7077321-1993_23_13.jpg
Digital In Arbeit

OST-WEST: GEWISSENSERFORSCHUNG

19451960198020002020

Mitteleuropa 1993.150 Verleger und Buchhändler, nicht nur deutscher Zunge, versammeln sich zum Dreiländertreffen im oberösterreichischen St. Wolfgang, Tourismusmagnet Nummer eins des Landes. Diesem Treffen ist ein Rückblick, wenn nicht gar eine Gewissenserforschung aufgetragen! Haben die katholischen Verlage Mittel- und Westeuropas gegenüber ihren Kollegen in den befreiten Oststaaten versagt? Wurden diese mit Almosen abgespeist? Haben wir bloße Alibihandlungen gesetzt?

19451960198020002020

Mitteleuropa 1993.150 Verleger und Buchhändler, nicht nur deutscher Zunge, versammeln sich zum Dreiländertreffen im oberösterreichischen St. Wolfgang, Tourismusmagnet Nummer eins des Landes. Diesem Treffen ist ein Rückblick, wenn nicht gar eine Gewissenserforschung aufgetragen! Haben die katholischen Verlage Mittel- und Westeuropas gegenüber ihren Kollegen in den befreiten Oststaaten versagt? Wurden diese mit Almosen abgespeist? Haben wir bloße Alibihandlungen gesetzt?

Werbung
Werbung
Werbung

Nach der unblutigen, überraschenden Wende sind in unseren östlichen Nachbarländern viele, darunter auch religiös ausgerichtete Verlage und Publikationen entstanden und zum Teil auch schon wieder verschwunden. Natürlich steht es jedermann und

jederfrau zu, einen Verlag zu gründen, zu führen und auch wieder - im Falle von Ergebnislosigkeit - zu liquidieren. Als aufmerksame Beobachter müssen wir bei unseren östlichen Partnern - wenn dies auch schmerzen mag - diagnostizieren:

□ selten ausgereifte Konzepte und solide Finanzierungen;

□ nur in wenigen Fällen echte Koordination im eigenen Land;

□ Mangel an neuen Ideen, nicht selten wurde dort wieder begonnen, wo man vor 40 und mehr Jahren aufhörte, aufzuhören gezwungen war.

Trotz dieser massiven, manchen verletzenden Kritik, die man deutlicher und ausführlicher artikulieren könnte (und auch müßte!), steht fest: es ist das Gebot der Stunde, die osteuropäischen Verlage in Europa, in Mitteleuropa, als gleichberechtigte Partner einzubinden, ihnen Sitz und Stimme in unseren Gremien und In-

stitutionen einzuräumen. Eine Palastrevolution? - Keineswegs, sondern vielmehr der längst fällige Schritt über Gren-, zen, die unter Christen nie und nimmer gezogen werden dürfen.

Tatkräftige Osthilfe

Seit etlichen Jahren haben sich katholische Publizisten und Verleger in unseren Ländern verpflichtet gefühlt, in diskreter Weise den bedrängten Schwestern und Brüdern in den verschiedenen Mediensparten mit Rat und Tat beizustehen. In dieser Hilfe zur Selbsthilfe hat Österreich immer-obwohl dies nur selten ausgesprochen wird - einen hervorragenden Platz eingenommen. Die Stoßrichtung in einem getrennten Deutschland war natürlich auf die nunmehrigen „neuen Bundesländer" ausgerichtet, darüber hinaus wurden aber die Medien vorwiegend slawischer Zunge nicht vergessen. Die Vereinigungen des katholischen Buchhandels in den deutschsprachigen Ländern haben beachtliche Leistungen vollbracht. Die Geschichte der Kooperation und der diskreten Hilfen ist noch nicht geschrieben!

In St. Wolfgang sind Vertreter aller osteuropäischen Nachbarländer anwesend. Seit mehreren Jahren versuchen die katholischen Verlage Österreichs, zusammengefaßt in der Initiative „CLIRC A - Medienförderungs verein für Ostmitteleuropa" mit dem Sitz in Wien (Styria-Verlag), gemeinsam und

damit effizienter „Hilfe zur Selbsthilfe" zu leisten. Mehrere Dutzend Kolleginnen und Kollegen in Ungarn, in der Slowakei und in der Tschechischen Republik haben in zweisprachigen Kursen, ein gewagtes Experiment mit unsicherem Ausgang, westliches Denken, Planen und Verlegen kennengelernt.

Das Gebot der Stunde ist Kooperation ! Dazu ein praktischer Vorschlag: jeder katholische Verlag Mitteleuropas übernimmt die Patenschaft über einen, womöglich ähnlich strukturierten Verlag in den Ländern Osteuropas. Partnerschaften und Kooperationen würden übrigens auch dazu beitragen, im Osten praktisch unbekanntes ökonomisches Denken - sowohl im wirtschaftlichen als auch im personellen Bereich - zu garantieren. Freilich möchte ich nicht verschweigen, daß die anfängliche Freude über Tun und Lassen aus Unfreiheit und Unterdrückung entlassener Nachbarländer Skepsis und Ablehnung gewichen ist. Die Diskussionen in unseren Parlamenten und „auf der Straße" müßten bei uns eigentlich die Alarmglocken schrillen lassen.

Ein konservativer Wind - womit nichts gegen konservative Geisteshaltungen als solche gesagt werden soll - bläst uns seit etlichen Jahren ins Gesicht. Publizisten, Verleger und Buchhändler spüren dies - gleichsam als Barometer - besonders stark. Die Entwicklung verläuft nicht geradlinig: einem strengen Pius XII. folgte der gütige Johannes XXIII., eine Symbolfigur für verantwortliche Verleger und Publizisten!

Ein unruhiger Preßverein

Wir müssen wachsam sein! Gewisse Vorgänge, vor allem in der benachbarten Slowakischen Republik, haben sogar im Vatikan (Medienrat) einen unüberhörbaren Alarm ausgelöst. Vor Jahren existierte dort ein blühender katholischer Preß verein mit nicht weniger als 500.000eingeschriebenen Mitgliedern; welch bedeutsames Instrument in einem so kleinen multikulturellen Land!

Und just dieser Preßverein, dem Heiligen Adalbert gleichsam als Schutz- und Trutzpatron zugeordnet, kommt seit der „Wende" nicht zur Ruhe. Mit Sorge wird insbesondere in Österreich das Kommen und Gehen von Mitarbeitern in Führungspositionen beobachtet. Pluralismus und Öffnung werden dort klein geschrieben. Letztlich gilt dort nur die strenge Linie des aus dem Untergrund kom-

menden Präses Weihbischof Peter Dubovsky. Vor allem die Entlassungen und Kündigungen in der, nunmehr dem Preßverein zugeordneten gesamtslowakischen Kirchenzeitung (Auflage rund 170.000 Exemplare pro Woche!), haben Unruhe im Land selbst und darüber hinaus in der Weltkirche ausgelöst. Just jener Chefredakteur wurde entlassen, dessen Familie bis zur kommunistischen Machtergreifung die Geschicke dieses Blattes eigenverantwortlich steuerte. Vater Zavarsky war nicht nur ein bedeutender Verleger, sondern auch ein großer Patriot und Parlamentarier. Heute steht der Sohn vor den Trümmern eines Erbes, das nach unserem Rechtsverständnis möglicherweise seiner Familie gehören müßte. Doch nicht nur rechtliche Fragen, sondern auch die menschliche Komponente harrt bis zur Stunde einer überzeugenden Antwort und Lösung.

Keine Bücher ohne Risiko

Das Verlegen von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen war zu allen Zeiten im Grunde ein großes Abenteuer; die noch nicht geschriebene wechselvolle Geschichte des katholischen Verlagswesens und deren Produkte, sowie deren Verkäufer im Buchhandel, sind heute herausgefordert, um nicht zu sagen, bedrängt. So mancher Verlag, so manche Buchhandlung, die wir aus früheren Jahren noch in guter Erinnerung hatten, existiert nicht mehr.

Dies gilt auch in besonderer Weise für Verlage und Buchhandlungen im „Osten", um hier einmal den sehr verallgemeinernden Ausdruck zu verwenden. Viele ringen ums nackte Überleben; Kampf ist immer ein gemeinschaftliches Unternehmen. Einzelkämpfer verdienen zwar Beachtung, der Kampf in Gemeinschaft hat freilich mehr reelle Chancen, gewonnen zu werden.

Wir haben eine Verantwortung, die nicht vor unseren Toren aufhört, die im Grunde erst dort so richtig beginnt. Mitteleuropa im Sommer 1993: viel Ernüchterung, viele Sorgen, wenig Chancen. Trotzdem: Der Christ ist zum Optimismus angehalten. Johannes XXIII. warein großerOptimist.er hat die Türen zur Welt weit aufgestoßen; eine Verpflichtung für Verleger und Buchhändler.

Wo Türen, dort auch Wind, ja mitunter Sturmböen. Türen werden auch oft zugestoßen; dagegen müssen wir in erster Linie kämpfen.

Vereinigung des katholischen Buchhandels in Österreich (VKB)

Sitz: Wien

Gegründet: 1947 von Vizekanzler a. D. Richard Schmitz (Verlag Herold), Landeshauptmann a. d. Karl Maria Stepan (Verlag Styria) und Otto Müller (gleichnamiger Verlag)

Mitglieder: 92

Derzeitiger Vorsitzender: Bernhard Weis, Rupertusbuchhandlung, Salzburg

Sekretariat: Wien, Buchhandlung Herder

Der Zweck des VKB ist der Zusammenschluß der in Österreich tätigen katholischen Verleger und Buchhändler zur Wahrung und Förderung ihrer Interessen in der Kirche und ihrer weltanschaulichen Position in der Öffentlichkeit. Ein besonderes Anliegen des österreichischen VKB war und ist seit 1989 besonders die ideelle und finanzielle Unterstützung katholischer Verleger und Buchhändler in den östlichen Nachbarländern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung