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Orientierung über Grenzen

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Seine Fähigkeit zum Gespräch über Trennendes hinweg hat den Wiener Erzbischof zum geistigen und geistlichen Führer nicht nur der Katholiken in und außerhalb Österreichs gemacht.

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Seine Fähigkeit zum Gespräch über Trennendes hinweg hat den Wiener Erzbischof zum geistigen und geistlichen Führer nicht nur der Katholiken in und außerhalb Österreichs gemacht.

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Nicht den Versuch einer Würdigung Kardinal Franz Königs, der historischen Einordnung seiner Verdienste - und es handelt sich wahrlich um eine historische Gestalt in der Geschichte der österreichischen Kirche - möchte ich wagen, vielmehr will ich mich damit bescheiden, in persönlicher Verehrung zu danken und meine guten Wünsche auszusprechen. Und auch dieses Danken wird immer noch ungenügend bleiben.

Kardinal König hat seit jeher die Laien in der Kirche ernst genommen, hat von ihnen Sachkompetenz und Verantwortlichkeit erwartet und sie durch diese Herausforderung zu mehr Anstrengung und Kreativität reicher gemacht. Als geistlicher und geistiger Führer hat er den Katholiken Österreichs und über die Grenzen der Kirche und des Landes hinaus Orientierung gegeben. In vielem ist er vorausgegangen, so daß manche Mühe hatten, ihn zu verstehen, ihm zu folgen. Zu jenen, die ihm folgten, stand er auch. Dabei haben ihm historische Entwicklungen längst rechtgegeben, sind frühere Verdächtigungen und Mißverständnisse überholt. Und wenn er auch nicht mehr verkannt ist, so gibt es immer noch den „unbekannten” Kardinal König, der Tore öffnet und Zugänge erschließt, wo es ihm nachzufolgen gälte.

Als einer, für dessen Christsein die rationale Begründung des Glaubens unabweisbares Bedürfnis ist, hat Wiens Erzbischof Glaube und Wissenschaft nicht nur für sich selbst zu verbinden gewußt. Als eine der ganz wenigen Persönlichkeiten der Weltkirche genießt er als Brückenbauer und Gesprächspartner der Wissenschaftler volle Anerkennung und hohes Ansehen.

Glaube bedeutet für den Christen Franz König aber immer auch Freiheit, seinem maßgeblichen Einsatz ist die „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen” des 2. Vatikanischen Konzils zu verdanken, durch deren Verkündigung dieses Konzil seinen historischen Schritt zur internationalen Instanz in diesem Bereich vollzog. Religionsfreiheit ist die unentbehrliche Grundlage des Dialogs mit NichtChristen und Nichtglaubenden, für den Kardinal König von 1965 bis 1985 als Präsident des vatikanischen „Sekretariats für die Nichtglaubenden” zuständig war. Das Konzilsdekret über den Ökumenismus hingegen stand am Beginn der Gründung des österreichischen Stiftungsfonds „Pro Oriente”, den Kardinal König im Jahr 1964 für Kontakte mit den Ostkirchen ins Leben rief.

Schon während seiner Tätigkeit als Jugendseelsorger in St. Pölten in der NS-Zeit sammelte der „Widerstandskämpfer” König junge Menschen um sich, die er über Rassismus und Antisemitismus aufzuklären versuchte, und er selbst vermittelte Juden falsche Ausweispapiere, die ihnen ins Ausland verhalfen. Seine spätere politische Haltung: „Was wir nicht selber machen, wird niemand für uns tun. Es sage niemand, auf mich kommt es nicht an” (Delegiertentag der Kath. Männerbewegung Österreichs, Salzburg 1976) mag daraus verständlich werden. Die Katholiken sollen nicht Objekt der gesellschaftspolitischen Entwicklungen im Lande sein, sie selbst sollen seine Zukunft gestalten.

Kardinal König blieb ein ständiger Mahner zu einer „Gesellschaftspolitik aus dem Glauben”. „Als 1945 nach den leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit die österreichischen Bischöfe im Interesse des Landes, aber auch im Sinne des Heilsauftrages der Kirche einen neuen Weg beschritten, der die Kirche aus den politischen Verflechtungen heraushalten sollte, haben dies viele Katholiken mißverstanden und gemeint, sie selbst sollten sich aus der Politik heraushalten. Die politische Distanz der Kirche hat zu einer apolitischen Haltung vieler Katholiken geführt. Eine solche Haltung aber ist vollkommen verfehlt. Der Politik kann man nicht ausweichen, vor der Politik kann man nicht fliehen” (ebenfalls Salzburg 1976). Mit dieser Haltung hat Kardinal König es nicht immer leicht gehabt: so stand er einerseits ohne Vorbehalte zum Volksbegehren der Aktion Leben und dessen Zielen, andererseits machte ihn die Tatsache besorgt, daß nun wieder „Gräben aufgerissen” würden.

Nichts hat mich in seiner Autobiographie „Glaube ist Freiheit” so berührt wie seine Erfahrungen menschlichen Leides. In Kriegslazaretten, Gefangenenlagern, in Begegnungen mit Menschen, die Folterungen und Qualen diktatorischer Regime überlebt hatten (etwa mit Kardinal Mindszenty), als Seelsorger mit seelichen Martyrien des Alltags konfrontiert, erlebte er Leid, das menschliche Kräfte übersteigt. „Von dem Augenblick an, da unser Leid unsere Kräfte übersteigt, haben wir keine andere Zuflucht mehr als Gott. Wir dringen in das Herz der Realität” heißt es dort. Auch in der Bewältigung des Leides (auch des eigenen) ist uns Kardinal König vorangegangen.

Daß er, ein „Vorangehender”, von uns eingeholt werden möge, daß es ihm gegönnt sei, dieses Eingeholtwerden zu erleben, das ist mein Wunsch. Daß ein Laie diesen Wunsch äußern darf, entspricht dem Jubilar. Als Bischof des gesamten „Volkes Gottes” seiner Diözese verfügt er über ein ausgeprägtes Gefühl für den Glaubenssinn des Volkes, er trifft scheinbar mühelos und oft verblüffend das rechte Wort, den rechten Ton. Die Sprache des anderen reden — so der Kardinal—ist das Wunder von Pfingsten. Er spricht die Sprache der Österreicher, die Österreicher verstehen ihn.

Kardinal König zählte zu den ersten geistlichen Assistenten der Katholischen Aktion, er kennt ihre Chancen, ihre Schwächen, und er hat kritisch mit uns darüber gesprochen. Ohne die konkrete Organisationsform zu verabsolutieren, steht er bis heute zu den Grundzügen der Katholischen Aktion.

Ein Wort aber, das Kardinal König öfters sagt, enthält Tiefgreifendes über seine Berufung: „Ich will nicht mehr sein als ein guter Seelsorger.” Viele Gratulanten haben Kardinal König zu seinen Jubiläen der letzten Jahre Geschenke in Form von Worten der Ehrerbietung gebracht. Das eindrucksvollste Geschenk der österreichischen Katholiken an „ihren” Kardinal war der österreichische Katholikentag 1983. Dieser Katholikentag, als dessen Vorsitzender ich an den wichtigen Weichenstellungen und an der konkreten Gestaltung in der Öffentlichkeit mitwirken konnte, war — ohne Übertreibung — vom Geist und vom Kirchenverständnis Kardinal Königs geprägt. Dieser Katholikentag bestätigte und widerspiegelte sein Wirken in der österreichischen Kirche. Daß Papst Johannes Paul II. damals nicht nur als Gast, sondern auch als Freund des Kardinals nach Wien gekommen war, haben viele so empfunden.

Der Autor ist Präsident der Katholischen Aktion Österreichs.

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