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Ordensleben heute

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Mönchisches Leben, Ordensgemeinschaften, Nonnenklöster — haben sie überhaupt noch eine Aufgabe, einen Platz in der Gesellschaft von heute, die längst selbst alle jene Aufgaben übernommen hat, die einst von den Orden ausgeübt worden waren, von der Aufnahme von Findelkindern bis zur Bestattung der Toten, über Schule und Krankenversorgung?

Kardinal Jerome Hamer, als Präfekt der Religiosenkongrega-tion am Vatikan oberster „Chef“ aller Männer- und Frauenorden der Weltkirche, sieht dies anders: „Ordensleben bedeutet, das christliche Leben mit größerer Radikalität zu leben, sich gewisser legitimer Güter zu enthalten, die Anteil am normalen Leben des Christen sind, um sich umso mehr der Liebe zum Herrn und zu den Brüdern hinzugeben.“

Der Kardinal, der kürzlich an der jährlichen Konferenz der Frauenorden Österreichs in Vöck-labruck teilnahm, sieht die Entwicklung auch gar nicht so pessimistisch, wie es aussterbende Gemeinschaften, stagnierende Eintrittszahlen erwarten ließen.

„Es gibt eine Geographie und eine Geschichte der Berufungen“, meint er. Bei uns im Westen haben sich die Eintritte seit dem Konzil vermindert - „aber ich sehe bereits ein gewisses Zunehmen“. Und gleichzeitig gibt es neue Gemeinschaften, die guten Nachwuchs haben, etwa in Frankreich die Brüder des Heiligen Franziskus oder die Bethlehem-Schwestern, die auch in Osterreich tätig sind.

In Ubersee gibt es viele Neueintritte, in Indien, Korea, in Indonesien und auf den Philippinen, in Teüen Afrikas und Lateinamerikas. In Guatemala waren die Seminare noch nie so voll wie heute.

Die Kurve der Neueintritte steigt, auch wenn die Gesamtzahl noch fällt, da die stärksten Jahrgänge eben die alten sind. Es gibt eine Zukunft für das Ordensleben, ist der Präfekt überzeugt, auch wenn sie sich auf niedrigerem Niveau einpendeln dürfte, als früher, „aber das ist Futurologie, es bedeutet, die Zukunft aus der jüngsten Vergangenheit hochzurechnen. Ereignisse, die wir nicht voraussehen können, können die Dinge wieder verändern.“

Natürlich muß auch die Ausbildung der Ordensangehörigen auf die veränderten Umweltbedingungen abgestellt werden. Das Konzil hat genaue Richtlinien f ür die Neufassung der Ordensregeln herausgegeben, in denen betont wird, daß die Orden in der Kirche von heute leben, mit allen ihren Fortschritten. Die Ordensangehörigen werden aufgefordert, sich etwa an der liturgischen Bewegung zu beteiligen.

Unter den aktuellen Bedingungen der Kirche in der Welt zu leben, heißt nicht, sich der Welt anzupassen. „Aber wir müssen wissen, daß wir in der Welt von heute unser religiöses Leben, unser Apostolat ausüben müssen. Jede Erneuerung der Ausbildung muß auf eine Erneuerung des Spirituellen abzielen.“

In zwei Jahrtausenden der Kirchengeschichte sind immer wieder neue Orden entstanden, um neue Aufgaben erfüllen zu können. Treten heute nicht moderne Gemeinschaften an ihre Stelle? Erwächst den Orden in ihnen nicht eine Konkurrenz?

„Das ist eine Gesetzmäßigkeit“, betont Kardinal Hamer. „Das der Kirche geweihte Leben hat sich stets weiterentwickelt, durch Erneuerung alter Formen wie durch Herausbüdung neuer, nebeneinander. Neben dem Mönchtum der Frühzeit entstanden die mittelalterlichen Orden der Dominikaner, der Franziskaner, der Karme-liten. Dann kamen im 16. Jahrhundert die Jesuiten, dann die Sa-lesianer. Heute ist das ebenso. Alle alten Formen bleiben weiter existent, sie werden reformiert, adaptiert, hinterfragt. Und gleichzeitig entstehen neue daneben. Sie sind neue Formen des Wirkens des Heiligen Geistes und Stimulantien für die Kirche. Und zwischen beiden muß es Dialog geben.“

Gibt es diesen Dialog von beiden Seiten?

Der Kardinal ist zuversichtlich. Diese „ecclesialen Gemeinschaften“, wie sie in Italien genannt werden, etwa die Focolarini, „Communione e liberazione“ oder die verschiedenen charismatischen Gemeinschaften, stellen ihrerseits Nachwuchs für die Orden. „Ich kenne ein Trapistinnenklo-ster in Italien, das viele Berufungen aus diesen modernen Bewegungen erhält.“

„Diese Gruppen sind oft anders aufgebaut als die traditionellen Orden. In ihnen leben nebeneinander Menschen, die sich den drei evangelischen Räten der Armut, des Gehorsams und der Keuschheit geweiht haben, Ehepaare, die ihre Ehe nach einem sehr hohen Ideal leben, und Ledige, die sich engagieren, ohne Gelübde abzulegen. Diese Bewegungen sind auch noch voll auf der Suche nach ihrem Selbstverständnis.

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