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Otto Habsburg wird achtzig

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Der 80. Geburtstag von Otto Habsburg-Lothringen wird mit Recht gebührend und an verschiedenen Orten gefeiert, handelt es sich doch um eine Persönlichkeit von europäischem Format. Man muß nur bedauern, daß die große Kapazität dieses Mannes durch die Ungunst der Verhältnisse und dem Argwohn derer, die ihn möglichst lange von seiner Heimat fernhalten wollten, unserem Lande verlorengegangen ist.

Freilich war diese räumliche Entfernung von Österreich auch von einer gewissen Entfremdung von der österreichischen Idee begleitet, deren Bannerträger Otto in der Zwischenkriegszeit war und dessen Einsatz für ein selbständiges Österreich so weit ging, daß er 1938 einen Volkswiderstand gegen den drohenden Anschluß organisieren und befehligen wollte.

Heute steht Otto Habsburg der Idee einer österreichischen Nation und eines spezifisch österreichischen Patriotismus kühl bis ablehnend gegenüber, nicht nur seine Tätigkeit als deutscher Abgeordneter im Europaparlament, sondern auch seine Schriften verraten, daß er sich eher als Wahrer einer europäischen Reichsidee mit Schwerpunkt in Deutschland fühlt, so daß auch viele seiner Getreuen in ihm zu ihrem Leidwesen mehr den geistigen Erben Karls des Großen als seines leiblichen Vaters Karl von Österreich sehen.

Auf dieser Linie liegt auch die

Verbindung seines ältesten Sohnes Karl mit einer deutschen Milliardärstochter. Auch in monarchistischen Kreisen stellt man sich die Frage, ob Otto Habsburg die strenge, auf Ebenbürtigkeit bedachte habs-burgische Haus- und Fämilien-ordnung, mit deren Hilfe ein Franz Ferdinand wegen einer morganatischen Ehe noch im Tod tief gedemütigt wurde, auch, wie in diesem Falle, stillschweigend außer Kraft gesetzt hätte, wenn es sich nicht um eine Angehörige des Geldadels, sondern eines verarmten Adels oder gar eines bloßen Geistesoder Seelenadels gehandelt hätte. Doch auch das Haus Habsburg gibt es heutzutage offenbar billiger - beziehungsweise teurer.

Doch diese Zweifel und Schatten, die auf das Bild Ottos fallen, ändern nichts daran, daß er nicht bloß eine große Tradition repräsentiert, daß einem aus seinen Augen siebenhundert Jahre habsburgische und europäische Geschichte anblicken, sondern, daß er auch der Gegenwart etwas zu sagen und zu bieten hat.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Habsburgerkannibalismus oder die spöttische Ablehnung, die von ihm übriggeblieben ist, damit zusammenhängen, daß die republikanische Wirklichkeit und ihr Personal dem Jubilar von heute nichts Gleichwertiges gegenüberzustellen haben und daher Abwehrreaktionen der Verlegenheit ob dieser Tatsache produzieren.

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