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ORIENTIERUNG NACH OST UND WEST

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Die Neugestaltung Europas in Ost und West zwingt auch die oberösterreichische Wirtschaft, Standortbestimmungen vorzunehmen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und neue Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Die oberösterreichische Wirtschaft stellt sich bereits auf diese doppelte Herausforderung ein.

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Die Neugestaltung Europas in Ost und West zwingt auch die oberösterreichische Wirtschaft, Standortbestimmungen vorzunehmen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und neue Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Die oberösterreichische Wirtschaft stellt sich bereits auf diese doppelte Herausforderung ein.

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Nur noch ein gutes Jahr ist es bis zum Symboldatum 1. Jänner 1993, zu dem spätestens die vier Grundfreiheiten des EWG-Vertrages, nämlich die Freiheiten des Waren-, Personen-, Kapital- und Dienstleistungsverkehrs verwirklicht sein sollen. Tatsächlich ist der Binnenmarkt aber ein Prozeß, der längst begonnen hat. Das zeigen Firmenübernahmen und Investitionen des Auslands, das beweist aber auch deutlich die Zunahme des innergemeinschaftlichen Handels. Mit dem EWR, dem „Europäischen Wirtschaftsraum", und spätestens mit dem EG-Beitritt Österreichs wird sich der ohnedies schon gegebene Wettbewerbsdruck noch verschärfen, denn der größere Markt schafft für beide Seiten neue Zutrittsmöglichkeiten. Es darf aber auch nicht außer acht gelassen werden, daß die Gemeinschaft Assoziierungsabkommen mit den Reformländern. Ungarn, Polen und CSFR verhandelt, welche auf dem industriell-gewerblichen Sektor mit einigen Ausnahmen den zollfreien Zugang von Produkten dieser Länder schon mit Inkrafttreten der Verträge vorsehen.

Ähnliches beabsichtigen auch die EFTA-Staaten. Daher ergibt sich für alle Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, aber auch für solche, die auf ihrem lokalen Markt in diese Situation gedrängt werden können, unausweichlich die Notwendigkeit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu überprüfen. Insbesondere gilt es, Kosten zu optimieren, neue Produkte zu entwickeln, die Produktivität voranzutreiben, die Qualifikation der Mitarbeiter durch Aus- und Weiterbildung zu erhöhen und intensiv den Markt zu bearbeiten. Fragen der Logistik, der Lagerhaltung, ein Überdenken der bisherigen Einkaufsquellen und Absatzkanäle müssen ebenso berücksichtigt werden wie die Tatsache, daß es auch im großen Binnenmarkt aus Gründen der Geographie, der Mentalität, der Konsumgewohnheiten und des kulturellen Umfeldes weiterhin Teilmärkte geben wird.

Selbstverständlich werden die Auswirkungen des Binnenmarktes nicht überall die gleichen sein und unter anderem von der Intemationali-tät der Branche oder der lokalen Wertschätzung bestimmter Produkte und Dienstleistungen abhängen. Jedes Unternehmen hat deshalb die möglichen Auswirkungen des Binnenmarktes für seine Situation zu prüfen. Dabei muß aber mitbedacht werden, daß auch in Oberösterreich die Firmenlandschaft von Klein- und Mittelbetrieben geprägt ist. Nur zwei Prozent der etwa 21.000 oberösterreichischen Arbeitgeberbetriebe beschäftigen mehr als 100 Arbeitnehmer, hingegen haben 55 Prozent der Arbeitgeberbetriebe nur zwischen ein und vier Beschäftigte.

Bei aller Flexibilität und Innovationsgesinnung, die als besonders positive Eigenschaften der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gelten, sind diese gegenüber größeren Betrieben in mehrfacher Hinsicht auch benachteiligt. Dazu zählt etwa der Mangel an strategischer Planung, weil

über das Aufgehen in Alltagsarbeit dafür meist keine Zeit bleibt; dazu zählen ganz allgemein geringere personelle und finanzielle Ressourcen, die es nicht erlauben, Experten zu beschäftigen und mitunter zu gefährlichen Informationsdefiziten führen.

Gerade hier ist daher die Handelskammer als Interessenvertretung aufgerufen, diese besondere Situation mit ihrem Service auszugleichen. Als Beispiel dafür kann die EUROFIT-Aktion der Wirtschaftsförderungsin-stitute gelten. Rund 2.000 oberösterreichische Unternehmen haben die Unterlagen zur eigenen Standortbestimmung angefordert, zirka 700 ganztägige Beratungsgespräche mit einem Betriebsberater wurden anschließend geführt. Rund 100 Unternehmen haben an Work-Shops zur Strategieentwicklung teilgenommen. Ein anderes Beispiel ist die im Frühjahr in der Handelskammer OÖ eingerichtete EG-Informaflons-Stelle mit direktem Zugriff auf verschiedene EG-Datenbanken.

Zusätzlich zum EURO-Ruf der Bundeskammer und in enger Zusammenarbeit mit deren Experten und ihrem Vertreter bei der österreichischen Mission in Brüssel besorgt diese neue Serviceeinrichtung Informationen über Rechtsvorschriften, Normen und Märkte und gibt sie aufbereitet an die Mitglieder weiter. Sie führt Informationsveranstaltungen durch und gibt Unterstützung beim Branchenmanagement. Je nach Wunsch werden Firmen von öffentlichen Aufträgen im Integrationsraum verständigt. Über die Bundeskammer beteiligt sich die EG-Info-Stelle auch am sogenannten BC-Net und will solcherart Kooperationen über die Grenzen erleichtem. Denn als mögliche Strategie kommen neben der Vergrößerung des Betriebes und der Spezialisierung besonders auch Kooperationen in Betracht - für kleinere und mittlere Unternehmen wahrscheinlich die beiden letzteren noch mehr als ein Größenwachstum.

Die Handelskammer OÖ informiert und berät Firmen aber auch über EG-Forschungs-, und Technologieprogramme sowie zu EUREKA und beteiligt sich über CATT auch am Programm der Europäischen Gemeinschaft zur Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft im Bereich der Aus- und Weiterbildung CO-METT. Hier wurden bereits gute Ergebnisse mit Förderungsquoten über dem EG-Durchschnitt erreicht.

Eine gewissenhafte Vorbereitung vorausgesetzt, bringt der EG-Binnenmarkt ohne Zweifel auch für Klein-und Mittelbetriebe neue Chancen. Immerhin fällt eine Reihe jetzt besonders belastender Maßnahmen weg. Hiezu zählen die Grenzformalitäten, deren Kosten bei Klein- und Mittelbetrieben überproportional zu Buche schlagen.

Zu erwähnen ist ebenso das komplizierte und aufwendige System der Ursprungsregeln, das derzeit österreichischen Unternehmen öfters auch die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung verwehrt. Auch die Kosten zur Überwindung nicht-tarifarischer Handelshemmnisse wie Zulassungsverfahren, technische Prüfungen und so weiter schlagen bei Klein-und Mittelbetrieben besonders stark durch. Ihr Wegfall würde zu einer nicht unbeträchtlichen Entlastung führen. Vorteile werden sich aber auch aus der Verbilligung von Vorausleistungen wie Energie, Bank- und Versicherungsdienstleistungen, Vormaterialien et cetera ergeben. Schließlich werden die Klein- und Mittelbetriebe auch vom Trend profitieren, daß sich große Unternehmen auf Kernbereiche konzentrieren und verstärkt Vorprodukte und Dienstleistungen zukaufen. Immerhin gehören auch innerhalb der EG 95 Prozent der Unternehmen zum Kreis der KMU, die wiederum zwei Drittel der Arbeitskräfte beschäftigen. Wegen dieser großen Bedeutung gibt es auch in der EG auf diesen Kreis abgestimmte Förderprogramme.

Die oberösterreichische Wirtschaft verfügt über eine gute Ausgangsposition. Ein Viertel der gesamtösterreichischen Exporte kommt aus diesem Bundesland und zwei Drittel dieser Exporte finden schon heute in der EG ihre Abnehmer. Durch die Grenzlage und durch die von der Kammer seit vielen Jahren durchgeführten Exportberatungen am Firmensitz haben auch viele Klein- und Mittelbetriebe den Weg ins Ausland gefunden und sind mit dem internationalen Umfeld vertraut. Das erweist sich angesichts des Binnenmarktes als sehr positiv. Seit Sommer 1982 wurden zirka 3.700 derartige Beratungen bei fast 2.000 Firmen durchgeführt. Dabei wurde systematisch mit dem Exportaufbau begonnen, angefangen von der Auswahl des Marktes über die Partnersuche bis zur papiermäßigen Abwicklung. Mehr als 50 Prozent der beratenden Firmen haben nur ein bis zehn Beschäftigte. Sie sind in den verschiedenen Produktions- und Dienstleistungszweigen tätig und auf ganz Oberösterreich verteilt. Die oberösterreichischen Unternehmen sind in den letzten Jahren aber auch verstärkt mit Niederlassungen oder Beteiligungen in die EG gegangen. In der EG dürften es an die 300 Niederlassungen/Beteiligungen sein, darunter finden sich 50 Produktionsniederlassungen. Der Hauptteil liegt in Deutschland mit rund 180 Stützpunkten.

Das sind nur einige wenige Beispiele für die Vorbereitung auf den EG-Binnenmarkt. Selbstverständlich dürfen die firmeninternen Bemühungen in Forschung und Entwicklung, bei der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, in der Betriebsorganisation et cetera nicht vergessen werden. Auch die übrigen Kammerdienstleistungen wie Seminar-, Kurs- und Beratungsangebote des WIFI, die österreichischen Außenhandelsstellen und Initiativen der Fachorganisationen stehen unter dem Zeichen des kommenden großen europäischen Marktes.

Auch die geänderten politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in den ehemaligen Ostblockstaaten erfordern bei den oberösterreichischen Unternehmen Handlungsbedarf. Die Ausgangslage ist hier allerdings doch eine wesentlich andere, denn abgesehen von den beträchtlichen politischen Unsicherheiten, den Autonomiebestrebungen und Nationalitätenkonflikten fehlen im wesentlichen auch noch die marktwirtschaftlichen Strukturen. Doch alle diese Schwierigkeiten sind ja längst bekannt und brauchen nicht wiederholt zu werden.

Selbstverständlich ist die Lage in den einzelnen Staaten unterschiedlich, was eben auch die verschieden hohe Zahl von Auslandsinvestitionen erklärt. Zumindest hinsichtlich der Reformstaaten und teilweise auch der Sowjetunion besteht aber großes Interesse innerhalb der oberösterreichischen Wirtschaft, die neue Situation zur Intensivierung der Geschäftsverbindungen zu nutzen. Das Informationsbedürfnis ist angesichts der rasch wechselnden gesetzlichen Rahmenbedingungen, der neuen Marktgegebenheiten und wegen der Schwierigkeiten bei der Partnersuche beträchtlich. Die Handelskammer OÖ hat deshalb auch in Zusammenarbeit mit den Außenhandelsstellen und derBundes-kammer ihr Ostservice verstärkt.

Dies gilt in besonderer Weise für die CSFR, weil wegen der unmittelbaren Nachbarschaft auch Klein- und Kleinstbetriebe gute Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit sehen. Im Rahmen des Ostservice der Kammer werden unter großer Beteiligung der Mitglieder Informationsveranstaltungen durchgeführt, laufende Rechtsberatung und insbesondere auch Hilfe bei der Partnersuche angeboten. Die Marktbearbeitung gestaltet sich ja wegen der großen Anzahl neu auftretender möglicher Partner und wegen der Unsicherheit bei den staatlichen Organisationen sehr schwierig. So wurden von der Handelskammer Kontakttage für verschiedene Branchen in Südböhmen veranstaltet - eine Veranstaltungsform, die nun zunehmend mehr auch von Un-ternehmensberatem organisiert wird. Erst unlängst wurden anläßlich der Budweiser Landwirtschaftsmesse durch die Handelskammer „OÖ Agrartage" durchgeführt. Dazu kommen noch verschiedene Seminare mit Partnertreffen in Oberösterreich und Südböhmen. Die Handelskammer hat auch eine EDV-Kooperationsbörse eingerichtet. Zirka 450 tschecho-slo-wakische Unternehmen sind erfaßt.

Ganz allgemein kann eine Zunahme von Lohnveredlungen oder Auftragsfertigung im südböhmischen Bereich festgestellt werden. Dies ist insoferne auch deshalb wichtig, weil die Unternehmen jenseits der Grenze auf diese Art und Weise auch für Importe Geld zur Verfügung haben und außerdem an die westlichen Standards herangeführt werden.

Zu bemerken ist aber auch, daß sich hüben wie drüben die erste Begeisterung über die politischen Änderungen gelegt hat und daß übertriebene Hoffnungen auf eine rasche wirtschaftliche Gesundung der tschechoslowakischen Wirtschaft einer realistischeren Betrachtungsweise gewichen sind. Unter diesen Vorzeichen sehen die oberösterreichischen Unternehmer zumindest mittelfristig ihre Chancen im Nachbarland.

Eine entscheidende Wende wird die große Privatisierung bringen, die in der nächsten Zeit beginnen soll. Die bereits festgelegten Listen für die Tschechische Republik werden jedenfalls von den oberösterreichischen Unternehmen angefordert. Joint-Ventures und Niederlassungen gibt es vor allem im Handel und im übrigen Dienstleistungssektor wie zum Beispiel bei den Untemehmensberatern, wo nicht so große Kapitalinvestitionen erforderlich sind. Banken gründen Repräsentanzen. Über die traditionellen internationalen Messen im Nachbarland gewinnen auch regionale Veranstaltungen für die oberösterreichische Wirtschaft an Bedeutung. Nicht unerwähnt sollen auch die verschiedenen Managementschulungen bleiben, die in Verbindung mit einem Praxisaufenthalt der CSFR-Teilneh-mer bei oberösterreichischen Firmen zu Kooperationen geführt haben.

Der Autor ist Leiter der Abteilung für Handelspolitik und Außenhandel der Handelskammer Oberösterreich.

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