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Orchesterparade
Nicht ganz so glanzvoll wie als Interpreten der Tristan-Partitur präsentierten sich die Wiener Philharmoniker am Sonntagvormittag in ihrem ersten Abonnementkonzert unter Claudio Abbado. Es begann mit der 1916/17 geschriebenen, 1918 uraufgeführten „Symphonie clas-sique“ von Sergei Prokofjew — eines der technisch heikelsten Werke dieses artifiziellen Genres. Es gibt ein halbes Dutzend Schallplattenaufnahmen von dem Werk, und nur eine einzige entspricht voll und ganz den virtuosen Anforderungen der beiden Ecksätze. Sie stammt vom NBC Sym-phony Orchestra und wird, natürlich, von Toscanini geleitet, den Furt-wängler gelegentlich im Scherz einen „Militärkapellmeister“ genannt hat. Aber eben den braucht es, um die Streichersprünge des 1. Satzes im perfekten Unisono zu realisieren. Um so schöner gelangen die langsamen Teile, das Larghetto in der „Symphonie classique“ und die langsamen Ecksätze in Frank Martins nur etwa 13 Minuten dauernde „Ballade pour alto et orchestre“ (den Bratschenpart spielte der ausgezeichnete Philharmoniker Josef Staar). Es ist dies ein liebenswür-
diges, teils elegisches, teils tänzerisches Alterswerk, dessen Instrumentierung (mit vielen Bläsern, Cembalo und Harfe) ein wenig an die schon vor vielen Jahren geschriebene, aber immer noch erfolgreiche und gern gespielte „Petdte Symphonie concertante“ erinnert. — Bei der das Konzert beschließenden vierten Symphonie von Schubert in c-Moll, die Tragische genannt, wurde der Rezensent nicht recht warm. Heute, drei Tage nach dem Konzert, da dies Manuskript endlich zum Druck befördert werden muß, denkt er immer noch darüber nach — und kommt zu keinem Ergebnis. Es wird vielleicht also doch nur am Föhn gelegen haben... H. A. F.
Die Moskauer Philharmonie hat unter den russischen Orchestern seit langem den Ruf, sich vor allem für interessante Erstaufführungen und neue Werke zu engagieren. Schosta-kowitschs „Vierte'“, Werke von Mahler, Britten, Prokofleff, Gershwin, Bartök, stehen ständig auf ihrem Programm, für sie werden laufend neue Werke erarbeitet. In der Reihe
prominenter Gastdirigenten sind Foumier, Cluytens, Strawinsky, Maazel, Klecki und andere zu finden. Nun präsentiert sich das Orchester mit zwei Programmen, die die Qualität der Musiker überzeugend nachwiesen. An Tschaikowskys VI. Symphonie und einem einsätzigen, 1967 uraufgeführten Konzertsatz des 48jährigen Russen Andrej Eschpai zeigte das Orchester unter dem jungen Alexander Lazarjew Homogenität, erstaunliche Intensität, vor allem in den Streicherstimmen und im dichten, ein bißchen kompakt klingenden Blechbläsersatz. Als Solisten stellte man den Preisträger des Tschaikowsky-Wettbewerbs Grigorij Sokolow vor, der Saint-Saens' zweites Klavierkonzert mit fabelhafter Bravour vorträgt. Ein Pianist, dem wir hier gern in einem Soloabend wieder begegnen möchten.
R.W.
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Das aus Mitgliedern des führenden staatlichen Konzertorchesters in Budapest zusammengesetzte Ungarische Kammerorchester hat seinen im In- und Ausland erworbenen ausgezeichneten Ruf — es sei unter anderem an sein erfolgreiches Auftreten bei den Salzburger Festspielen 1963 erinnert — neuerdings durch sein Konzert im Großen Musikvereinssaal bestätigt. Das aus 26 Musikern bestehende, von dem bekannten Geiger, Konzertmeister Vilmos
Tatrai 1957 gegründete Ensemble steht auch heute noch, ohne Dirigenten spielend, unter seiner vom ersten Geigenpult ausgehenden Leitung. Hervorragend ist die Klang-qualität der sich homogen zusammenfügenden Streicher und Bläser, in minuziöser Genauigkeit spielen sich die wie aus einem Guß vor sich gehenden Einsätze, Tempowechsel und Agogik ab. — Das Programm enthielt zwei Symphonien der Brüder Michael und Joseph Haydn, denen sich die As-Dur-Symphonie des von Kaiser Joseph II. zum Wiener Hofkapellmeister ernannten Florian Gassmann gut einfügte: Ein zwischen Bach und Frühklassik hin und her pendelnder Stil ist für sie charakteristisch. Von dem als Primarius seines ehemaligen Quartetts bekanntgewordenen, 1960 verstorbenen Leo Weiner hörte man ein mit stark ungarischen Rhythmen durchsetztes Divertimento, dessen erster Satz die Bezeichnung „Tempo di Csardas“ trägt: eine hübsche, wenn auch reichlich eklektisch anmutende Komposition. Glanz- und größtes Erfolgsstück des Abends war ein Fagottkonzert in a-Moll von Antonio Vivaldi mit dem stich als Solisten auszeichnenden Laszlo Hara. Als — leider einzige — Draufgabe bescherten die Ungarn dem enthusiastisch Beifall spendenden Publikum den letzten Satz aus Haydns „Trauersymphonie“.
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