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Osteuropa: Alle gegen alle
Mit nichts hatte der einstige Bundeskanzler Fred Sinowatz so recht wie mit seiner am meisten belachten Feststellung, daß „alles sehr kompliziert” sei. Die Entwicklung auf dem Balkan, aber auch in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks beweist es derzeit wieder mit erschreckender Eindringlichkeit.
Täglich quellen die Medien über mit Meldungen über Tanker, die auf der Donau mit ukrainischem Erdöl nach Serbien unterwegs sind: eine höhnische Herausforderung der von den Vereinten Nationen über Serbien verhängten Wirtschaftsblockade. Aber natürlich wird diese nicht nur einseitig verletzt. Die Tageszeitung „The European” hat recherchiert, daß Kroatien von Waffenhändlern in Ungarn, Italien, der Türkei und einigen Nachfolgestaaten der einstigen Sowjetunion laufend Kriegsunterstützung erhält. Und vom Iran. Vor allem von dort.
Die ”islamischen Fundamentalisten in Teheran wollen endlich ihren Fuß in die Tür Europas stellen. Die Unterstützung der Moslems in Bosnien bietet eine hervorragende Gelegenheit dazu. Waffen werden entweder nach Zagreb eingeflogen oder per Schiff nach Split gebracht und von dort, in Hilfskonvois mit humanitärer Ladung versteckt, auf dem von Kroaten kontrollierten Landweg den kämpfenden Moslems geliefert.
Die Kroaten dürfen sich dafür einen Teil der Waffen behalten. 20 Prozent nehmen sie, geben die Kroaten zu. 50 bis 60 Prozent sind es schon, klagen die Moslems. Außerdem erhält Zagreb von Teheran Erdöl und günstig verzinste Darlehen. Dafür werden nicht nur Panzerraketen, sondern auch Kämpfer eingeschleust. Hunderte Mitglieder der Revolutionären Garden Irans (Pasdaran) haben schon im Herbst in das Kampfgeschehen um Gorazde eingegriffen oder stehen in Zagreb bereit. Die jüngste Offensive der Kroaten im Großraum Zadar hat sicher mit iranischer Unterstützung zu tun. Daß Kroatien auf dem ihm geraubten Territorium die Aussichten für ein wirtschaftliches Überleben verbessern will, leuchtet ein. Daß damit aber der Krieg neuerlich verlängert und letztlich nichts gewonnen wird, auch.
Und so breitet sich die Katastrophe scheinbar unaufhaltsam zum unentrinnbaren Flächenbrand aus. Und die staatlichen Interessen laufen querfeldein: Rußland konspiriert mit Ungarn gegen Rumänien und die Ukraine, die Slowakei setzt auf Rumänien gegen Ungarn, Griechenland fördert Serbien gegen mazedonische und albanische Ansprüche, und die Nachfolgestaaten der UdSSR setzen je nach eigenen Mehrheitsverhältnissen auf Allianzen mit moslemischen oder Nichtmoslem-Bündnispartnern.
Alle gegen alle. Und da soll Österreich als neutraler Einzelgänger besser fahren als in einer europäischen Sicherheitsgemeinschaft? Auch darum geht es jetzt in Brüssel.
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