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Optimismus mit viel Wenn und Aber

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Wie kann die beginnende weltwirtschaftliche Erholung in eine Phase dauerhaften Wachstums übergeleitet werden? Der jüngste Weltentwicklungsbericht präsentiert Vorschläge.

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Wie kann die beginnende weltwirtschaftliche Erholung in eine Phase dauerhaften Wachstums übergeleitet werden? Der jüngste Weltentwicklungsbericht präsentiert Vorschläge.

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Der weltweite Entwicklungsprozeß wurde drei Jahre lang durch die schlimmste Rezession seit den dreißiger Jahren gehemmt. Während die Weltbevölkerung weiter wächst, ist die Arbeitslosigkeit gestiegen und blieb ein Großteil der industriellen Kapazitäten ungenutzt. In einigen Ländern, vor allem in Afrika und Lateinamerika, ist der Lebensstandard gesunken.

Anfang 1983 begann sich die Weltwirtschaft endlich von der Talsohle des wirtschaftlichen Ab-

Schwunges zu lösen. Die Erholung kommt jedoch vorerst nur zögernd voran. Viele Länder, die sich in den siebziger Jahren hoch verschuldet haben, stehen heute als Folge anhaltend hoher Zinsen und stagnierender Exporterlöse vor ernsten Liquiditätskrisen.

Vor diesem Hintergrund erscheint die neue Prognose der Weltbank, die im Vergleich zum Vorjahr wesentlich günstiger ausfällt, schon fast als Zweckoptimismus. Die Annahme eines Wachstums der Wirtschaft der Entwicklungsländer von 4,4 Prozent in den Jahren 1982 bis 1985 bzw. von 5,5 Prozent von 1985 bis 1995 als mittleres Szenario setzt nämlich bisher ausgebliebene abgestimmte nationale und internationale Bemühungen voraus, die beginnende Erholung in eine Phase dauerhaften Wachstums überzuleiten.

Zwei Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit erscheinen jedoch der Weltbank als wichtige positive Beiträge zur Verbesserung der internationalen Wirtschaftslage:

Einmal der Rückgang des Zinsenniveaus, vor allem im US-Dol- lar-Bereich (eine einprozentige Zinssenkung bedeutet für die Entwicklungsländer Einsparungen von insgesamt 2 Milliarden US-Dollar), und zum zweiten der Rückgang des Erdölpreises (ölimportierende Entwicklungsländer sparen insgesamt 2 Milliarden US-Dollar bei einer Reduzierung des Preises für ein Faß öl um einen Dollar) von 34 US-Dollar 1982 auf zuletzt 29 Dollar pro Faß.

Diese zwei Faktoren genügen aber schon allein darum nicht, weil die Realzinsen des US-Dollars sehr hoch sind und die Zinsen sich augenblicklich eher wieder nach oben bewegen und zudem auch beim ölpreis langfristig (bis 1995) mit einem Anstieg um 20 Prozent gerechnet wird.

Deswegen betont die Weltbank drei Punkte:

• Protektionistische Tendenzen vor allem in den Industrieländern, hervorgerufen durch hohe Arbeitslosigkeit und verlorengegangene Wettbewerbsfähigkeit, müssen gestoppt werden;

• die Nettokapitalflüsse in Entwicklungsländer in Form von Direktinvestitionen, Entwicklungshilfe und kommerziellen Darlehen müssen weiter (um nominell etwa 10 Prozent) zunehmen, um die Liquiditätsprobleme, die sich hauptsächlich auf die Schwellenländer konzentrieren, zu bewältigen;

• von besonderer Bedeutung werden Bestrebungen der Entwicklungsländer selber sein, ihre wirtschaftlichen und sozialen Ziele in effizienter Weise zu verfolgen.

Diesem letzten Punkt widmet die Weltbank einen eigenen Teil ihres Berichtes, der zunächst aus einer Analyse der bisherigen Erfahrungen der Entwicklungsländer als wirtschaftlicher Manager besteht, gefolgt von einer Darstellung institutioneller und wirtschaftspolitischer Vorkehrungen, die notwendig sind, um das wirtschaftliche Management in diesen Ländern leistungsfähiger zu gestalten.

Hier unterscheidet die Weltbank zwischen allokativer und betrieblicher Effizienz, d. h., wirtschaftlicher Aufteilung von Res sourcen bzw. wirtschaftlicher Führung von Institutionen.

Wichtig ist speziell die Folgerung, daß Preise ein außerordentlich wirksamer Verteilungsmechanismus sind. Die Beseitigung von Preisverzerrungen kann ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 1 — 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) bringen.

Eine Untersuchung der im wirtschaftlichen Prozeß tätigen Institutionen, vor allem staatlicher Unternehmen, fördert zutage, daß für deren Leistungsfähigkeit nicht so sehr ausschlaggebend ist, ob sie in privatem oder öffentlichem Eigentum stehen (beispielsweise wird die Straßenreinigung in Belgrad von einem Privatbetrieb besorgt, in New York hingegen von der städtischen Verwaltung), sondern vielmehr, daß entsprechende Rahmenbedingungen notwendig sind, um die vielen Aufgaben der Entwicklungsförderung rationell aufzuteilen.

So sollten die Aktivitäten des öffentlichen Sektors auf das begrenzte Angebot an Führungskräften zugeschnitten werden, andere Aktivitäten wieder dem Markt überlassen werden. Mehr Ge wicht sollte auf die Überprüfung des Planungsprozesses als auf die theoretische Planung gelegt werden; die Verantwortung für die Führung staatlicher Unternehmen sollte bei den Geschäftsleitern selbst und nicht bei Behörden liegen, der Wettbewerb zwischen Unternehmen gefördert werden.

Eine Fülle von Vorschlägen also sollte es den Verantwortlichen in den Entwicklungsländern erleichtern, ihr Haus zu bestellen und damit ihrerseits beizutragen, was sie können, um der Weltwirt schaft wieder kontinuierliches Wachstum und eine Beseitigung der Armut zu ermöglichen.

Allerdings darf man hier die Erwartungen nicht allzu hoch schrauben. Eine frühere Studie der Weltbank besagt, daß selbst unter Annahme eines jährlichen Wirtschaftswachstums von 5 bis 6 Prozent bis zum Jahr 2000 zu dem Zeitpunkt immer noch 600 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben werden.

Im vorliegenden Bericht wird sogar von einer geringeren Wachstumsrate ausgegangen, sodaß in noch verstärkterem Maße eine Politik der Beseitigung der Armut (basic need approach) und eine Begrenzung des Bevölkerungswachstums vonnöten scheint.

Die Probleme unserer ungleichen Welt, in der in den reichen Ländern zuwenig Leute zu viele Waren erzeugen und in den armen Ländern zu viele Leute zuwenig, erfordern eine Institution, die Lösungsansätze aufzeigt; sie erfordern aber vor allem Politiker, die diese Vorschläge aufgreifen.

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