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Ottokar auf der Treppe

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Neigen die Machthaber großer Staaten zur Hybris? Staatsmänner unseres Jahrhunderts waren von ihr beherrscht, manche gegenwärtige sind es wohl ebenfalls. Doch die heutigen Dramatiker sehen weltbewegende Probleme kaum, sie beschäftigen sich fast ausschließlich mit denen des kleinen Mannes. Soll aber eine Sicht auf Fragen dieser weltweiten Art geboten werden, muß man schon auf frühere Bühnenwerke zurückgreifen, etwa auf das Trauerspiel „König Ottokars Glück und Ende“ von Franz Grillparzer, das derzeit im Burgtheater zu sehen ist und sowohl dem Zyklus „österreichisches Theater II“, wie dem Zyklus „Tragödien“ zugeordnet wurde.

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Neigen die Machthaber großer Staaten zur Hybris? Staatsmänner unseres Jahrhunderts waren von ihr beherrscht, manche gegenwärtige sind es wohl ebenfalls. Doch die heutigen Dramatiker sehen weltbewegende Probleme kaum, sie beschäftigen sich fast ausschließlich mit denen des kleinen Mannes. Soll aber eine Sicht auf Fragen dieser weltweiten Art geboten werden, muß man schon auf frühere Bühnenwerke zurückgreifen, etwa auf das Trauerspiel „König Ottokars Glück und Ende“ von Franz Grillparzer, das derzeit im Burgtheater zu sehen ist und sowohl dem Zyklus „österreichisches Theater II“, wie dem Zyklus „Tragödien“ zugeordnet wurde.

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Ottokar ist hier, wie es der geschichtlichen Gestalt entspricht, einer jener Herrscher, denen das Volk nur Mittel zum Zweck ist, dieser vitale, hochfahrende, egoistische Machthaber fördert den Wohlstand des Landes nicht um des Landes willen, sondern um dadurch seine Macht zu steigern, im Gegensatz zu Rudolf von Habsburg, der Vater und Diener seines Landes sein will und Ottokar besiegt. Doch nicht jede Hybris endet so. Die Apotheose für Rudolf wird zur Apotheose für eine gerechte Art zu regieren.

Die Bearbeitung des Stücks durch Gerhard Klingenberg, den Regisseur, sieht Umstellungen vor, so beginnt das Spiel sofort mit dem triumphierenden Ottokar, auf ihn ist die Aufführung vor allem ausgerichtet. Der mit Recht sehr bekannte Bühnenbildner Josef Swoboda sieht eine den ganzen großen Bühnenraum einnehmende riesige Jeßner-Treppe vor — Anregung aus den zwanziger Jahren —, auf der sich alles begibt. Keine Sitzgelegenheiten, keine Versatzstücke, außer einem weißen Vorhang, der das Zelt andeutet, in dem Ottokar den Lehenseid schwört. Auf dieser Treppe ergeben sich durch die in immer wieder zu anderen geballten Gruppen zusammengefaßten Darsteller und durch kluge Lichtführung sehr eindrucksame optische Wirkungen. Dazu im besten Sinn einfallsreiche Kostüme von Günter Walbeek. Dieses Optische als Schau-Spiel geboten, vereint sich mit dem oftmals fast plakativ eingesetzten Verbalen, Damit wird aber das erst heute so recht erkannte spezifisch Grillparzerische, das hier allerdings weniger spürbar ist als in anderen Stücken, entgrillparzert zugunsten einer wohl erstrebten nahezu monumentalen Wirkung.

Dem Ottokar gibt Heinz Reincke vor allem die Energie eines rauh auftrumpfenden Gewaltherrschers, aber auch das Zerbrechen dieser Kraft. Bei Käthe Gold berührt das Leidende wie das Gemüthafte der Margarethe von Österreich. Else Ludwig zeigt sich erstaunlicher Härte fähig. Aber ist sie diese Gestalt von innen her? Menschliche Wärme strahlt Walther Reyer als Rudolf von Habsburg aus. Falsch ist es, Zawisch als ungebärdigen Lackl darzustellen, wie dies durch Herwig Seeböck der Fall ist. Jugendliche Frische eignet Detlef Eckstein als Seyfried, der Ottokar im Zweikampf tötet. Die zum Teil der Reimchronik Ottokars entnommene Lobrede Horneoks auf Österreich liest Attila Hörbiger überraschend „sachlich“ aus einem alten Manuskript vor. Noch dies: Klingenberg findet Ähnlichkeiten in der Diktion von Grillparzers Werk und dem Beethovens. So schuf George Gruntz eine von Beethoven inspirierte Ouvertüre und wirksame Einsätze an entscheidenden Stellen des Stücks.

Im Theater am Belvedere machte dessen Leiter Irimbert Ganser den Versuch, auch einmal ein etwas schwierigeres Stück, die an vielen Bühnen gespielte Parabel „Große Schmährede an der Stadtmauer“ von Tankred Dorst, durch noch wenig erprobte Kräfte darstellen zu lassen. In das Spiel um die junge Chinesin, die an der Stadtmauer vom Kaiser ihren eingerückten Mann zurückverlangt, setzt Robert Hunger-Bühler als Spielleiter seinen jugendlichen Ehrgeiz darein, seine Fähigkeiten durch mancherlei Willkürliches zu bekunden, das aber der Stückwirkung abträglich ist. Sprechtechnische Mängel machen sich mehrfach bei den Darstellern bemerkbar.

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