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Orchester, Ensembles, Solisten

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Erich Leinsdorf wirkte im Konzerthaus zweimal am Pult der Symphoniker: Besonders glücklich programmiert war die Matinee. Die Ouvertüre zum „Zigeunerbaron“ mit ihrer Weitestgehend symphonischen Gestalt gelang so, wie auch gescheite Ausländer Johann Strauß nie schaffen: um keine Spur übertrieben „fesch“, Wienerisch im besten Sinne. Garrick Ohlsson, preisgekrönter Ita-lo-Schwede aus« Amerika, debütierte im Sportanzug in Liszts zweitem Klavierkonzert mit hervorragender Technik und gemäßigtem Ausdruck. (Die jüngere Musikergeneration liebt es hierbei etwas kühler, und man kann es ihr nicht verdenken.) Dafür war dann im „Concerto for Orche-stra“ von Bartök alles „da“. Das Orchester war hinreißend, Leinsdorf zeigte sich wieder wie ein Mann mit größter Spannkraft und als Ästhet des Zweckhaften ohne jede Eitelkeit.

Sein zweites Konzert hatte viel Heterogenes zu verbinden: „Sechs deutsche Tänze“, KV 509, von Mozart und Haydns Violinkonzert in C-Dur einerseits, anderseits den „Abendblätterwalzer“ von Offenbach und sein wienerisches Pendant, wobei man bloß erfahren konnte, was ohnehin jedermann weiß, daß nämlich die „Morgenblätter“ von Strauß besser sind, und dann noch die selten zu hörende „II.“ von Schumann. Gespielt wurde musikantisch gelöst, aber etwas großzügig in der Ausarbeitung der Details. Daß der Dirigent bei Haydn vorn Cembalo aus wirkte, war eine hübsche historische Geste, ging aber ebenfalls etwas zu Lasten der Qualität. Dafür agierte der junge Russe Wladimir Spiwakow temperamentvoll, mit leuchtendem Ton und prachtvollem Spiccato und Staccato, außerdem „in sich“ sehr sauber, was man von einem ehrgeizigen Mann ja auch erwarten muß, aber leider war seine Geige im Verhältnis zum Orchester einen Gedanken zu hoch gestimmt, was die Hochstimmung des Zuhörers leicht trübte.

Im Konzert der Ton/cünstler paßte der diesjährige Strauß hübsch ins Programm: die Ouvertüre zu „Tausendundeiner Nacht“ war eben auch nur fürs Zuhören erdacht. In der gruselig schweren Kadenz von Tschai-kowskys Violinkonzert konnte der Solist, wieder war es der elegante Wladimir Spiwakow, seine stupende Technik beweisen. Darüber hinaus bestätigte er aber auch den Besitz einer heute recht rar gewordenen Eigenschaft: Geschmack. Man kann also leidenschaftliches Temperament auch zum Ausdruck bringen, ohne wie ein Zigeuner im Cafe eine Sorte leicht erregbarer Damen zu sensibilisieren ... — Heinrich Schiff hatte es anschließend unverdient schwer. Das wesentlich weniger effektvolle Cellokonzert von Schumann hätte unbedingt vor Tschaikowsky gestellt werden müssen. Vielleicht war nur das der Grund, warum uns Schiffs Ton nicht so leuchtend vorkam wie sonst; eindrucksvoll wie immer blieb aber seine technische Sicherheit. Am guten Gesamteindruck des Konzertes hatte Carl Melles mit seiner hervorragenden Leistung wesentlichen Anteil.

Ein Festwochenerlebnis besonderer Art — eigentlich durfte man es ja erwarten — vermittelte das Alban-Berg-Quartett bei seinem Abend im Mozart-Saal. Die „Lyrische Suite“ von Berg lebten die vier Künstler gewissermaßen als ein atmendes und empfindendes Wesen vor. Besser aufeinander abgestimmt kann kein Ensemble der Welt mehr sein. Der dritte Satz war ein einziger Sprühregen von Duft und Licht, alles stellte sich feinsinnig, präzise und locker musiziert als ein schier unbegreifliches Wunder reifen Künstlertums dar. Mozarts tänzerisch-heiteres Quartett, KV 499, kam den Wienern ebenfalls besonders entgegen als ein intellektuelles Spiel auf höchster Ebene, mit Charme, Phantasie, Feingefühl und dem Geschmack des weltbürgerlichen Salons im besten Sinne. „Zu ebener Erde“ lief es dann wesentlich einfacher ab; statt Valentin Erbens Cello hörte man nun den Kontrabaß von Heinrich Schweikart

im Quartett, gespielt wurden mit äußerster Raffinesse Lanners „Stey-rische Tänze“ und Vater Straußens „Kettenbrückenwalzer“.

Herbert Tachezi spielte Im Rahmen der Wiener Festwochen in der Hofburgkapelle Orgelwerke von J. S. Bach, Georg Muffat und Pawl Hindemith. Ein in sich geschlossener Kreis, denn auch Hindemiths Sonate I ist durchleuchtet von dem neuen Raumgefühl der Renaissance. Aus ihr waren die Zugänge zu Georg Muffats Toccata septima aus dem „Apparatus musico-organisticus“ leicht zu finden. Mit sehr viel Stilempfinden und Virtuosität gespielt,

spannte sich so der Bogen von Bach bis zur Moderne. Die Freie Improvisation des Organisten am Schluß des Konzerts hätte doch wohl in der Modernität an Hindemith anschließen müssen! Die Wiener Sängerknaben unter Uwe Theimer wurden der Renaissance mit der Trauermotette Ludwig Senfls und Motetten des Jacobws Gallus gerecht. Prachtvoll gesungen das „PUerl con-cinite“ und „Natus est nobis“. Die vier Gesänge Karl Schiskes (Die Flamme, Gewitter) waren wohl zu diesem Anlaß nicht richtig am Platz. Das „Ave Maria'“ und das „Jubllate Deo“ Uwe Theimers mit Rezitation und Choralmelismatik blieben zu sehr an der Oberfläche des Textes.

F. X. G.

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