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Oskarle

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So einfach und geradlinig könnte Politik in der Demo­kratie sein: ein Politiker weiß, was das Volk denkt und will; der Politiker sagt ohne Schnör­kel, was er denkt und was er will; und das Volk wählt ihn, damit er das auch im Interesse aller tun kann.

Die Rede ist von Oskar La­fontaine, der als Ministerprä­sident des Saarlandes nicht nur seine Landtagswahl gewon­nen, sondern eine heute kaum mehr vorstellbare absolute Mehrheit auch noch um über vier Prozent ausgebaut hat. Der Jesuitenschüler hat die bis vor vier Jahren noch im katho­lischen Saarland regierende CDU geradezu deklassiert, trotz massivem Einsatz von Bundeskanzler Kohl und was sonst in Bonn noch gut und teuer ist.

Der körperlich kleine Rie­senstratege, auch Napoleon von der Saar genannt, hat die FDP auf die Hälfte der Stim­men und auf eine Tarock-Frak-tion mit drei Mandaten redu­ziert. Er hat nicht nur erneut den Einzug der Grünen in den Landtag verhindert, sondern auch den Republikanern ge­zeigt, wie schnell sie am Ende der nationalen Fahnenstange angekommen sind.

Alle deutschen Parteien -einschließlich der SPD, die Lafontaine kräftig in den Rücken gefallen war - können aus dem Ergebnis an der Saar eines lernen: Wiedervereini­gungs-Euphorie ist kein dau­erhaft tragfähiges „Zeppelin-Thema ", sondern eine schöne, kurzlebige Seifenblase.

Die CDU/CSU kann daraus auch lernen, daß die Republi­kaner kein unaufhaltsames Verhängnis sind wie eine pha-raonische Plage. Vielmehr kann man ihnen den Wind aus den Segeln nehmen, wenn man nur die wirklichen Sorgen und Ängste der Menschen ernst nimmt.

Die SPD kann daraus ler­nen, daß absolute Stromlinien­förmigkeit, totale Anpassung an die veröffentlichte Meinung und völlige Harmonie in den eigenen Reihen weniger zum Erfolg führt, als neue Ideen, eigene Meinung und mutiges Eingehen auf neue Herausfor­derungen.

Die SPD kann aber auch aus Lafontaines Erfolg die Hoff­nung schöpfen, daß sie sowohl ihr grün denkendes Wählerpo­tential zurückholen kann als auch ihre Verluste an die Re­publikaner eindämmen, wenn sie nicht deren Großsprecher ernst nimmt, sondern wieder deren verunsicherte Wähler.

Bei allem Symbolcharakter dieses unkonventionellen Wahlausganges darf man aber im Hinblick auf die weiteren Wahlen in Deutschland eines nicht vergessen: das Saarland mit seinen rund 840.000 Wäh­lern entspricht ungefähr der Größe der Oberpfalz, dem kleinsten Regierungsbezirk in Bayern.

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