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Papst allein ist nicht die Kirche

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Uber den,, Weg der Kirche im Spiegel der letzten Päpste“ sprach der Erzbischof von Wien am 29. Mai beim Dreiländertreffen deutschsprachiger katholischer Publizisten in Dürnstein und zeichnete dabei ein faszinierendes Bild der facettenreichen Persönlichkeiten von Pius XII. bis Johannes Paul II. Wir geben daraus aktuelle Passagen wieder.

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Uber den,, Weg der Kirche im Spiegel der letzten Päpste“ sprach der Erzbischof von Wien am 29. Mai beim Dreiländertreffen deutschsprachiger katholischer Publizisten in Dürnstein und zeichnete dabei ein faszinierendes Bild der facettenreichen Persönlichkeiten von Pius XII. bis Johannes Paul II. Wir geben daraus aktuelle Passagen wieder.

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Dieser Papst hat in seinem Leben und in seinem Beispiel gezeigt, daß die aus dem Evangelium stammende Liebe doch die größere Macht ist, größer als Furcht, Haß und Verzweiflung. Alles, was die Welt wünscht, was sie ersehnt und was sie glauben will und doch nicht zu glauben wagt, all das sieht sie in diesem Papst verkörpert. Nicht nur die katholische, nicht nur die christliche Welt.

Die dem Papst zujubelnden Massen können aber auch Gefahr sein. Denn hört man auch auf das, was er sagt? Hat die Masse, haben die vielen Menschen, die ihm zujubeln, darauf geachtet? Haben sie versucht, dem zu entsprechen, was er so eindringlich ihnen ans Herz legte?

Niemand weiß, was in den Herzen einzelner Menschen vor sich geht, welche Prozesse da in Gang gesetzt werden können. Bedeutet aber begeistert sein und zujubeln auch, daß man jene Umkehr ernst nimmt, zu der der Papst seine Zuhörer zu bewegen versucht?

War nicht der Ausgang des italienischen Referendums eine Enttäuschung Für den hohen Patienten im Krankenhaus? Hat sein Eintreten Für den Schutz des Lebens, auch Für den des ungeborenen Lebens, Erfolg gehabt? Haben wir nicht einen viel größeren Erfolg erwartet?

Vielleicht hat das Attentat das Referendum mehr beeinflußt, als wir glauben. Es gibt Italiener, die meinen, ohne dieses schmerzliche Ereignis wäre dieses Referendum viel negativer ausgefallen.

Welche Folgen kann das Attentat nicht nur Für den Papst selber, sondern auch Für Welt und Kirche haben? Ein Anschlag kann Für den, der ihn überlebt, Anlaß sein, sich seinen bisherigen Weg nochmals zu überlegen. Er kann aber auch Anlaß sein, sich in seinem Weg von der Vorsehung bestätigt zu Fühlen.

Ganz vordergründig gesehen, wird der Papst trotz seiner robusten Gesundheit mit einer eine Zeitlang angeschlagenen Konstitution haushalten müssen.

Er wird, so kann man annehmen, in Zukunft weniger reisen und mehr in Rom bleiben. Ihn so mehr am Schreibtisch zu wissen, wird Für manche Genugtuung sein. ‘

Daß sich aber der Kurs dieses Papstes grundlegend ändern könnte, ist meiner Meinung nach nicht zu erwarten.

Es wird auch nicht an Versuchen fehlen, gerade unter Hinweis auf die wunderbare Errettung, den Papst als besonderes Werkzeug Gottes hinzustellen,

um ihn mit einem Absolutheitsanspruch besonderer Art zu umgeben, der ihm selber sicherlich nicht liegt. Es wird Sache seineb Freunde und seiner Umgebung sein, solchen Versuchen zu weh- * ren.

Der Papst wird bleiben, was er ist: ein Mensch von Fleisch und Blut, durchdrungen von einem tiefen Glauben, überzeugt von seiner Aufgabe in der Kirche, aber auch ein Mensch, mit dem

man als Mensch sprechen kann und brüderlich sprechen soll, wie es im Evangelium heißt. Diese Möglichkeit haben die Bischöfe und Kardinale in nicht geringem Maße.

Heute ist die Meinung weit verbreitet, daß der Papst in allen wesentlichen Dingen den Gang der Kirche bestimme. Seine zahlreichen Reden, Stellungnahme zu konkreten Anliegen, zu aktuellen Anlässen der Freude und der Trauer können diesen Eindruck verstärken.

Das stimmt allerdings nicht mit dem Glaubensverständnis der katholischen Kirche überein. Im Konzilsdokument über die Bischöfe lesen wir zum Beispiel, „daß auch die Bischöfe vom Heiligen Geist eingesetzt sind. Sie treten an die Stelle der Apostel als Hirten der Seelen … Die Bischöfe haben Anteil an der Sorge für alle Kirchen, sie üben ihr Amt in Gemeinschaft unter der Autorität des Papstes im Hinblick auf die ganze Kirche Gottes aus, wenn sie im Bischofskollegium oder als Körperschaft vereint sind“ („Leben und Dienst der Priester“, Nr. 2).

Das Wort und die Aktivität eines Papstes stehen wegen der Reichweite seiner Verantwortung viel mehr im Blickpunkt der Welt als das Kollegium der Bischöfe. Eine kollegiale Führung und Verantwortung unterscheidet sich außerdem wesentlich von einer persönlichen Führung und Verantwortung. Sie ist flexibler, rascher und anpassungsfähiger.

Jeder Papst hat seinen eigenen Stil. Dieser Stil kann den Eindruck erwek- ken, er allein präge die kirchliche Öffentlichkeit und bestimme ihr zeitliches Antlitz. Den persönlichen Stil und seine geschichtliche Ausprägung müssen wir unterscheiden von der Sendung der Kirche als solche, die in ihrer Sendung die Sendung Christi fortsetzt, der den Armen die Frohe Botschaft zu künden gesandt war, (Missionsdekret, Nr. 5).

Auf der ganzen Kirche liegt die Pflicht, den Glauben und das Heil Christi zu verkünden und zu verbreiten …

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