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OVP unter Erfolgsdruck

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FURCHE: Die Regierungsparteien haben ihre Probleme, die Regierung bietet genügend Angriffsflächen, die ÖVP gewinnt Landtagswahlen — trotzdem springt der Funke auf Bundesebene nicht.

ALOIS MOCK: Es gibt sicherlich manchen kritischen Ansatz. Der rührt von der Uberzeugung her, daß angesichts der vielen Probleme, die die sozialistische Koalition nicht zu lösen in der Lage ist, sozusagen die absolute Mehrheit für die Volkspartei schon spürbar sein müßte. So einfach funktionieren aber die politischen Gesetze nicht. Die Ursache dieses Eindrucks liegt in einem mangelnden Selbstbewußtsein, aber auch in der außergewöhnlichen Schwäche der Regierung begründet.

FURCHE: Die Erklärung der ÖVP-Situation mit der Schwäche der Regierung ist ebenso verblüffend wie erklärungsbedürftig.

MOCK: Die Schwäche der Regierung führt gegenüber der Opposition zu besonders hohen Erwartungen. Nun ist es ja so, daß wir nicht nur die letzten Landtagswahlen und gesamtösterreichische Wahlen in Arbeiter-, Handels- und Landwirtschaftskammern gewonnen haben, sondern auch die letzten Nationalratswahlen. Nachher haben wir noch weitere spektakuläre Zuwächse registriert.

Man soll nur nicht annehmen, daß sich in der Politik immer alles geradlinig entwickelt. Wir liegen beim Wähler besser als bei der letzten Nationalratswahl, nur freilich nicht so spektakulär wie bereits zwischendurch. Und wir können sagen, daß — wenn's nicht gerade wieder um eine Affäre geht—die großen politischen Themen der Volkspartei die Diskussion bestimmen. Das ist die wirtschaftspolitische Diskussion mit der Steuersenkung, die Frage flexibler Arbeitszeiten, der breiten Eigentumsstreuung und die Demokratiediskussion, vom Persönlichkeitswahlrecht über die Briefwahl bis zum Stellenwert der Parteien in Gesellschaft und Staat.

FURCHE: Und trotzdem leidet das Selbstbewußtsein?

MOCK: Bei einigen wenigen. Der durchschnittliche Funktionär draußen ist sehr selbstbewußt. Aber es gibt in der Mittelschicht welche, die sich am sogenannten kleinen Funktionär ein Beispiel nehmen sollten.

FURCHE: Wenn man die Jahre und Wahlergebnisse zurückblättert, stößt man auf ein Phänomen: Je erfolgreicher die 0 VP auf Bundesebene war, desto weniger gut schnitt sie auf Länderebene ab. Und umgekehrt? Besteht da ein Zusammenhang ?

MOCK: Das hat sich in der Gegenwart geändert. Wir haben 1983 den Vorsprung der Sozialisten unter Bruno Kreisky halbiert. Das heißt: Wir haben das, was wir nochmals als Ziel haben, nämlich die Mehrheit zu erreichen, einmal bereits zur Hälfte erreicht. Bei allen 16 Wahlgängen hat die SPÖ einheitlich verloren, bei 14 davon —einschließlich Nationalratswahlen — hat die ÖVP gewonnen. Das zeigt, man kann auch auf beiden Ebenen erfolgreich sein.

FURCHE: Föderalismus ist eine Stärke in Staat und Partei, andererseits auch Wurzel von Eigensinn.

MOCK: Sie haben vielleicht diesen Eindruck. Wir sind eine föderalistische Partei, und dies erfordert auch einen gewissen Preis an Autonomie. Aber daß es auch anders geht in einer föderalistischen Partei, haben die Nationalratswahlen 1983 gezeigt, wo es vielleicht sogar überraschend gewirkt hat, wie geschlossen Bund und Länder in die Wahl gegangen sind. Das ist auch mein Vorbild für die nächste Nationalratswahl.

FURCHE: Landesbewußtsein ist positiv. Leicht aber schlägt es — und es wäre unfair, dies nur der ÖVP vorzuhalten, weil es alle politischen Lager betrifft — in regio-p nalen Egoismus um, in Gruppenoder Parteiinteressen. Staatsräson geht verloren.

MOCK: Diese Analyse halte ich für richtig. Es ist ein gewisser Verlust vorhanden, sich zu dem zu bekennen, was primär dem Interesse der Republik und der Bürger dient. Das Phänomen findet sich, muß ich sehr selbstkritisch sagen, allgemein, besonders aber auf sozialistischer Seite durch die Feststellung dokumentiert: Ohne Partei sind wir nichts. Ich sage sehr deutlich, und das wird auch das Thema der nächsten Zeit sein: Österreich kommt zuerst, wir müssen uns wieder in den Dienst dieses Landes und seiner Bürger stellen.

FURCHE: Darüber muß man auch miteinander reden...

MOCK: Zur Lösung der Probleme gehört auch die Dialogfähigkeit der Mehrheit, die heute die Hauptverantwortung trägt. Aber diese ist heute nicht in der Lage, in wichtigen Fragen die Dialogfähigkeit mit der Opposition zu sichern. Im Gegenteil: Uns wird gelegentlich vorgeworfen, daß wir zu gesprächsbereit und nachgiebig wären.

FURCHE: Aus einem Regierungslager war bereits zu vernehmen: Selbst bei einem Mandat Vorsprung sollte die Koalition fortgesetzt werden. Müßte da nicht die ÖVP heute schon die absolute Mehrheit anstreben?

MOCK: Eine Gratwanderung zwischen billiger Überheblichkeit und realistischem Ziel. Es kommt aber nur dann zu einer anderen Politik in Österreich, wenn es eine andere Mehrheit gibt, wenn die Volkspartei mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Dafür gibt es ja auch in anderen Parteien Ansätze, die sich gelegentlich auch mündlich artikulieren...

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