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Opfer der Krise ?

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„Die Haltung gegenüber den wissenschaftlichen Erkenntnissen ist ein gutes Barometer für die Beschaffenheit einer Gesellschaft und deren Fähigkeit, die Zukunft zu beherrschen. Anstatt daß die Forschung, wie so oft, die Folgen der Krise und der sogenannten harten Politik zu spüren bekommt, wäre es angebrachter, sie im Gegenteil als erstrangiges Mittel anzusehen, um aus dieser Krise herauszukommen."

Mit der Zitierung dieser weisen Worte des französischen Wissenschaftsministers Jean Pierre Che-venement beendet Österreichs Ressortchefin für Wissenschaft und Forschung Hertha Firnberg ihr forschungspolitisches Grundsatzreferat beim diesjährigen Europäischen Forum in Alpbach (FURCHE 37/1982).

Es fehlt sicher nicht am guten Willen oder an Absichtserklärungen der Ministerin, Wissenschaft und Forschung zu forcieren. Dennoch sind diese Bereiche ständig bedroht, selbst Opfer der Krise zu werden.

Das beginnt bei den Universitäten. Die Einsparung eines Soziologie-Lehrstuhls in Linz deutet darauf hin, daß auch das Wissenschaftsministerium bereits den Weg eines versteckten „numerus clausus" geht.

Mit der Hochschulforschung liegt es finanziell im argen. Ein Beispiel für viele: „Die ordentliche Dotation trägt nicht einmal das Tierfutter", erklärt Univ.-Doz. Meinrad Peterlik vom Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie der Universität Wien.

Geldmangel für Forschungseinrichtungen oder nur zur Anschaffung wichtiger neuer Fachliteratur ist zwar folgenschwer, fällt aber zunächst der Öffentlichkeit kaum auf.

Mehr Aufsehen würde es erregen, würde demnächst, wie schon mehrfach angedroht, einer Hochschule die Heizung abgedreht, denn etliche Hochschulen sind die Begleichung ihrer Rechnungen (wegen zu geringer Budgetie-rung) seit langem schuldig.

Schulden haben auch die beiden wichtigsten außeruniversitären Forschungseinrichtungen Österreichs, der Forschungsförde-rungsfonds der gewerblichen Wirtschaft (FFF) und der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). Der FFF hat das Budget des nächsten Jahres bereits mit Vorgriffen in Höhe von 150 Millionen Schilling belastet, der FWF durch Vorgriffe auf 90 Millionen Schilling.

Dabei können die FFF-Leute, deren Projekte schon auf wirt-^ schaftliche Anwendung orientiert sind, mit Zahlen belegen, daß ein in die Forschung investierter Schilling in fünf bis sechs Jahren rund zwanzig Schilling Umsatz erbringt. Was das für die Sicherung von Arbeitsplätzen (verglichen etwa mit dem Aufwand für General Motors oder Konferenzzentrum) bedeutet, liegt auf der Hand.

Der der Grundlagenforschung zugewandte FWF sichert rund 900 wissenschaftliche Arbeitsplätze, verfügt über nahezu 8000 wissenschaftliche Geräte (etwa die Hälfte aller Geräte, die an Universitäten im Einsatz sind), mußte heuer aber rund 60 Prozent der eingereichten Projekte (das Doppelte des Vorjahrs) aus budgetären Gründen ablehnen. Das Jahresbudget 1983 des FWF beträgt 194 Millionen Schilling (1982:177 Millionen).

Zum Vergleich das Budget des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, dessen Funktionäre vorige Woche zu einem Gedankenaustausch beim FWF zu Gast waren: über 1,2 Milliarden Schilling oder rund das Sechsfache. Nationalfonds-Präsident Univ.-Prof. Alfred Pletscher klagt freilich über ein real sinkendes Budget und die Gefährdung der Arbeitsplätze vieler junger Forscher-.

Diese Gefahr sieht auch FWF-Präsident Univ.-Prof. Kurt Ko-marek für Österreich, zumal der FWF für seine Aufgabe „Nachwuchsförderung" noch keine Budgetmittel zugeteilt bekommen hat.

Er begrüßt, daß sein Budget -von der ungleich schlechteren Ausgangslage abgesehen — wenigstens real steigt, und daß wenigstens ein Teil der nun von der Nationalbank zur Ankurbelung der wirtschaftlich orientierten Forschung freigegebenen 100 Millionen Schilling, nämlich bisher 18 Millionen, dem FWF zukommt. (Den Löwenanteil von bisher 70 Millionen erhielt naturgemäß der FFF).

Ein Problem, das die gesamte Wissenschaft und Forschung in Österreich betrifft, gilt es allerdings noch zu lösen, und der Schlüssel dazu liegt bei Finanzminister Herbert Salcher. Denn die von ihm geplante Abschaffung der Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für wissenschaftliche Geräte würde die österreichische Forschung ins Mark treffen und tatsächlich zum Opfer der Krise machen. Sie würde allein den FWF zehn Millionen Schilling pro Jahr kosten.

Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg muß bescheinigt werden, daß sie aus dem Krisenbudget 1983, dessen Kapitel Wissenschaft dieser Tage im Parlament besprochen wurde, relativ viel für die Forschung herausgeholt hat. Herbert Salcher wird gebeten, sich dieses Geld nicht unter einem anderen Titel wieder zu holen.

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