die im Normaletat kaum unterzubringen wären.

Die Kehrseite der Medaille ist, daß Stil eines Opernhauses und Musiktheaterkonzeption eines Direktors dabei baden gehen. Häuser, die ihren Spielplan aus solchen, wenn auch noch so spektakulären Ereignissen zusammensetzen, werden zu Opernhäusern ohne Gesicht. Die Oper-ein Mietobjekt auf Abruf, das sich in Wien wie in New York, in Mailand wie in London und Tokio präsentiert. Wenn Optimisten meinen, diese Entwicklung läge noch in weiter Ferne, muß man dem entgegenhalten, daß dieses Prinzip in Wien beim Musical schon seit Jahren funktioniert. Und da bemüht man sich gerade, aus dem internationalen Musical-Verbund auszubrechen und endlich etwas „Eigenständiges" zu produzieren.

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