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Digital In Arbeit

Pakt mit vielen Wortschablonen

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Auffallend viele nichtssagende Wortschablonen, wenige handfeste Vorhaben und Fristen: das ist der rot-blaue Koalitionspakt. Seine wichtigsten Punkte werden hier im Wortlaut auszugsweise dokumentiert. Und - kursiv - kurz kommentiert.

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Auffallend viele nichtssagende Wortschablonen, wenige handfeste Vorhaben und Fristen: das ist der rot-blaue Koalitionspakt. Seine wichtigsten Punkte werden hier im Wortlaut auszugsweise dokumentiert. Und - kursiv - kurz kommentiert.

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SPÖ und FPÖ bilden für die Dauer der gesamten Legislaturperiode eine gemeinsame Bundesregierung, die sich im Nationalrat auf eine eindeutige Mehrheit stützen kann; sie verpflichten sich zur gemeinsamen Verantwortung für die Regierungspolitik …

Die Zusammenarbeit der beiden Regierungsparteien gilt für die gesamte Dauer der Legislaturperiode; vorzeitige Neuwahlen bedürfen eines Einvernehmens zwischen SPÖ und FPÖ.

Eine vorzeitige Beendigung der Zusammenarbeit hätte die Ausschreibung von Neuwahlen zur Folge, die von der gemeinsam gebildeten Bundesregierung durchzuführen wäre.

Im Hinblick auf das Verfassungsprinzip der Ministerverantwortlichkeit ist im Ministerrat Einstimmigkeit erforderlich. Sollten im Ministerrat Meinungsverschiedenheiten auftreten, obliegt es dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler, die erforderlichen Koordinationsgespräche mit dem Ziel der Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung zu führen. SPÖ und FPÖ werden auch im Parlament auf der Basis des gemeinsamen Regierungsprogramms Zusammenarbeiten. Zum Zwecke der Koordination der parlamentarischen Arbeit wird ein Kontaktkomitee gebildet, das aus den Klubobmännern und je zwei weiteren Vertretern der Parteien besteht.

1970 hat die SPÖ in den (gescheiterten) Koalitionsverhandlungen mit deröVP zudem gefordert: Sollte ein Minister mit seiner Initiative vom Regierungspartner abgelehnt werden, bleiben zwei Monate Zeit, um die Gegensätze zu überbrücken. Nach dem Ablaufen dieser Frist sollte der Minister das Recht haben, den Gesetzentwurf in Form eines Berichtes an den Nationalrat zu übermitteln, wo dann die Vorlage nach freier Mehrheitsbildung behandelt werden sollte. Demgegenüber ist der SPÖ-FPO-Pakt vermutlich doch starrer.

Außenpolitik

Österreich wird… seine aktive Außen- und Neutralitätspolitik fortsetzen, zu der auch das uneingeschränkte Bekenntnis zu einer Politik der Entspannung zählt. Die Regierungsparteien unterstützen alle Bemühungen zur Rüstungskontrolle bzw. zu einer ausgewogenen Abrüstung. In der Regierungserklärung werden im Sinne der bisherigen Außenpolitik auch Akzente zur Europapolitik, zu Südtirol und zur Friedenspolitik zu setzen sein.

Das ist die Fortsetzung der bisherigen Politik.

Arbeitsplätze für die Jugend

Zur verstärkten Schaffung von Arbeitsplätzen für Jugendliche werden die im zweiten Beschäftigungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen des Jugendprogramms 1983 auch in den folgenden Jahren fortgesetzt und weiterentwickelt werden … Zusätzlich werden spezielle Programme für arbeitsmarktpolitische Spezialbereiche wie Absolventen spezieller Studienrichtungen im Hochschul- und Fachschulwesen (zum Beispiel Ärzte, Lehrer) entwickelt werden.

Beschäftigung

Vordringliches Ziel der Wirtschaftspolitik … muß es weiterhin sein, ein möglichst hohes Beschäftigungsniveau zu sichern. Uber das schon laufende zehnjährige Investitionsprogramm… hinaus werden die Regierungsparteien ein zusätzliches Investitionsprogramm beschließen, das auch für die private Investitionstätigkeit kräftige Impulse gibt. Im besonderen werden in die sem Zusammenhang vereinbart: der Bau des Marchfeldkanals, ein Wohnbauprogramm für 10.000 Wohnungen; eine zusätzliche Milliarde für Klein- und Mittelbetriebe; die/Gründung eines Umweltfonds. Dazu kommen die notwendigen Investitionen für Schwerpunkte im öffentlichen Bereich (zum Beispiel ÖBB, Straßenbau).

Und vom dritten Beschäftigungsprogramm der Kreisky-Regierung - mit Semmering-Basistunnel, Wienerwalduntertunnelung - ist nach der Wahl keine Rede mehr.

Verstaatlichte

Angesichts der internationalen Wirtschaftskrise ist es erforderlich, die verstaatlichte Industrie weiter zu fördern. Die Existenzgrundlagen der verstaatlichten Industrie müssen langfristig sichergestellt werden. Der Staat als Eigentümer hat die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß die Unternehmen der verstaatlichten Industrie über genügend Investitionsmittel verfügen, um die Grundstoffproduktion weiter zu modernisieren und gleichzeitig in neue, aussichtsreiche Produktionsbereiche der Finalindustrie vorstoßen zu können. Ziel dieser Politik ist es, das Beschäftigungsniveau in den verstaatlichten Unternehmen so weit wie möglich durch zukunftssichere Arbeitsplätze zu erhalten. Vordringlich ist, eine längerfristige, zukunftsorientierte Strategie für jeden einzelnen Unternehmensbereich innerhalb der verstaatlichten Industrie zu entwickeln.

Punktum. Die Worte klingen wohlbekannt — und abgenützt. Eine Enttäuschung.

Privatwirtschaft

Im Interesse der… Grundsätze der Beschäftigungspolitik und der dafür erforderlichen Konjunkturbelebung ist eine Wirtschaftspolitik zu forcieren, die auf der Angebotseite ein investitionsfreundliches Klima schafft und ebenso auf der Nachfrageseite durch Stärkung der Massenkaufkraft den Absatz sichert. Die Regierungsparteien stimmen überein, daß ein entscheidendes Moment der Krisenbekämpfung in der Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe liegt… Klein- und Mittelbetrieben wird für die Gründung von Exportringen Starthilfe gewährt.

Wie sich eine Erhöhung der Mehrwertsteuer mit der Stärkung der Massenkauf kraft verträgt, ist ein Geheimnis des Abkommens.

Budget a) Bei den Budgetausgaben werden strengste Maßstäbe der Sparsamkeit angelegt; insbesondere ist vorgesehen: die Nullbudgetierung in allen Bereichen; eine weitere Kürzung der Subventionen; die Zulassung eines Budgetmittelvortrages auf das Folgejahr; die eingehende. Prüfung sämtlicher Folgekosten vor Übernahme neuer großer Staatsausgaben; Prüfung jeder Ausgabe auf ihre Notwendigkeit…

b) An Mehreinnahmen sind vorgesehen: die, 30-Schilling- Wohnungsbeihilfe wird abgeschafft … Zur Finanzierung weiterer beschäftigungspolitischer Maßnahmen … wird eine Än- onymitätsgebühr in der Höhe von

20 Prozent des Zinsertrages eingehoben …

c) Dem Umweltschutzfonds wird eine zweckgebundene Abgabe auf Energieverbrauch zugeführt.

d) Die Bundesregierung wird… im Herbst 1983 prüfen, inwieweit die … Situation eine Erhöhung bestimmter Mehrwertsteuersätze notwendig macht…

e) Angestrebt wird eine Steuerreform … Im Zuge dieser Reform wird auch eine Überprüfung des Steuerrechtes auf sachlich nicht gerechtfertigte Ausnahmebestimmungen vorgenommen werden …

… womit die höhere Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes aufgeschoben, nicht aufgehoben ist. Und auf ihre Forderung, daß die Steuer- und Abgabenquote von 42 Prozent nur nach einer Volksabstimmung höherge- schraubt werden darf, hat die FPÖ wohl vergessen.

Konferenzzentrum

Das… Konferenzzentrum wird in kostengünstiger Weise fertiggestellt werden und auch als Kultur- und Handelszentrum dienen. Es soll seinen Betrieb, wenn möglich, bereits 1986 aufnehmen.

Wogegen war eigentlich die FPO bisher? Und das Schlimmste: Kein Deut von Finanzierung!

Energiepolitik

… Durch Investitionen im Energiebereich ist eine Steigerung der Wirksamkeit des Einsat-

zes von Energie zu erreichen. Im besonderen wird eine Erhöhung des Nutzungsgrades der Energie, insbesondere ein höheres Maß an Wiederverwertung angestrebt…

Im besonderen wurde insbesondere kein Wort überBiosprit-Ein- satz angestrebt.

Umwelt

Die Regierungsparteien stimmen überein, daß bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen ökologische Gesichtspunkte za berücksichtigen sind … Für die Luftreinhaltung und für eine Sa nierung der Wälder ist eine weitere Entschwefelung von Rauchgas und öl anzustreben, wobei bis zum Ende der Legislaturperiode die Grundlagen für die Erreichung internationaler Spitzenstandards geschaffen werden sollen …

Erfreulich, daß zumindest dabei eine Frist gesetzt wurde.

Sozialpolitik

Im Bereich der Sozialpolitik wird es … vor allem darum gehen, die verfügbaren Mittel gezielt zugunsten der sozial Schwachen einzusetzen … Die Bundesregierung garantiert die Pensionen … Eine umfassende Reform der Sozialversicherung soll auch in Zukunft ein gerechtes und gesichertes Leistungssystem gewährleisten. Zu diesem Zweck werden Verhandlungen über eine Reform der Sozialversicherung ger führt… Hinsichtlich der Frage einer Verkürzung der Arbeitszeit sollen zunächst die Beschlüsse des ÖGB-Bundeskongresses abgewartet werden.

Überraschenderweise kein Wort über die Förderung der Eigenvorsorge und leider keinerlei Termin. Die A bsichtserklärungen selbst sind ja nicht neu.

Familie

Im Bereich der Familienpolitik stellt die Sicherung der materiellen Familienförderung ein zentrales Anliegen … dar. Dabei wird der Schwerpunkt auf Familien mit besonderen Problemen gelegt werden müssen…

Uber die Aufgaben des neuen Familienministeriums findet sich keinerlei Hinweis. Und wįe denn soll der geplünderte Familienfonds „gesichert“ werden?

Wohnbau

… Die Wohnbauförderung ist zu reformieren und dabei eine stärkere Unterstützung einkommensschwacher Gruppen zu sichern. Es soll gewährleistet werden, daß geförderte Wohnungen widmungsgemäß verwendet werden. Die Wohnbauträger sind verstärkt zu kontrollieren.

Bildung & Kunst

Im Zuge der Realisierung der 7. SCHOG-Novelle wird dem Bereich der inneren Schulreform eine besondere Bedeutung zukommen. Auf Grund der Ergebnisse der Schulversuche soll die Oberstufe der AHS besser gestaltet werden … Bei den Bundestheatern muß eine möglichst wirtschaftliche Gestion sichergestellt werden. Dazu erscheint die Verabschiedung eines Bundestheatergesetzes zweckmäßig.

Diese Absichtserklärungen sind durchaus der FPO gutzuschreiben, aber nicht neu.

Verteidigung

(Im Bereich der Landesverteidigung) setzen sich die Regierungsparteien den Ausbau des Milizsystems zum Ziel… Die restriktive Vorgangsweise bei Waffenexporten wird beibehalten.

Von der Anschaffung einer begrenzten .Unzahl qualifizierter Flugzeuge und Abwehrlenkwaffen“, wie das die FPÖ vehement vertreten hat, ist da nichts zu lesen. ‘

Demokratiereform

Auf dem Gębiet der Weiterentwicklung der Demokratie… wird vereinbart und in Aussicht genommen: Abbau von Privilegien im Bereich der Politik und der Wirtschaft noch im Jahre 1983; … die Regierungsparteien bekennen sich zu dem Grundsatz, Personalentscheidungen nach objektiven und sachgerechten Kriterien zu treffen. Einsetzung einer neuen Kommission zur Reform der Grund- und Freiheitsrechte, unter Verwertung der bisher geleisteten Vorarbeiten; Schaffung eigener Rechtsformen bei der Verwirklichung von Großbauvorhaben der Gebietskörperschaften, die verbesserte Kon- trollmöglichkeiten gewährleisten; Verabschiedung eines neuen Haushaltsrechtes; zügige Fortsetzung der Verhandlungen über das Länderforderungsprogramm…

Dieser Teil des Koalitionspaktes ist insgesamt enttäuschend. Vor der Wahl haben sich die Parteien mit Anträgen zum Privilegienabbau im Parlament übertrumpft — sie konnten ją nicht mehr verabschiedet werden. Und jetzt reicht’s nur für eine derart unverbindliche Formulierung! Die FPÖ ist mit ihrer vehementen Forderung nach Ausbau der direkten Demokratie (Überleitung von Volksbegehren in Volksabstimmung) total untergegangen. Und eine Verbesserung des Wahlrechtes wird überhaupt nicht mehr ins Auge gefaßt.

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