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Padre Agostino rückt auf

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Mit der Ernennung eines neuen Staatssekretärs ließ sich Johannes Paul II. sehr lange Zeit, obwohl die Neubesetzung nicht erst seit dem Tod von Kardinalstaatssekretär Jean Villot am 9. März bevorstand.

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Mit der Ernennung eines neuen Staatssekretärs ließ sich Johannes Paul II. sehr lange Zeit, obwohl die Neubesetzung nicht erst seit dem Tod von Kardinalstaatssekretär Jean Villot am 9. März bevorstand.

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Daß die Wahl schließlich auf den Italiener Agostino Casaroli fiel, wurde allgemein erwartet. Dieser schlichte, zurückhaltende und ruhige Erzbischof mit der typisch norditalienischen Mischung von Gewandtheit und beharrlicher Zielstrebigkeit dient seit fast 40 Jahren der Diplomatie des Heiligen Stuhls. Er ist als „reisender Außenminister“ des Papstes bekannt, doch liegt ihm mehr daran, am Schreibtisch über Akten und Büchern oder im Gespräch mit Experten seine Politik zu entwickeln.

Man darf annehmen, daß der kraftvoll und dynamisch regierende Woj-tyla-Papst, der großen Wert auf die persönliche Beratung mit den Bischöfen, den menschlichen Kontakt mit seinen Besuchern und große Nähe zu den Pfarren seiner römischen Diözese legt, mit dieser Wahl die Weichen für eine grundsätzliche Arbeitsteilung neu stellen wollte.

Casaroli wurde zunächst nur zum Pro-Staatssekretär ernannt, weil das Amt des Staatssekretärs eigentlich an die Kardinalswürde gebunden ist. Außerdem behält Casaroli die Verantwortung für den „Rat für öffentliche Angelegenheiten der Kirche“, dessen Sekretär er bisher war und dessen Pro-Präsident er nun ist.

Als Sohn eines Schneiders 1914 in Castel S. Giovanni in Piacenza in der Poebene geboren, trat Casaroli nach der Priesterweihe 1937 in die päpstliche Diplomatenakademie ein und 1940 in den Dienst des päpstlichen Staatssekretariates, wo er sich zunächst mit Problemen Lateinamerikas befaßte. Von 1958 bis 1961 wirkte er als Professor an der päpstlichen Diplomatenakademie. Den Durchbruch seiner Karriere verdankt er Papst Johannes XXIII., der ihn 1961 zum Untersekretär der „Kongregation für die außerordentlichen Angelegenheiten der Kirche“ (die durch die Kurienreform Papst Paul VI. in den „Rat für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche“ umgewandelt wurde) ernannte.

In einem Gespräch mit Journalisten zeigte sich Casaroli 1976 überzeugt, daß auch jene Strömungen, welche von einer marxistischen Ideologie inspiriert sind, in einem mehr oder minder langsamen geschichtlichen Orientierungsprozeß verlaufen. „Ich meine“, sagte er damals, „da und dort bei vielen Marxisten eine ernste und kritische Revision ihrer theoretischen Voraussetzungen und praktischen Verhaltensweisen feststellen zu können. Das ist es, weswegen ich meine, mit Optimismus in die Zukunft schauen zu können“.

Wenn sich der Papst aus Polen diesen erfahrenen, vor allem auch in den Oststaaten weitgereisten kirchlichen Diplomaten zum engsten Mitarbeiter gewählt hat, ist dies ein Erweis des Vertrauens in die Fähigkeiten eines Mannes, der wegen der „vatikanischen Ostpolitik“ immer wieder, zumal in Emigrantenkreisen, heftig kritisiert worden ist. Außerdem weist diese Wahl auf die künftige kirchenpolitische Linie, mit allen politischen Regimes nach besten Kräften gute Beziehungen zu unterhalten. Die Wahl drückt den festen Willen aus, den Dialog im politischen Bereich aufrechtzuerhalten.

Die Ostpolitik selbst dürfte künftig stärker in den Händen des Papstes liegen, der ihr bereits in den ersten Monaten seines Pontifikates bei gleichbleibender Grundorientierung neue Akzente zu setzen wußte.

Übrigens wirkt Erzbischof Casaroli, der im nächsten Konsistorium Kardinal Verden dürfte, seit 1943 in einem Heim für sozialgefährdete Jugendliche als Seelsorger. Die Buben nennen ihn ganz einfach „Padre Agostino“.

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