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Orientieren, nicht gängeln

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Strukturpolitik soll den Rahmen des wirtschaftlichen Tuns abstecken. Daher wird die derzeitige Praxis einer Politik des direkten Eingriffs in das Marktgeschehen kritisiert.

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Strukturpolitik soll den Rahmen des wirtschaftlichen Tuns abstecken. Daher wird die derzeitige Praxis einer Politik des direkten Eingriffs in das Marktgeschehen kritisiert.

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Der systematische Irrtum bei strukturpolitischen Experimenten dieser Art ist die fehlende Einsicht in die Funktion von Risiko, Ertrag und Verantwortungszurechnung von Entscheidungen.

Hier wird der Tatsache aus dem Weg gegangen, daß jede wirtschaftlich bedeutsame Entscheidung nur unter Ungewißheit gefällt werden kann. Diese Ungewißheit betrifft die Folgen der Entscheidung, gleichgültig, ob es um eine Investition geht, die sich als rentabel herausstellen kann oder nicht, ob es um die Wahl einer Ausbildung geht, die mit entsprechenden Einkommenserwartungen verbunden ist, die sich erfüllen können oder nicht.

Zwar bleibt das Ausmaß dieser Ungewißheit gleich, unabhängig davon, ob der einzelne Unternehmer oder Haushalt oder staatliche Instanzen im weiteren Sinn diese Entscheidung treffen.

Der wesentliche Vorteil von Marktentscheidungen durch den einzelnen Unternehmer, Haushalt oder Arbeitnehmer liegt in drei Bereichen:

• Erstens in der hinreichend direkten Verknüpfung zwischen Entscheidung und persönlicher Verantwortung, für die Folgen der Entscheidung, also Gewinn oder Verlust, Einkommensmehrung oder -minderung. Das ist ein starkes Motiv für erhöhte Sorgfalt und Leistungsorientierung bei der Entscheidung.

• Zweitens in der Verteilung der Folgen fehlerhafter Entscheidungen: Wenn ein einzelner Unternehmer oder Arbeitnehmer Fehlentscheidungen trifft, dann halten sich die volkswirtschaftlichen Folgen des Irrtums in aller Regel in Grenzen. Fehleinschätzungen des Staates bei seinen wirtschaftlichen Entscheidungen kennen hingegen als letzte Instanz nur die Überwälzung auf die Gemeinschaft der Steuerzahler. Durch staatliche Entscheidungen werden Risken kumuliert, durch Marktentscheidungen werden Risken dezentral verteilt! • Drittens können nur dezentrale Entscheidungen jenes bei den vielen einzelnen „verstreute Wissen" im Sinne Friedrich von Hayeks mobilisieren, wodurch Informationsvorteile genützt werden...

Wie müßten nun Strukturprobleme aus marktwirtschaftlicher Sicht gelöst werden? Wenn Hemmnisse für eine hinreichend rasche Anpassung des Angebots an die erwartete Nachfrage auftreten und der Strukturwandel nicht störungsfrei ablaufen kann, dann ist im Gegensatz zur aktiven Strukturpolitik durch Intervention in der Marktwirtschaft eine Strukturpolitik erforderlich, die sich als Ordnungspolitik versteht Sie soll jene Rahmenbedingungen schaffen, die aus unternehmerischer Initiative eine raschere und eine friktionsfreiere Anpassung des Angebots an geänderte Bedingungen erlauben...

Strukturordnungspolitik setzt daher voraus, daß die Ursachen zu geringer Anpassungsfähigkeit analysiert werden, um Rahmenbedingungen schaffen zu können, die den Strukturwandel des Angebots erleichtern!"

# Eine zu dünne Risikokapitaldecke verhindert, daß die im Strukturwandel erhöhten Risken von Investitionen übernommen werden können. Zu geringe Eigenkapitalausstattung bewirkt also nicht nur geringere Krisenfestigkeit in der Gegenwart sondern führt zu höherer Krisenanfälligkeit in der Zukunft, wenn infolge der dadurch bewirkten erhöhten Risikoscheu überlebenswichtige Investitionen unterbleiben müssen oder verzögert werden ...

# Praktisch zur Gänze offen sind die für das Leistungsbilanzdefizit so wesentlichen Fragen der zunehmenden Belastung der Produktionsfaktoren mit Steuern und Abgaben, die nicht grenzaus-gleichsfähig sind. Wir brauchen nicht nur einen Belastungsstopp, sondern auch eine schrittweise Entlastung von gesetzlichen Lohnnebenkosten, allen voran die Lohnsummensteuer.

# Kaum Fortschritte sind auch in der Frage einer generellen Verbesserung des Marktzuganges erzielt worden. Insbesondere im Bereich des Existenzgründungsspa-rens sind wir keinen Schritt weitergekommen. Hingegen scheint sich ansatzweise die Einsicht Bahn zu brechen, daß in einer marktwirtschaftlichen Ordnung die Leistungsfähigkeit kleinerer und mittlerer Betriebe von vorrangiger Bedeutung ist

# Demgegenüber scheint sich langsam - trotz Kürzung der vorzeitigen Abschreibung - die Erkenntnis durchzusetzen, daß die steuerliche oder indirekte Inve-1 stitionsförderung im Strukturwandel ein wichtiges ordnungs-. politisches Instrument darstellt

# Im Bereich der Mobilität der Arbeitskräfte scheinen die Gegensätze zwischen staatlicher, zentral gelenkter Strukturpolitik als Ablaufpolitik und marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik am schärfsten zu sein. Wir müssen feststellen, daß in diesem Bereich das Motto .Arbeitsplatzsicherung" nicht nur werblich-zug-kräftige Umsetzung des unbestrittenen Vollbeschäftigungszieles ist, sondern auch so wörtlich verstanden wird, daß der Erhaltung des einzelnen Arbeitsplatzes Vorrang gegeben wird vor der Sicherung der Vollbeschäftigung durch eine wettbewerbsfähige Wirtschaft

Wir haben zuviel Staat, wenn unter Inanspruchnahme immer größerer Anteile des Sozialprodukts immer stärker und nachhaltiger in einzelne Bereiche des Wirtschaftsablaufes und der Gesellschaft eingegriffen wird. Wir haben hingegen zuwenig Staat wenn es darum geht, verbindliche Rahmenbedingungen für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse zu setzen, und für deren Einhaltung zu sorgen.

Auszug aus dem Schlußreferat, das der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer auf dem Osterreichischen Marktwirtschaftskongreß 1982 in Innsbruck gehalten hat.

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