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Opus pacis im Druck der Politik Im Osten noch vieles ungeklart

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Die Friedenssysteme, die heute politisch wirksam sind, kalkulieren als politisch bedeutsame Größe wohl Religionen und vor allem Großkirchen ein. Dazu gehört insbesondere die katholische Weltkirche, die noch dazu traditionell völkerrechtlichen Status hat Diese Weltkirche ist aber im System-Pluralismus des Friedens, im Pluralismus seiner Begriffsbestimmung und seiner Erhaltungsmöglichkeiten keineswegs eindeutig und überall gleich gefordert wie zu den Anfängen dieser Kirche unter der Pax Romana. Damals war sie zuerst gar keine politische Größe, suchte ihren Frieden, „den die Welt nicht geben kann“, und wollte in einem radikal pazifistischen Ansatz lange nicht einmal den Soldatenberuf für den Getauften akzeptieren.

Anders war die Lösung zur Zeit christlicher Fürsten und innerhalb einer Christenheit: der Kampf um den Frieden gegen die Fehde und gegen das Vergießen von Christenblut untereinander sowie das Ringen um die Gerechtigkeit von Gewalt, wenn es nicht anders ging, in der Idee des „Bellum iustum“.,

Der Zerfall des Abendlandes, die Religionskriege im Gefolge der Reformation signalisierten den Rückgang des politischen Einflusses der Kirche, bis die Kriege der absoluten Fürsten in die revolutionären Volkskriege der Französischen Revolution übergingen und ein säkularisiertes Völkerrecht, ein säkularisierter Pazifismus als Milderung des Krieges und Kampf dagegen auftraten. Wie sonst in der sozialen Frage, so auch in der Friedensfrage ist die Kirche eine unter anderen Kräften geworden, und nicht einmal immer nur diejenige, die zuerst und mit den besten Lösungen da war und die es jedenfalls nicht mehr allein schaffen kann.

Kompliziert wird die Sache neben der Frage nach dem gerechten Frieden durch die Realitäten der politischen Lage und der technischen Massenvernichtungsmittel des modernen Krieges und seiner Drohung totaler Zerstörung. Dabei ist die klassische Außenpolitik, die im klassischen Pazifismus ihren herausfordernden Begleiter gefunden hat, spätestens seit Karl Marx von einem sozialistischen Pazifismus begleitet, der im System der kommunistischen Staaten eine Annäherung zur Friedenspolitik derselben gefunden hat bis zum Bild eines Januskopfes. Kompliziert wird die Sache weiter durch die Koppelung des Wegs zum Frieden in der Dritten Welt an den Aufstieg zu Fortschritt und Befreiung, kompliziert ferner durch die Notwendigkeit einer Großkirche (von ihrer Organisation her ungeheuer verwundbar), . in Gesellschaften zu leben, die ein Minimum an Religionsfreiheit nicht selten von einem anderweitigen gesellschaftlichen Wohlverhalten abhängig machen.

Die moderne Friedensbewegung in den Kirchen ist als Sozialbewegung relativ jung. Hätten nicht die „Friedenskirchen“, wie die Quäker, 1815 den Anfang gemacht, wir könnten erst zaghafte Schritte — viel später als solche liberaler Vertreter (Gründung des Roten Kreuzes, Bertha von Suttner!) — bei Leo XIII. um 1900 und dann stärker bei Benedikt XV. (1917)konstatieren. Die Katholiken, die 1911 den,kurzlebigen Versuch mit der Ligue Internationale gemacht hatten, ein Dr. Metzger oder Doktor Ude oder Kaspar Mayr — Österreich stellte hier Avantgarde! — waren doch eher Außenseiter. Erst 1945, nach dem Wirken eines Pastor Angelicus (Pius XII.) für den Frieden, kommt es nach dem Zweiten Weltkrieg zur Gründung einer repräsentativen katholischen Friedensbewegung: Pax Christi. Erst nach dem Konzil kommt es zum Weltfriedenstag durch die Initiative Papst Pauls VI. und zur Gründung der Päpstlichen Kommission „Iustitia et Pax“ und zu nationalen Kommissionen.

Anders sind die Dinge in den Ostblockstaaten gelaufen.

Uber die Lage der katholischen Kirche wie des Friedens in den Ländern unter kommunistischer Herrschaft war man sehr besorgt hinsichtlich des Fortbestands der Religion wie auch sonst über die gesellschaftlichen Entwicklungen hinter dem Eisernen Vorhang.

1949 kommt es mit einem Weltkongreß zur Gründung eines unter starker kommunistischer Beteiligung stehenden Weltfriedensrates und entsprechender nationaler Räte und Bewegungen, die sich natürlich besonders innerhalb der östlichen Staaten Europas entwickelten. 1958 ziehen Christen dort erstmals organisiert nach: Prager Christliche Friedenskonferenz, hauptsächlich Protestanten und Orthodoxe. Später folgen Katholiken mit der Berliner Konferenz. Vorher Ende der vierziger Jahre aber gab es Versuche der Annäherung zwischen Staat und Kirche insbesondere durch Geistliche, von denen einige mit dem Kommunismus als Sozialsystem sympatisierten, andere aber vor allem eine pastorale Chance wahren wollten, um durch Friedenspolitik Pastoralpolitik zu betreiben: die „Friedenspriester“ waren da, die oft gegen den Willen ihrer Bischöfe Parlamentsabgeordnete blieben oder im Rahmen der nationalen Friedensräte eigene Bewegungen büdeten.

„Friedenspriester“, den einen ein politisches Reizwort — vor allem auch solchen, die das traurige Schicksal der Emigration erlebten — und ein Wort des Verrates an Volk und Kirche, änderen eine Legitimation für fortschrittliches Denken, um damit auch Kirche als fortschrittliche Kraft auszuweisen, wieder anderen ein echtes Anliegen dieser Zeit und Welt, an den Frieden jetzt zu denken und nicht auf den Ausgang einer Katastrophe zu warten, wo dann eben nur eines der „Friedenssysteme“ allein mehr da wäre. Praktisch gehen die Motive sicher ineinander. Vieles wurde in den Kirchen unserer östlichen Nachbarländer inzwischen organisatorisch nach den Normen des kanonischen Rechtes für politische Betätigung umgebildet, Exkommunikationen zurückgenommen, aber noch sind lange nicht alle Probleme! gelöst, insbesondere in der CSSR.

Sosehr der Dienst der Kirche in sich ein Wirken um Gottes Frieden in und unter den Menschen ist, das Opus pacis der Kirche gerät in den Randdruck der Politik, die kritisch zu bewerten und zu fördern ebenso Aufgabe der Kirche als Stimme des öffentlichen Gewissens ist. Weder naive Identifikation mit noch völlige Enthaltung von einer Friedenspolitik kann Aufgabe der gesamten Kirche sein. Je näher dem Konkreten aber, desto mehr kann nur der einzelne Christ seinem Gewissen dabei folgen, obwohl ihn die Kirche dabei nicht ohne Rat lassen darf.

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