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„Orden" gegen Isolation

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Die „Stadtmönche" von Paris haben in ihrer Lebensregel alte Formen in den Dienst der Gegenwart gestellt. Ihr geistliches Programm enthält der Herder-Band „Geht ihm entgegen" von Bruder Pierre-Marie. (Freiburg, 1983)

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Die „Stadtmönche" von Paris haben in ihrer Lebensregel alte Formen in den Dienst der Gegenwart gestellt. Ihr geistliches Programm enthält der Herder-Band „Geht ihm entgegen" von Bruder Pierre-Marie. (Freiburg, 1983)

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Nicht wenige, die der Weg zu ganz anderen Zwecken nach Paris führt, versäumen es nicht, in der Kirche der „Jerusalem-Gemeinschaften" früh, mittags oder abends am liturgischen Gebet oder an der Eucharistiefeier teilzunehmen. Der Wunsch des Vorgängers des jetzigen Pariser Erz-bischofs Lustiger, Kardinal Mar-ty, mitten in Paris ein neues religiöses Zentrum zu schaffen, deckte sich mit den Absichten einer Gruppe von katholischen Männern und Frauen unter der Führung des ehemaligen Studentenseelsorgers der Sorbonne, Pierre-Marie Delfieux, in Paris — bald auch in Marseille - inmitten der „Wüste", eine religiöse Gemeinschaft zu gründen. Das war 1975, bald folgte eine Schwesterngemeinschaft.

Wie die „Jerusalem-Gemeinschaften" selbst betonen, wollen und können sie keine neue Kongregation sein, obwohl sie von den altehrwürdigen Orden viel übernommen haben, von Benediktinern, Brasilianern, von der Kar-melitanischen Spiritualität, auch von den Wüstenvätern und von Taize. Doch ihr innerster Sinn ist es, in Gebet, Kontemplation, im Dasein für jeden, der Hilfe, Aussprache braucht, Christusnachfolge in der Stadt, in dem irdischen Abbild des Zieles, als des „himmlischen Jerusalem", zu leben. In getrennten Häusern leben Brüder und Schwestern, immer in Miete, immer in einem halbtägigen Arbeitsverhältnis irgendwo in der Stadt, ohne Klausur.

Fest und ausschließlich an den Ortsbischof gebunden, gibt es keine spezielle Seelsorgearbeit. Aber es gibt gleichberechtigt, und nur durch einen „Rat der Prioren" miteinander verbunden, neben den Stadtmönchen und den

Schwestern die „Lauren", eine Wiederbelebung uralter Formen des Eremitenlebens. Die „Laures de Jerusalem" berufen sich gleichzeitig auf den hl. Bruno und auf Charles de Foucauld, sie leben in der Nähe der Kirche Saint-Gervais, nehmen an der täglichen Liturgie teil, bleiben sonst jedoch in ihrer Einsamkeit.

Außerdem gibt es noch andere Formen in den „Jerusalem-Gemeinschaften": eine Laien-Fraternität, Männer, Frauen, verheiratet oder nicht, und unter diesen noch die eigentlichen „Familiers", die sich auch in ihrer äußeren Lebensform dem Leben der Brüder und Schwestern besonders nahe fühlen.

Gerade in der Großstadt hat gefehlt, was man ein Zentrum des Gebetes, der Stille, der Buße, der Kontemplation nennen könnte, offen für jeden. An einem beliebigen Tag zu beobachten, was da von der Straße in die Kirche kommt und ganz selbstverständlich an den Morgengebeten oder

45 Minuten mittags an Gebet und Stillschweigen teilnimmt, beweist, daß hier einem Mangel und zwar gerade in der Hektik oder auch Isolationshaft der Millionenstadt abgeholfen wurde.

Daß Mönche wie Schwestern nach den evangelischen Räten leben, versteht sich von selbst. Ein gemeinsames Ordenskleid verbindet sie äußerlich, für Messe und Gebetszeiten. Ist der Dienst in Saint-Gervais sechsmal wöchentlich gewissermaßen öffentlich, so ist der Montag für ein anderes Programm bestimmt. An diesem Tag lebt man in der Zurückgezogenheit einer anderen „Wüste", irgendwo auf dem Land.

Der großartige und wichtige Anfang konnte vielleicht nur deshalb gelingen, weil man trotz vielfacher Not an Priestern, an engagierten Laien, bewußt darauf verzichtete, im karitativen oder pa-storalen Einsatz seiner Kirche zu dienen, sondern in der Stille, in Gebet, in Einsamkeit.

Gekürzt aus „KATHPRESS"

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