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Original-Schnalle

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Alle Jahre seit 1895 - nur un-. terbrochen durch die beiden Weltkriege - fährt eine Arbeitsgrup-pe des Österreichischen Archäolo-gischen Instituts nach Ephesos in der heutigen Türkei, um die erste und größte Stadt der antiken römischen Provinz Asia, Stätte eines der sieben Weltwunder und Keimzelle des frühen Christentums, zu erforschen und seine Tempel, Regie-rungsgebäude, Bäder, Gymnasien, Theater und privaten Wohnhäuser wieder sichtbar zu machen.

Auch heuer gruben die österrei-chischen Wissenschaftler von Mai bis September in dem fünf Kilometer breiten und zehn Kilometer langen Ruinenfeld, das zu den meistbesuchten Touristenzentren des Landes zählt und auch als Schaufenster für österreichisches Knowhow auf dem Gebiet der Ar-chäologie zählt. Auch heuer gelang es, Funde von hohem kultur-geschichtlichen Rang zu machen. Dazu zählt

• die Bergung von Votivgehängen und einer Schnalle vom Gürtel des Kultbildes der Göttin Artemis aus dem 8. Jh. v. Chr.,

• die weitere Freilegung eines Rundhauses aus dem 8. Jh. v. Chr. mit dazugehöriger Keramik aus einer Vorgängersiedlung der von König Lysimachos zwischen den beiden Hausbergen Panayir- und Bülbüldag neu gegründeten helle-nistisch-römischen Stadt sowie

• die Entdeckung einer Relief platte vom berühmten Partherdenkmal, das anläßlich des Sieges von Lucius Verus über die Parther (166 n. Chr.) an einer nach wie vor unbekannten Stelle in Ephesos errichtet worden war.

Gegraben wurde unter Leitung des Direktors des Österreichischen Archäologischen Instituts, Gerhard Langmann, an zwei Plätzen. Der eine lag im Bereich des als Welt-wunder bezeichneten Heiligtums der Artemis (Artemision), das im 4. Jh. v. Chr. erbaut und im Jahr 263 n. Chr. von den Goten zerstört, mehrere Vorgängerbauten besessen hatte. Einen Vorbau hatte der Lyderkönig Kroisos im 6. Jh. v. Chr. in Auftrag gegeben: so prächtig und überwältigend, daß schon damals der Ruhm bis in die hintersten Winkel der Welt drang und laut Überlieferung einen Wahnsinnigen dazu verleitete, den Kolossaltempel 356 v. Chr. mit seinen Säulenhallen und dem reich bekleideten Kultbild der Göttin in Brand zu setzen.

Mehr als einen Meter unterhalb der in sieben Meter Tiefe liegenden Reste dieses Kroisos-Tempels fand nun Anton Bammer, mit den wis-senschaftlichen Untersuchungen im Heiligen Bezirk betraut, bronzene Votivgehänge in Gestalt von Häh-nen und Pfauen. Diese hatten aus nah und fern angereiste Pilger der anatolischen Muttergöttin verehrt, die von den um 1000 v. Chr. in der Bucht von Ephesos an Land gegan-genen Griechen mit Artemis und von den Römern mit Diana gleich-gesetzt wurde, weil allen drei Gott-heiten die Naturverbundenheit gemeinsam war. Alle drei pflegte man von Tieren umgeben darzu-stellen.

Gehört hatten die Votivgehänge zum Kultinventar, von dem Bam-mer auch die Schnalle bergen konn-te. Diese gleicht der Kultschnalle der überlebensgroßen, weitaus jüngeren Marmorkopie der Kult-statue der Artemis von Ephesos. Diese war 1956 im Vorhof des Prythaneions (Rathaus) zutage gekommen und steht jetzt gegenüber der sogenannten "Schönen Artemis" im Museum von Sel-cuk, wo alle Funde der letzten Jahrzehnte aufbewahrt werden. Die Funde aus der Zeit vor 1906, dem Datum des Inkrafttretens des Aus-fuhrverbots türkischer Antiquitäten, befinden sich hingegen in der Neuen Hofburg in Wien, wo man den Friesplatten vom Partherdenkmal einen Ehrenplatz eingeräumt hat.

Das zweite Grabungsareal dieses Jahres lag westlich der 100 Qua-dratmeter großen Agora (Verkaufs-markt) aus der ersten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. Infolge des Absinkens des Grundwasserspiegels konnte Langmann seine Suche nach der Frühgeschichte der Metropole fort-setzen und die Steinfundamente eines Rundhauses aus homerischer Zeit mit Wänden aus Lehmziegeln und einem einst mit Schilf gedeck-ten Dach weiter aufdecken.

Dieses Rundhaus bestand aus ei-nem einzigen Raum und besaß in der Mitte eine runde Feuerstelle. Es war durch Brand zerstört worden und später waren über ihm in einer Abfolge von etwa 720 bis 350 v. Chr. immer wieder neue quadratische Häuser errichtet worden. Sie gehörten zu der aus der Literatur bekannten Siedlung Smyrna, die der ehemalige Feldherr Alexanders des Großen, Lysimachos, um 300 v. Chr. mit anderen Ge-meinden zur Stadt Ephesos zusammen-faßte, großzügig aus-baute und mit einem elf Kilometer langen Mauergürtel versah. Innerhalb dieser Mauer siedelte er zwangsweise auch die bislang am zusehends versandenden Hafen wohnende ephesische Bevölkerung an.

Die dritte Fundstelle der Österreicher befindet sich in der Nähe der zwischen 117 und 125 n. Chr. erbauten Celsusbiblio-thek, die Grabmal und Bibliothek des Prokonsuls Tiberius Celsus Po-lemaeanus war. Friedmund Hue-ber, Leiter der Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für archäologische Bauforschung und Denkmalpflege, der die an der Celsusbibliothek vor-beiführenden Straßenzüge unter-suchte, entdeckte unter den Straßen Kanäle und einen Wassergraben aus dem 5. Jh. n. Chr. Im 7. Jh. hatte man den Wassergraben zugeschüttet und den Platz neu gestaltet. Als Abdeckung verwendete man damals eine 1,60 mal 2 Meter große Reliefplatte vom Partherdenkmal. Sie zeigt den Gott Helios, der, in hochgegürteter Wagenlenkertracht seinen Sonnenwagen besteigt, wäh-rend ein Genius mit Peitsche die Rosse antreibt. Ein Abguß des Frie-ses soll nach Wien zu den bereits zwischen 1897 und 1905 geborgenen und mit Erlaubnis der "Hohen Pforte" nach Wien gebrachten Plat-ten des Partherdenkmals kommen.

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