Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Ost-Wind
Langsam wird es mir unheimlich, wie sich die Windrichtung gedreht hat. Früher war es der Westwind, der alle Modetrends der Politik von der Bundesrepublik nach Österreich geblasen hat. Jetzt entwickelt sich immer mehr Österreich zum großen Vorbild für die 'Deutschen.
Nun ist es ja keine besondere Genialität, einen landespolitischen Wahlkampf gegen die importierten Übel aus dem Bund zu führen, so lange dort der sowieso unfähige politische Gegner an der Regierung ist. Aber es gehört doch eine Portion Frechheit und fast schon bewunderungswürdige “ Schamlosigkeit dazu, den Wahlkampf in einem Bundesland vorwiegend gegen die eigene Partei in der Bundesregierung zu führen.
Dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg ist das jetzt so gelungen wie zeitweise der SPÖ und speziell der FPÖ in Kärnten. Lothar Späth, genannt Professor Gescheitle“, hat im Schwabenländle gegen die SPD wenig zu sagen gehabt, weil diese schließlich weder in Stuttgart noch in Bonn an irg'end etwas schuld ist. Aber er hat an Helmut Kohls Bundesregierung, insbesondere an deren Glanzstück, der verkorksten Steuerreform seines Parteifreundes Gerhard Stoltenberg, fast genauso viel auszusetzen gehabt wie sein CSU-Kollege Franz Joseph Strauß in München.
Daß die SPD an der Bundesregierung etwas auszusetzen hat, wird ihr nicht honoriert, sondern als pure Selbstverständlichkeit des Wahlkampf-Rituals angerechnet. Aber wenn ein CDU-Ministerpräsident dem CDU-Bundeskanzler und CDU-Finanzminister vorwirft, dann läßt das aufhorchen.
Die Rechnung von Lothar Späth ist tatsächlich aufgegangen: Er hat nur zwei Mandate verloren, aber die absolute Mehrheit im Landtag behalten. Daraus leitet er nun das gleiche Recht ab wie Strauß aus Bayern: Die Bundesregierung soll gefälligst mehr auf die Ratschläge aus dem Süden hören! Und aus dem Osten.
Kein deutscher Politiker, zumindest kein lebender, ist nämlich in letzter Zeit von Franz Joseph Strauß so über den grünen Klee gelobt worden, wie Österreichs Franz Vranitzky: An dessen Steuerreform solle sich Bonn gefälligst ein Beispiel nehmen! Österreichs Bundeskanzler sei zwar ein Sozialist, aber der verstehe wenigstens etwas von Wirtschaft.
Bevor aber nun Vranitzky wegen so viel schwarzer Streicheleinheiten aus Bayern noch wirklich rot wird — oder gar den Roten verdächtig: Das lobende Tatscherl nach Wien war mehr als Watschen für Kohl in Richtung Bonn gedacht.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!