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ORF-Gegenreform Rohrkrepierer?

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Wieder einmal ist der ORF in den Parteienstreit geraten: Eine Strukturbereinigung soll für mehr Effizienz gegenüber ausländischer Konkurrenz sorgen. Aber es geht um mehr.

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Wieder einmal ist der ORF in den Parteienstreit geraten: Eine Strukturbereinigung soll für mehr Effizienz gegenüber ausländischer Konkurrenz sorgen. Aber es geht um mehr.

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Am 25. März tritt für die beiden Fernsehprogramme des ORF ein neues Programmschema in Kraft. Die wohl augenfälligste Neuerung (neben der zeitlichen Vorverlegung von „Club 2" und Spätprogramm): Die Informationssendungen „Zeit im Bild" und „Zeit im Bild 2" werden ab diesem Zeitpunkt aus einem neuartigen, sogenannten Kompaktstudio, dem „News Room", ausgestrahlt.

In den USA nach Vorbildern für die Neugestaltung der Fernsehnachrichtensendungen gesucht hat der momentane Leiter der Hauptabteilungn. „Aktueller Dienst", Franz Kreuzer. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Programmschemas sollte eigentlich Franz Kreuzer schon Fernsehintendant sein — alleinverantwortlich für alle Politik-und Informationssendungen des ORF-Fernsehens.

So war es jedenfalls der erklärte Wille von ORF-Generalintendant Gerd Bacher, der das Konsensklima seit seiner Rückkehr an die Spitze des politisch sensiblen Monopolunternehmens im Spätherbst 1978 nützen wollte, um dem ORF-Fernsehen eine Strük-turreform zu verpassen.

Die letzte Rundfunkreform 1974 hatte zwei Fernsehintendanten geboren, die für das gesamte Programmangebot in ihrem Kanal verantwortlich zeichnen. Nach der von Gerd Bacher nun angestrebten „Reform der Reform" soll künftig ein Intendant für alle Informationssendungen in beiden Fernsehprogrammen zuständig sein. Ein sogenannter Programmintendant soll in Zukunft alle anderen Programmangelegenheiten des Fernsehens betreuen.

Inzwischen ist diese „Funktionslösung" längst zum Schlagwort in der medienpolitischen Diskussion geworden. Zustimmung und Ablehnung der Bacher-Reformpläne gehen quer durch die Parteien.

In einem Brief an die Obmänner der drei Parlamentsparteien und die ORF-Kuratoriumsmitglieder am 6. Februar begründet der ORF-Generalintendant seine beabsichtigte Strukturänderung mit der „dramatisch veränderten Markt- und Konkurrenzsituation", der sich der ORF — zum Unterschied von 1974 — heute konfrontiert sieht.

Kabelfernsehen, Heimelektronik und Satellit schaffen verstärkte Außenkonkurrenz. Deshalb, so Bacher, ist das medienpolitische Hauptproblem nicht länger Programmvielfalt und Plura-lität innerhalb des ORF — die außerdem durch die verschiedenen Gesetzesauflagen ohnehin garantiert wären. Aber „um der ausländischen Programm- und Informationslawine eine österreichische Stimme entgegenstellen zu können", müßten „größtmögliche Effizienz in der Organisation und optimaler Mitteleinsatz" gewährleistet werden (Bacher-Brief).

Hauptvorwurf von Bacher an die derzeitige Programmpraxis: Kanal-Egoismus und -Rivalitäten führten oft zu Lizitation um Programme und Sendezeiten. Bacher-Nachsatz: „Diese Nachteile sind systemimmanent und nicht subjektives Verschulden" (der beiden Fernsehintendanten Wolf In der Maur und Ernst Wolfram Marboe).

Hauptvorwurf der Bacher-Gegner: Auch die bestehenden Programmrichtlinien verpflichten den Generalintendanten zur Koordination beider Fernsehprogramme. Kostenaufwendige Zweigleisigkeit abzustellen, ist jetzt schon Aufgabe des ORF-Generalintendanten.

Kein Wunder, daß seit Bekanntwerden der Bacherschen „Funktionslösung" auch andere als unternehmenspolitische Motive in die geplante Strukturreform hineininterpretiert werden.

Einmal ist es ein offenes Geheimnis, daß Bacher mit dem Intendanten Wolf In der Maur keine rechte Freude hat. In der Maur bliebe nach den derzeit kolportierten Namen bei der Besetzung der neuen Intendantenposten auf der Strecke — noch dazu hat der Kreisky-Freund an der Rundfunkreform von 1974 an vorderster Front mitgearbeitet. Und die 1974er-Reform hielt Gerd Bacher von allem Anfang an für schlecht.

Tatsächlich kamen die ursprünglichen Reform-Intentionen von Bruno Kreisky 1974 nur in einem Punkt zum Tragen: Gerd Bacher mußte als Generalintendant gehen. Die Schaffung zweier voneinander völlig unabhängiger Fernsehkanäle — mit jeweils eigenen Programm-Mitarbeitern und eigener Technik — wurde nie realisiert, allein schon aus Kostengründen.

Was blieb, waren die Unterschiede zwischen den beiden Fernsehkanälen, die sich aus den verschiedenen Interessenschwerpunkten der jeweiligen Intendanten ergeben. Die Hauptabteilungsleiter, die beiden Kanälen zulieferten, werden damit zu Dienern zweier Herren. Vorteil: Wer mit seinem Programmvorschlag bei dem einen Fernsehintendanten auf keine Gegenliebe stößt, kann es heute auch noch beim anderen probieren.

Dieser mühsame Weg der Programmideen durch den Kompetenzdschungel im ORF-Zentrum Küniglberg war Bacher von Beginn seiner zweiten Karriere im ORF an immer ein Dorn im Auge. Daß er diesen Unmut in aller Deutlichkeit weder bei seiner Wiederwahl 1978 noch bei der Weiterbestellung 1982 ausgesprochen hat, ärgert heute auch manche Regierungssozialisten, vor allem jene, die aus dem Gewerkschaftsbund kommen.

Uneingeschränkt für Bachers „Funktionslösung" sind momentan nur Unterrichtsminister und ORF-Kuratoriumsmitglied Helmut Zilk und Hans Pusch, der Kabinettschef von Bundeskanzler Fred Sinowatz. Mit von der Partie ist auch der freiheitliche Koalitionspartner.

In der ÖVP überwiegt Skepsis, schon deshalb, da Bachers erklärter Kandidat für den Posten des Informationsintendanten das SPÖ-Mitglied Franz Kreuzer ist.

Und die SPÖ-Obmann-Stell-vertreter Karl Blecha und Heinz Fischer waren auch noch nie die Freunde des Gerd Bacher. Dennoch arbeitet Fischer im Auftrag von Bundeskanzler Sinowatz an einer ORF-Gesetzesnovelle, die Bachers Reform-Wünsche wohl beinhaltet, aber über diese noch entscheidend hinaus will:

Aufstockung des ORF-Kuratoriums zugunsten der Regierungsparteien SPÖ und FPÖ und Wahl der Intendanten nicht mehr auf Vorschlag des ORF-Generalintendanten, sondern auf Initiative der Kuratoriumsmitglieder.

Damit würde sich das Begehren von Gerd Bacher nach mehr Macht im ORF und mehr Einfluß auf die Programmgestaltung letztlich als Rohrkrepierer erweisen. Auf Gedeih und Verderb wäre dann der ORF den jeweiligen politischen Machthabern im Lande ausgeliefert.

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