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Oratorium, Liederabend

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Neben dem so einmaligen Monumentalwerk der „Missa solemnis“ nimmt sich eine andere Arbeit Beethovens für Chor, Soli und Orchester bescheiden aus, das Oratorium „Christus am ölberg“. Das 1803 zur Uraufführung gelangte Opus ist heute fast ganz vergessen und wird mehr aus historischen als künstlerischen Interessen in den Konzertsaal geholt, wie dies Theodor Guschelbauer im Verein mit der Singakademie und den Wiener Symphonikern jetzt getan hat. Das Libretto, von dem zur Zeit Beethovens sehr bekannten Bühnenautor Franz Xaver Huber in bombastisch-schwulstigem Wortge-füge abgefaßt, ist mehr auf das Opernhafte als auf ein Oratorium zugeschnitten, und Beethoven hat dieser verfehlten Anlage gemäß eine Musik geschrieben, die Jesus als einen in Arien schwelgenden Tenor auftreten, den Seraph das traurige Geschehen in Gethsemane durch Koloraturen mit Läufen und Stakkatis kommentieren läßt. Daß einem Beethoven auch unter solchen Umständen manches Schöne gelingen konnte, be-

weisen das trauervolle Orchestervorspiel und die Chöre der Engel, namentlich am Schluß des Werkes. Gu-schlbauer, bewährter Opernchef in Lyon und auch anderweits anerkannter Dirigent, sorgte für eine sauber studierte Wiedergabe des Oratoriums, das er bereits 1970 an der Mailänder Scala aufgeführt hatte. Als unterschiedlich zu wertende Solisten standen ihm die wieder in bester stimmlicher Verfassung singende Ileana Cotru-bas, der lyrische, sehr feminine Tenor Friedrich Melzer und in der kleinen Partie des Petrus der Bariton Eishi Kawamura zur Verfügung. Zu Beginn des Konzertes spielten die Symphoniker Beethovens „Achte“, welche der Dirigent als das reife Meisterwerk besser nach dem schwächeren Oratorium angesetzt hätte. Großer Beifall im Musikverein. *

Das Kulturamt der Stadt Wien, der österreichische Rundfunk und die Wiener Symphoniker haben ein gemeinsames Unternehmen gestartet, das zu einem Festkonzert des

Orchesters wurde und unter der temperamentvollen Leitung Heinz Wallbergs ein von Mozart bis Johann Strauß reichendes, für jeden etwas bringendes Programm unter Mitwirkung zahlreicher Solisten und des ORF-Chors zur Aufführung brachte. Als schönste Gaben der Vortragsfolge seien Mozarts „Kleine Nachtmusik“, Beethovens „F-Dur-Ro-manze“ für Violine und Orchester (Solist Wolfgang Schneiderhan), Brahms' „Ungarische Tänze“ Nr. 1 und 3 und die „Donna-Diana-Ouvertüre“ Nikolaus von Reznizeks genannt, für Richard-Strauss-Freunde war die Briefszene Ochs-Annina aus dem „Rosenkavalier“ eingebaut, gesanglich betreut von Oskar Czer-wenka und Margarete Lilowa. Der populäre Teil des Konzertes wartete mit Ausschnitten aus Millöcker- und Strau.ß-Operetten auf, um deren Gesangpart sich die Damen Geszty und Lilowa und die Herren Kmentt und Czerwenka verdient machten. Für Vokal- und Instrumentalvirtuosität sorgten Frau Geszty mit dem „Frühlingsstimmenwalzer“ und Arditis „II bacio'“, Wolfgang Schneiderhan mit Kreislers doppelgrifflgem Salonzuk-kerl „Caprice viennois“, das Max Schönherr für Orchesterbegleitung bearbeitet hatte. Das für die „Eurovision“ aufgezeichnete Konzert fand lebhaften Beifall des zahlreich erschienenen Publikums im Großen Musikvereinssaal.

Hans Hotter, mehr als drei Jahrzehnte eine internationale Berühmt-

heit auf der Opernbühne und im Konzertsaal, hat sich immer mehr in der letzten Zeit dem Regiefach zugewendet und tritt nur selten noch als Sänger auf. Um so größer war die Freude der vielen Freunde und Verehrer des vor allem als Wagnerinterpreten gefeierten Baßbaritons, ihn nach längerer Zeit wieder einmal als Liedersänger begrüßen zu können mit einem Programm, in das der Künstler gerade seine von ihm besonders geliebten Komponisten Schubert, Brahms, Wolf und Strauss aufgenommen hatte. Ein solches minutenlanges Beifallstoben schon beim Empfang des Künstlers hat der Brahmssaal schon lange nicht mehr erlebt. Ist auch die Zeit an dem Organ des Sängers nicht spurlos vorübergegangen, so daß sich Einbußen an dem früheren Glanz der Höhe und an der Tragfähigkeit des Pianos erkennen lassen, so ist doch das edle Timbre der Stimme und die eminente Vortragskunst Hotters erhalten geblieben. Wer sich so in die Ausdeutung des „Doppelgängers“ (Schubert) versenken kann, über eine solche Ausdrucksstärke bei „O wüßt ich doch“ und „Ruhe süß Liebchen“ (Brahms) verfügt, mit so feinem Humor an Strauss' „Ach weh mir unglückhaftem Mann“ herangeht, ist noch immer als ein Großer auf dem Gebiet des Liedgesanges anzusprechen. Der tosende Applaus der Zuhörer hat dem Künstler dies attestiert. Geoffrey Parsons war ein vorzüglicher Klavierpartner, der formend und musikalisch miterlebend zum Erfolg des Abends wesentlich beitrug.

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