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Panzerschmiede für die Diktatoren?

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Österreichs Waffenexporte bedeuten einen wichtigen Posten in unserer Arbeitsmarkt-und Devisenbilanz und sichern unsere Verteidigungsbereitschaft. In den letzten Tagen wurden aber noch andere Aspekte sichtbar, die diskutiert werden müssen.

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Österreichs Waffenexporte bedeuten einen wichtigen Posten in unserer Arbeitsmarkt-und Devisenbilanz und sichern unsere Verteidigungsbereitschaft. In den letzten Tagen wurden aber noch andere Aspekte sichtbar, die diskutiert werden müssen.

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Sollen Österreichs Steyr-Werke wirklich Chiles Militärdiktatoren mit „Kürassier"-Panzerfahrzeugen beliefern? Bundeskanzler Kreisky beruhigte die Gemüter: Man werde von den Käufern eine Erklärung fordern, daß „diese Geräte" nicht gegen das Volk eingesetzt werden.

Der Pressesprecher des Verteidigungsministeriums charakterisiert den „Kürassier" als „Panzerabwehrkanone auf Selbstfahrlafette", die mit ihrer leichten Panzerung gegen Splitter und Granaten bis zum Zwei-Zentimeter-Kaliber schützt und „kein Angriffsmittel", sondern eine Waffe zur Abwehr feindlicher Panzer darstelle.

Mit diesen Eigenschaften eignet sich der „Kürassier" offensichtlich aber auch ganz besonders für den Straßenkampf. Gegen einen äußeren Feind hingegen könnte ihn Chile bestenfalls zur Verteidigung eines winzigen Stückchens im tiefen Süden seiner über Tausende von Kilometern durch Hochgebirge führenden Grenze gebrauchen.

Doch dazu wird es kaum kommen. In Lateinamerika werden schon lange kaum mehr Kriege geführt; um so öfter schießen dort Panzer auf das Volk.

österreichische „Kürassier"-Panzer wurden in Bolivien im vergangenen Jahr nachweislich gegen das Volk eingesetzt. Beim „Allerheiligen-Massaker" vom 10. November 1979 starben zahlreiche Menschen, - Monate vor der jüngsten, knapp drei Wochen zurück' liegenden Machtergreifung des Militärs.

In den Dokumentationen über dieses Blutbad sind die „Kürassiere" im Einsatz deutlich erkennbar. Ein Grund für jeden Österreicher, sich zu schämen. (Siehe das Foto auf dieser Seite!)

Man sollte also allfällige Erklärungen der chilenischen Machthaber nicht überschätzen. Trotzdem wäre es sehr

,, Wo kein Gesetzestext Geheimhaltung gebietet, wird Vorsicht zur Mutter der Diskretion."

interessant, zu wissen, ob nicht schon die Panzerlieferung nach Bolivien an irgendwelche Garantien der Empfänger geknüpft gewesen war.

Weder das Blutbad vom vergangenen November noch die Machtergreifung der bolivianischen Armee kam nämlich unerwartet. Seit Jahren strebte Boliviens innenpolitische Entwicklung auf dieses (vorläufige) Ende zu. Und es bestanden mindestens ebenso gute Gründe, von den Bolivianern jene Erklärung zu verlangen, die nun die Chilenen abgeben sollen. Hat Österreich eine solche Erklärung verlangt?

Wenn nicht, wäre das Tür unsere für diese Unterlassung verantwortlichen Politiker, gelinde gesagt, äußerst beschämend. Es könnte bedeuten, daß sie entweder damals geschlafen haben oder daß es ihnen jetzt nur um eine Alibihandlung geht, mit deren Hilfe ein anrüchiges Geschäft über die Bühne gebracht werden soll.

Wenn aber Zusicherungen gegeben und gebrochen wurden, wüßte die österreichische Öffentlichkeit nur zu gerne, welche Konsequenzen die österreichische Regierung daraus gezogen hat oder spät, aber doch noch zu ziehen gedenkt.

Eine diskrete Erledigung würde nämlich die Vermutung nahelegen, daß wir ein geprellter Lieferant sind, der sich fest die Augen zuhält, um es sich nur ja nicht mit dem nächsten Kunden, zum Beispiel Chile, zu verderben. Welchen Wert hätte in einem solchen Fall die Erklärung, die wir den chilenischen Militärs abverlangen wollen?

Die vergangene Woche lieferte interessante Exempel für Informationspolitik in unserer transparenten Gesellschaft, wenn es einmal hart auf hart geht.

• Der Pressesprecher der Steyr-Werke, die den „Kürassier" bauen, erklärt, Generaldirektor Malzacher habe sich jede Äußerung zu diesem Thema vorbehalten, sei aber auf Urlaub.

• Das Sekretariat des Generaldirektors verbindet zu einem „Herrn von der Waffe" weiter.

• Die Sekretärin des „Herrn von der Waffe" (nicht adels-, sondern bloß zuständigkeitshalber) setzt Leute, die ihn sprechen wollen, auf eine Liste jener Leute, die schon seinen Rückruf erwarten. Der Rückruf kommt natürlich nie.

Während sich also die Panzerschmiede nicht einmal herbeilassen, zu sagen, daß sie nichts sagen wollen, sagen wenigstens die für die Bewilligung von Kriegsmaterial-Exporten zuständigen staatlichen Stellen, warum sie nichts sagen.

Zugänglich ist die Information, daß in dem Verfahren zur Behandlung von Anträgen auf Bewilligung von Waffenexporten das Innenministerium federführend ist. Aufgrund des Kriegsmaterialgesetzes vom 18. Oktober 1977 entscheidet der Innenminister „im Einvernehmen mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesminister für Landesverteidigung nach Anhörung des Bundeskanzlers"; beharrt eine dieser Stellen auf „gewichtigen Bedenken", wird abgelehnt.

Unter den möglichen „gewichtigen Bedenken" wird in den Erläuterungen ausdrücklich auch der Grund zur Annahme genannt, „daß eine Kriegsmateriallieferung im Bestimmungsland zur Unterdrückung der Menschenrechte verwendet werden soll."

Leider darf man nicht einmal erfahren, wann die Panzer für Bolivien bestellt bzw. geliefert wurden. Und dies darf man nicht erfahren, weil man offiziell nicht einmal erfahren darf, daß jemals österreichisches Kriegsgerät nach Bolivien ging.

Jede konkrete Auskunft wird von

den anderen beteiligten Ministerien unter Hinweis auf die federführende Funktion des Innenministeriums, von der Leiterin der Abteilung 11/13 des Innenministeriums wiederum unter Berufung auf Artikel 20 Absatz 3 der Bundesverfassung abgelehnt, der die Staatsdiener zu „Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen . . ., deren Geheimhaltung im Interesse einer Gebietskörperschaft oder der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit)", verpflichtet.

Das Interesse der Parteien, sprich: der Waffen exportierenden Betriebe, wird gewahrt. Auf der Strecke bleibt das Bedürfnis nach jenem Minimum an offizieller und seriöser Information, ohne das Entscheidungen auf diesem Gebiet nicht öffentlich diskutiert werden können. Leider sind diese Entscheidungen nicht rein wirtschaftlicher Natur. Sie haben ethische und moralische Konsequenzen.

Die Geheimhaltung geht so weit, daß offiziell nicht einmal Zahlen über die

globale Bedeutung der Kriegsmaterial-Exporte für die österreichische Volkswirtschaft erhältlich sind.

Wo kein Gesetzestext Geheimhaltung gebietet, wird die Vorsicht zur Mutter der Diskretion. Die Frage, ob sich Österreich schon einmal von einem Waffenkäufer Zusicherungen geben ließ, die dieser dann nicht einhielt, berührt keine Parteieninteressen, sondern Österreichs Außenpolitik, wird aber auch nicht beantwortet.

Die Leiterin der Abteilung 11/13 im Innenministerium bittet um Verständnis, wenn sie den Anfrager an das Bundeskanzleramt in seiner „die gesamte Bundesverwaltung koordinierenden Funktion" verweist.

Der zuständige Herr im Bundeskanz-

leramt bittet um Verständnis, wenn er „unter den gegebenen Umständen, wie sie innenpolitisch sind", ersucht, „diese Frage an die Politiker zu richten".

Der auf Blitzbesuch nach Wien gekommene Bundeskanzler läßt seinen Sprecher antworten, daß „alles den Gesetzen entsprach". Was frei übersetzt auch „Schmeck's" bedeuten könnte.

Damit bleibt die Frage, ob sich Österreich überhaupt dafür interessiert, ob und welche Verbrechen mit den hier produzierten Waffen begangen werden, solange nur das Alibi stimmt, unbeantwortet im Räume stehen. Und je begründeter dieser Verdacht erscheint, um so weniger kann, ethisch und politisch, die in dieser Frage betriebene Geheimhaltungspolitik gerechtfertigt werden.

Allerdings ist die informationspolitische Abschottung des Waffengeschäfts alles andere als total. Sie wird in der Praxis immer dann durchlöchert, wenn das liebe Gesicht des Januskopfes zum Vorschein kommt und Österreichs Waffenhersteller Erfolgsmeldungen in die Medien sickern lassen.

Das Puzzle, das dabei entsteht, ist vielleicht nicht vollständig, aber ansehnlich:

• 1977 kommt das erste Panzer-Exportgeschäft zustande: Tunesien kauft 45 „Kürassiere" für 811 Millionen Schilling.

• 1978 ersteht die argentinische Militärregierung „Kürassiere" im Gegenwert von 500 Millionen Schilling. Lieferengpässe werden nach Zeitungsmeldungen auf Wunsch des Steyr-Zentral-betriebsrates und mit Genehmigung der Bundesregierung überbrückt, indem das Bundesheer 17 Panzertürme aus eigenen Beständen zur Verfügung stellt, die später wieder ersetzt werden.

• Vermutlich 1979 liefert Österreich jene „Kürassiere" nach Bolivien, die dann gegen das Volk auffahren.

• 1980 interessiert sich auch Uruguay für österreichische Panzer und Geländefahrzeuge. Auch mit Argentinien wird über weitere Lieferungen von 50 „Kürassieren" zum Stückpreis von 14 bis 16 Millionen verhandelt. Österreichs „Kürassier" erfreut sich wach-

sender Beliebtheit bei Lateinamerikas Militärdiktaturen.

• Marokko, Syrien und Saudiarabien sind ebenfalls Panzerkunden oder sollen es werden.

Doch die in Österreich gebauten und mit Geschützen französischer Herkunft bestückten „Selbstfahrlafetten" vom Typ „Kürassier" sind bloß besonders große Brocken.

• Die Hirtenberger Patronenfabrik erzeugt jährlich scharfe Munition sowie Zündhütchen im Gesamtwert von 300 Millionen. 75 Prozent werden exportiert.

In der Österreich-Beilage einer bolivianischen Tageszeitung, die kurz vor dem Militärputsch erschien, gab es außer einer Steyr-Anzeige („Wir produzieren, was die Welt heute braucht und was auch unter den schwierigsten Bedingungen funktioniert") nur noch eine von Hirtenberger: Granatwerfermuni-

tion, Panzermunition, Munition für Maschinenpistolen aller Art von der NATO-Waffe bis zur Kalaschnikow.

• Die Firma Voere wiederum entwickelte ein besonders durchschlagskräftiges Kleinkalibergewehr mit todsicherem amerikanischem Laser-Zielgerät, das sich auch bei der Geiselbefreiung in Entebbe in den Händen der israelischen Soldaten bewährt haben soll.

Österreichs Waffenexporte haben wichtige verteidigungspolitische

Aspekte, sie bedeuten Arbeit für Tausende Menschen. Und sie bringen Steyr-Daimler-Puch einen weit größeren Anteil am Gesamtgewinn, als ihrem Anteil an Gesamtumsatz und Gesamtbelegschaft entspricht.

Doch alles hat Grenzen.

Panzerlieferungen an Diktatoren, die österreichische „Geräte" gegen das Volk einsetzen, unter Hinweis auf Amtsverschwiegenheit und Arbeitsplätze abzublocken - so einfach kann man es sich nicht machen.

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