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Ordensleben bleibt ein Faktor der Kirche

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Die Orden gehören wesentlich und unverzichtbar zum Erscheinungsbild der Kirche. Oft wirkten sie innerhalb der Großkirche wie ein heilsamer Schock. Nicht selten haben sie gegen eine reiche Kirche die Armut Jesu eingeklagt. Angesichts einer triumphierenden Kirche wurden sie zu emphatischen Trägem der Memoria Passionis. Sie beunruhigten eine Fürstenkirche ebenso wie eine Bürgerkirche mit Parusiegedanken.

Sie ritzten das Leben der Kirche - um mit Johann Baptist Metz zu sprechen-das sich „schiedlich-friedlich” mit den staatlichen Mächten arrangiert hatte, mit dem Stachel der Apo- kalyptik und beriefen sich gegen den immer wieder unternommenen Versuch, staatliche Gerechtigkeit und eschatologische Gottesgerechtigkeit mehr oder minder zu identifizieren, leidenschaftlich auf den Jesus, mit dem im buchstäblichen Sinne kein Staat zu machen ist.

In Europa und Nordamerika sind in den letzten Jahrzehnten bedenkliche Schwunderscheinungen an den Orden aufgetreten, so daß nicht ganz zu Unrecht von einer Krise der Orden gesprochen werden darf. Damit ist aber die Zukunft der Orden in der ganzen Welt für Karl Rahner noch längst nicht eindeutig prognostiziert, vor allem wenn man ihr Wachstum in anderen Ländern beobachtet und einkalkuliert. Rahner ist überzeugt, daß das Ordensleben bei allen Modifikationen, die es in Zukunft annehmen wird, ein wesentlicher und bleibender Faktor in der Kirche bleiben wird.

Eine andere Frage wird sein, wie groß das organisierte Ordensleben, wie wir es kennen, in Zukunft sein wird. Zweifelhaft ist allerdings, inwieweit kleinere Ordensgemeinschaften, die im 19. Jahrhundert zu sehr von oben her, ohne einen wirklich neuen spirituellen Aufbruch zu bedeuten, organisiert wurden, die heutige kritische Situation überleben werden.

So könnte es sein, daß kleinere Ordensgemeinschaften mit einem zu partikulären und für eine moderne Lebensgestaltung nicht ausreichenden Ziel zu existieren aufhören müssen. In diesem Falle könnte auch der Mut zum Tod eine christliche Haltung sein, die allen Respekt verdiente.

Es wäre natürlich durchaus denkbar, daß sich gewisse Ordengemeinschaften vereinigten, um diesem Schicksal zu entgehen. „Ich finde es bedauerlich, daß Rom mit seiner juristischen Organisation, die doch sonst sehr schnell zur Stelle ist, in dieser Beziehung, soweit ich weiß, noch gar nichts getan hat.”

Es könnte aber auch sein, daß sich von der Basis her ganz neue Organisationen bilden, die man ruhig Orden oder religiöse Gemeinschaften nennen könnte. Hier wäre allerdings zu prüfen, ob bei diesen Gemeinschaften der Verzicht auf die Ehe noch so zentral und zur geistigen Substanz dieser Gemeinschaften gezählt werden müßte wie bisher.

Rahner ließ keinen Zweifel, daß es in Zukunft religiöse Orden geben werde, bei denen der Verzicht auf die Ehe selbstverständlich ist. Aber er könnte sich durchaus denken, daß es religiöse Gemeinschaften gibt, die den Verzicht auf die Ehe nicht mittragen und trotzdem von ihrer ganzen Lebensgestaltung das eigentlich mit-weiterführen, was die bisherigen Orden in der Kirche getan und gelebt haben.

Ein spezielles Problem sieht Rahner darin, daß Jugendliche auf ihrer Suche nach einer alternativen Lebensform die gegenwärtigen Orden nur schwer als Verwirklichung ihrer Ideale entdecken können. Woran mag das liegen?

Ein konkreter einzelner Orden hat von Gott noch lange nicht die Verheißung, daß sein ursprünglicher Geist immer lebendig und zeugend weiterlebt. So kann es natürlich Orden geben, die ihren Geist nicht mehr in der ursprünglichen Weise leben, so daß ein junger Mensch da seine Lebenserwartungen und Lebensideale nur schwer erkennen kann.

Dazu kommt natürlich noch, daß alle geschichtlichen Größen nach einer gewissen Zeitspanne an Alterserscheinungen und Müdigkeiten leiden und sich schwer tun, einer neuen Zeit gegenüber richtig zu verhalten. Darüber hinaus gibt es immer noch innerhalb der Orden viel zu viele alte Zöpfe und viel zu wenig Mut, etwas neu zu konzipieren.

Allerdings gibt es in der Ordensgeschichte der jüngsten Zeit Beispiele, wo mit einem gewissen Elan eine neue Gemeinschaft sich gebildet hat, deren Atem und Lebenskraft nach ein paar Jahrzehnten bereits wieder erschöpft ist, während die alten Orden, wie die Franziskaner, die Dominikaner, die Benediktiner und vielleicht auch die Jesuiten langsamer und bedächtiger weitermachten; und siehe da, sie leben noch immer, während junge Gebilde, die einmal ein ungeheures Selbstbewußtsein hatten, wieder am Absterben sind oder längst nicht mehr die Attraktivität ihres Anfangs haben.

Im Zusammenhang mit diesen Problemen sieht Rahner auch den gegenwärtigen Priestermangel. Seiner Meinung nach stammt er nicht nur vom Zölibatsgesetz der römischen Kirche. Aber daß es einen Zusammenhang zwischen Priestermangel und Zölibatsgesetz gibt, dürfte eine Tatsache sein.

„Muß deshalb die Kirche, um den Priestermangel von dieser Seite her zu beheben, heute auf den Zölibat verzichten? Eine gewisse Erleichterung des Priestermangels würde auf diese Weise gewiß eintreten. Das wird man im Emst nicht bezweifeln können. Denn es gibt so-und-so-viele Priester, die durchaus wieder bereit wären, ihren priesterlichen Beruf wieder auf sich zu nehmen, wenn das Zölibatsgesetz fiele.

Ob ein solcher Verzicht unter anderen Gesichtspunkten, die ja nicht nur aus römischer Machtpolitik oder einer reaktionären Gesinnung stammen, angezeigt wäre, das ist natürlich eine ganz andere Frage. Man muß sicher sagen, daß das Christentum im konkreten Leben auch Wirklichkeiten bezeugen muß, die nur verstehbar und sinnvoll sind aus einer letzten, von der Welt oft nicht verstehbaren Glaubensentscheidung.”

Dazu gehöre bis jetzt noch immer der Zölibat, aber ob das in Zukunft so sein wird oder so vorwiegend sein wird, wie das jetzt ist, sei natürlich eine andere Frage.

Rom wünscht im Augenblick keine Fortsetzung der Zölibatsdebatte. „Wie weit Rom einen solchen Wunsch praktisch durchsetzen kann, ist eine andere Frage und selbstverständlich ist auch eine solche Frage, weil es sich immer wieder um Lebensentscheidungen handelt, nicht eine Frage, die ein für alle Mal für ewige Zeiten ad acta gelegt werden kann. Das kann sich Rom wahrhaftig nicht vorstellen und wird es auch nicht tun.”

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