6835433-1975_12_01.jpg
Digital In Arbeit

Opportunismus? Bitte nein!

19451960198020002020

In Einern Inserat der Zeitschrift „Financial Times“ ließ sich dieösterreichische Bundesregierung bestätigen^ woran sie; eigentlich immer schon glaubte: Österreich verdiene den „Wirtschafts-Weltcup“.Die bislang von Staatssekretär Veselsky klug gesteuerten OECD-Berichte über, die österreichische Wirtschaftslage teilen dagegen diese Auffassung keineswegs. Zum drittenmal innerhalb von sechs Monaten revidierte die OECD ihre Prognose über das österreichische Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr. Bei vier Prozent begann es, bei 2,5 Prozent liegt das vorläufige Ende. Gleichzeitig nähert sich Österreich immer stärker der Spitze in der OECD-Rangliste der inflationierenden Volkswirtschaften.

19451960198020002020

In Einern Inserat der Zeitschrift „Financial Times“ ließ sich dieösterreichische Bundesregierung bestätigen^ woran sie; eigentlich immer schon glaubte: Österreich verdiene den „Wirtschafts-Weltcup“.Die bislang von Staatssekretär Veselsky klug gesteuerten OECD-Berichte über, die österreichische Wirtschaftslage teilen dagegen diese Auffassung keineswegs. Zum drittenmal innerhalb von sechs Monaten revidierte die OECD ihre Prognose über das österreichische Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr. Bei vier Prozent begann es, bei 2,5 Prozent liegt das vorläufige Ende. Gleichzeitig nähert sich Österreich immer stärker der Spitze in der OECD-Rangliste der inflationierenden Volkswirtschaften.

Werbung
Werbung
Werbung

Mit einer Jänner-lnflatlonsrate von 1,1 Prozent liegt Österreich bereits an dritter Stelle hinter Großbritannien und Italien. Im Februar lag die monatliche Inflationsrate bei 1,2 Prozent, was bedeutet, daß auf Grund der Inflationsentwicklung im ersten Jahressechstel die Jahresinflationsrate bei 12,2 Prozent liegen würde. Während in anderen Staaten — etwa in der Bundesrepublik Deutschland — die Arbeitslosenzahlen langsam zurückgehen, gibt es in Österreich eine deutliche Tendenz nach oben, über die nur statistische Manipulationen mit Kurzarbeitern hinwegtäuschen können. In anderen Staaten zeichnet sich überdies eine rückläufige Tendenz bei den Insolvenzen ab, in Österreich — darüber informiert die amtliche „Wiener Zeitung“ regelmäßig — steigen die Insolvenzen unvermindert an.

Kurz und gut: Das wirtschaftliche Fundament Österreichs war in den letzten Jahrzehnten seit der Schillingstabilisierung noch nie so unsicher wie heute. Darüber kann auch der sonnigste Optimismus eines Bundeskanzlers, der der österreichischen Exportwirtschaft mit heißem Bemühen Aufträge abwirbt (das geplatzte Südafrika-Geschäft der VÖEST), nicht hinwegtäuschen. Selbst Finanzminister Androsch wirkt immer unsicherer, wenn er gezwungen wird, der Öffentlichkeit seine Budgetpolitik als die beste aller Zeiten zu verkaufen. Gewiß: er macht das noch immer sehr souverän, doch das Lächeln des „Sonnyboy“ ist etwas eingefroren. Mit gespielter Dramatik fordert er heute den Gewerkschaftsbund auf, bei Lohnforderungen Zurückhaltung zu üben. Die Bau- und Holzarbeiter-Gewerkschaft erwidert dieses Ansinnen mit Beharren auf einer fast 20prozentigen Lohnforderung.

Die Budget- und Kassenlage des Bundes ist trist: Nach einem Rekorddefizit von 18,5 Milliarden Schilling im Jahr 1974 wurden bis Ende Februar 1975 bereits Kredite in Höhe von 12,5 Milliarden Schilling aufgenommen, davon acht Milliarden Schilling teilweise kurzfristig im Ausland. Der Finanzminister hat zur Zeit noch einen Kreditspielraum von vier Milliarden Schilling, ist auch der aufgebraucht, muß er vor dem Parlament den Offenbarungseid leisten. Zur Zeit bemüht sich der Bund, die Bezahlung von Rechnungen an private Unternehmer und an öffentliche Stellen (etwa Länder und Gemeinden) aufzuschieben. Schon seit einiger Zeit räumt sich der Bund ohne Zustimmung der Gläubiger ein Zahlungsziel von etwa drei Monaten ein.

Nicht nur die auf die Zahlungsverpflichtungen des Bundes angewiesenen privaten Unternehmer klagen über schwerwiegende wirtschaftliche Probleme. Wie eine jüngst veröffentlichte Umfrage der Zeitschrift „Der Unternehmer“ zeigt, klagen rund 71 Prozent der befragten Unternehmer über steigende Lohnkosten, ebensoviele über spürbaren Nachfragerückgang und schließlich gar 85 Prozent über eine ungenügende Rentabilitätslage.

Auf der einen Seite will Hannes Androsch schon einen Silberstreifen am Konjunkturhorizont gesehen haben, auf der anderen Seite gibt auch er zu, daß die wirtschaftliche Lage in Österreich nicht dazu angetan ist, noch für heuer den Beginn des nächsten Aufschwunges zu erwarten. Im Gegenteil: mehr und mehr gewinnt in der heimischen Konjunkturforschung die Auffassungan Boden, daß im Jahr 1976 ein Abgleiten Österreichs in die Stagflation durchaus möglich ist.

Von einer expansiven Geldpolitik also einer Erhöhung der Geldmenge und des Kreditvolumens bei sinkendem Zinsniveau — können in dieser Situation keine wesentlichen Incentivs erwartet werden. Pferde, die man zur Tränke führt, saufen eben nur dann, wenn sie auch durstig sind. Nicht viel anders ist das in der derzeitigen Wirtschaftsentwicklung: zu kreditfinanzierten Investitionen werden sich Unternehmer immer nur dann entscheiden können, wenn sie die wirtschaftlichen Aussichten günstig beurteilen. Sie tun das jedenfalls gegenwärtig nicht, also spielen günstige Kreditkonditionen bei Neüinvestitionen nur eine geringe Rolle. Das Budget als Antriebskraft für eine wieder expandierende Wirtschaft muß ausfallen, sobald der Finanzminister kein Geld mehr hat, um es auszugeben. Die Grenzen der Inlandverschuldung dürften bereits erreicht sein, mit seinen' Kreditwünschen im Ausland ist Österreich im Begriff, seinen guten Ruf als erste Adresse aufs Spiel zu setzen. Ende' dieses Jahres werden die österreichischen Staatsschulden die 80-Milliarden-Schiiling-Grenze, das bedeutet gegenüber 1970 fast eine Verdoppelung, erreicht haben.

Es hat in dieser ungemein schwierigen Situation wenig Sinn, der Bundesregierung Fehler und Versäumnisse ihrer Wirtschaftspolitik vorzurechnen; es hat auch gar keinen Sinn, nun mit dem Zeigefinger auf die Regierungspartei zu weisen und dabei zu behaupten, daß die Sozialisten von dosierter Wirtschaftspolitik angeblich nichts verstünden. Für derlei Spielereien ist die Lage einfach zu ernst.

Heute muß es vor allem darum gehen, die wirkliche Situation in allen Bereichen unserer Wirtschaft rasch und gründlich zu analysieren und dann Maßnahmen zu treffen, die nicht der jeweiligen Stimmung des einen oder anderen Parteilagers entsprechen, sondern der Lage gerecht werden. Wahljahr hin oder her — wirtschaftspolitischer Opportunismus ist das letzte, woran es in Österreich derzeit fehlt.

Jetzt weiß man, woran Marc Hod-ler, der treffliche Präsident der FIS, den Amateurstatus von Skisportlern mißt — und wie er sich den Sportler, der nicht mit den Amateurbestimmungen bei Olympischen Spielen übers Kreuz kommt, vorstellt: „Was wir unseren Läufern zu bieten haben, sind garantierte Aufstiegschancen, Berufsausbildung und Altersvorsorge ... hier haben wir uns am System der DDR orientiert, die Beruf mit Sport ideal vereinen kann“, meint er in einem Interview. Schlecht sind nach Hodler dafür die Firmenteams. Und Werbung ist auch schlecht. Die Radler, so Hodler, sind ja schon „bewegliche Litfaßsäulen“.

Kurzum: der Weg ist schnurgerade. Man orientiere sich an der DDR. Wer olympisches Gold will, amateure volksdemokratisch professionell. Das ist dann sauber. Sagt Herr Hodler,

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung