6831737-1974_43_01.jpg
Digital In Arbeit

ORF an der Kandare

Werbung
Werbung
Werbung

Der Österreicher reagiert ungemein empfindlich auf einschneidende institutioneile Veränderungen.

Gleichgültig, wie man die Vorgänge um die sogenannte ORF-„Refornr’ bezeichnet — die ÖVP fand dafür Worte, wie „Verfassungsbruch”, „Putsch” und „Bartholomäusnacht”, „Köpferollen, wie es in diesem Land seit Wiedergewinnung der Freiheit noch nie dagewesen ist” — eines steht fest: der ORF ist nicht mehr das, was er war, unabhängig von den Parteien, er ist heute ganz im Sinne der sozialistischen Parlementsmehr- heit, des ÖGB und der Bundesregierung ein Regierungs-, derzeit also ein SPÖ-Rundfunk. Im ORF-Kura- torium herrscht eine „Dampfwalze Modell 16 :14”, die alles überrollt, was nicht der Auffassung der SPÖ entspricht.

Nim, der Österreicher hat darauf höchst sensibel reagiert: bei der Arbeiterkammerwahl am 20. September und nun bei den Landtagswahlen in Vorarlberg und der Steiermark und bei den Gemeinderatswahlen im Bundesland Salzburg. Was 10-Pro- zent-Inflationsra’ten, unsichere wirtschaftliche Erwartungen und eine desorientierte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nicht vermochten, hat nun die ORF-„Reform” bewirkt: der österreichische Wähler wendet sich von der Regierungspartei ab.

Dabei beginnen erst die Schwierigkeiten mit dem ORF und in diesem Unternehmen: Anfang November müssen verfassungwidrige Bestimmungen des ORF-Gesetzes im Nationalrat saniert werden, dabei wird wahrscheinlich nochmals überprüft werden müssen, ob nicht die Beschlüsse des ORF-Kuratoriums insgesamt unrechtmäßig zustande gekommen sind, weil die Nominierung des ASKÖ-Vertreters Rudolf Spiolas gesetzwidrig sein dürfte. Doch das ist „große” Politik. Auf die neuen Männer im ORF aber wartet der Tageskampf, von dem viele annehmen, daß er insbesondere zu einem Tageskrampf ausarten werde.

Verhältnismäßig einfach war die Bestellung der Landesintendanten. Trotz heftiger Pressionsversuche sozialistischer Medienpolitiker durfte der Landesintendant des Studios Niederösterreich, Kurt Bergmann, seinen Posten behalten; in Oberösterreich wurde der fachlich ohnedies umstrittene Himer durch den Redakteur des Aktuellen Dienstes, Dr. Hannes Leopoldseder, ersetzt. Intendant von Studio Wien wurde Kurt Eibegger. Im Burgenland löste Karl Hofer den bisherigen Intendanten Emst Willner ab, der nun nach Kla- genfurt gesandt wird, um dort den

Die Vernunft hat in der Schweiz gesiegt — mit rund 65 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. Die Ausländer dürfen bleiben. Die Frauen, die, weil erstmals wahlberechtigt, die große Unbekannte in der Rechnung waren, erwiesen sich als mindestens so vernünftig wie die Männer. Wobei schon stimmen dürfte, daß hier unter Vernunft nicht Altruismus, sondern wohlverstandener Eigennutz zu verstehen ist. Die Schweiz verdankt ihren Wohlstand nicht zuletzt der Tatsache, daß schon vor dem Ersten Weltkrieg auf neun Schweizer ein Gastarbeiter kam. Mag sein, daß sie ausgenützt werden. Ihre Vertreibung wäre trotzdem eine Katastrophe gewesen — für sie selbst, für die Schweizer und für Europa.

ÖVP-nahen Peter Goritschnig zu ersetzen. In Tirol, Vorarlberg und der Steiermark gibt es keine Veränderungen. Der Posten des Landesintendanten von Salzburg wird nach dem 30. Juni 1975 neu besetzt.

Nachdem nun Dr. Oberhammer von der SPÖ-Mehrheit im ORF-Ku- ratorium zum zweiten Mal bestätigt wurde, wird es seine Aufgabe sein, ein Konzept für den ORF zu entwerfen und auch teilweise schon zu realisieren, um die ORF-„Reform” überhaupt zu rechtfertigen. Dazu wird er in erster Linie das Einvernehmen mit den neuen Femsehin- tendanten Gerhard Weis und Franz Kreuzer suchen müssen. Wie diese beiden „Programmaschinen” tatsächlich funktionieren sollen, vermag sich heute im ORF noch niemand recht vorzustellen. Da beide Fern- sehintendanten aus der innenpolitischen Berichterstattung kommen, dürften sie ihr Interesse vorerst darauf konzentrieren, ein Stück Informationspolitik für ihre Intendanturen zu ergattern. Gelingt ihnen das, dann würden schon in nächster Zeit von beiden Programmen unterschiedlich gestaltete Abendnachrichten („Zeit im Bild”) ausgestrahlt werden. Wie das im Detail geschehen soll, ist noch undurchsichtig. Werden in FS T große und in? FS 2 kleine Interviews ausgestrahlt, wird im Programm 1 die Innenpolitik, im Programm 2 dagegen die Außenpolitik bevorzugt? Wahrscheinlich können nicht einmal Weis und Kreuzer auf diese Fragen verbindliche Antworten gelben. In jedem Fall wird der Aktuelle Dienst zusätzliche Leute anstellen müssen; damit ist eine Ko- stenexplosion und möglicherweise eine Gebührenerhöhung verbunden.

Der neue Hörfunkintendant Wolf In der Mäur wird da und dort als Fragezeichen im neuen ORF bezeichnet. Insbesondere wird kritisiert, daß er keine speziellen Erfahrungen besitze. Nun, die kann man sich aneignen. Sicher ist, daß In der Maurs erste Erklärungen über seine Hörfunk-Politik nicht überall mit großer Begeisterung aufgenommen wurden. Vor allem die Zusicherung, jede Woche einen Tag „Rundfunk total” zu veranstalten, wurde von Kennern mit einem müden Lächeln aufgenommen. Die kaufmännische Direktion liegt bei Walter Skala, einem Mann, der auf diesem Sektor, was gerichtsbekannt ist, versagt hat. Möglicherweise hat er von der SPÖ den Auftrag bekommen, von der kommerziellen Plattform aus die Rundfunkpolitik zu lenken, das heißt: bestimmte Sendungen finanziell ausreichend zu dotieren, andere — kritische? — dagegen nicht. Skala ist der SPÖ jedenfalls zu großem Dank verpflichtet; es bleibt abzuwar- ten, in welcher Münze er diesen Dank rückerstatten muß. Kontinuität darf man dagegen vom technischen Direktor Dipl.-Ing. Wassiczek erwarten. Er versteht sein Geschäft und erhielt deshalb auch im ORF- Kuratorium bei der Wahl den größten Zuspruch.

Bis Ende 1974 muß Justizsektionsrat Dr. Oberhammer die Weichen so stellen, daß auch eher mißtrauische Sozialisten zur Überzeugung gelangen, daß er tatsächlich der beste Erfüllungsgehilfe der Bundesregierung ist. Diesen Erfolgsnachweis ist er Bundeskanzler Dr. Kreisky schuldig, der wiederum dem ÖGB-Präsiden- ten Benya im Wort ist. Sicher ist, und das wurde in der FURCHE schon mehrmals festgestellt, daß in diesem Wechselspiel der parteipolitischen Abhängigkeiten der Rundfunk und TV-Konsument zum Handkuß kommen wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung