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Papst und Bischöfe

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StehtderTreueeid, den unlängst der neue Salzburger Erzbischof geleistet hat, in Einklang nnit Bibel und Tradition? Welche Eigenständigkeit Steht Ortskirchen ZU?

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StehtderTreueeid, den unlängst der neue Salzburger Erzbischof geleistet hat, in Einklang nnit Bibel und Tradition? Welche Eigenständigkeit Steht Ortskirchen ZU?

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Die wissenschaftliche Erforschung der biblischen und frühchristlichen Texte zwingt uns, die Begründung der päpstlichen Autorität heute differenzierter zu sehen, als dies früher in der gängigen Katechese üblich war. Dadurch wird keineswegs der dem Bischof von Rom und Patriarchen des Abendlandes als Papst der ganzen Kirche zustehende Vorrang in Frage gestellt, wenn auch im Interesse der Stärkung seiner für die ganze Christenheit wichtigen Autorität die Grenzen seiner Vollmacht nicht verschwiegen werden dürfen.

Als eine Folgerung aus dem biblischen und frühchristlichen Befund möchte ich hier zwei utopisch klingende Wünsche äußern, nicht zuletzt im Blick auf die Bedeutungen des Papstes für die Ökumene:

1. In allen auf das Notwendigste zu beschränkenden Erklärungen Roms möge transparent werden, daß - den ältesten biblischen Belegen zufolge - die höchste und wichtigste Aufgabe des Petrusdienstes darin besteht, die Kirche im Glauben an den auferstandenen Herrn zu festigen und sie zu einem glaubwürdigen Zeugnis dieser zentralen Wahrheit zu befähigen.

2. Römische Kreise, aber auch unsere Bischöfe, mögen oft über das nach Joh 21^22 vom Herrn an Simon gerichtete Wort des Herrn: „Was geht das dich an, du folge mir nach" meditieren und dann -möglichst mit österlichem Humor - überlegen,- „was heute Petrus nichts angeht" (nach einer Formulierung von Josef Pfammat-ter).

Bibel und die Kirchengeschichte lehren, daß Ortskirchen nicht einfach Teilkirchen sind, etwa nach der Art einzelner Provinzen in einem Staat; sie sind vollgültige Konkretisierung der einen Kirche an verschiedenen Orten. Ihre Bischöfe sind deshalb für ihre Diözesen selbst voll verantwortliche Hirten. Mit Recht wird darum heute auch wieder gefordert (zum Beispiel von Gisbert Greshake), dem „Ersten" (Protos) eines größeren Bezirks die patriarchalischen Aufgaben anzuvertrauen, ganz in Widerspruch zu der römischen Tendenz, die Bischofskonferenzen abzuwerten.

Im Blick auf die den Bischöfen und Patriarchen in der frühen Kirche zukommenden Aufgaben frage ich - ich stelle das zur Diskussion: Kann die erst in jüngster Zeit erlassene Vorschrift, daß römische Kurialen imd nicht die Ortsbischöfe allgemein über die Lehrbefugnis von Theologieprofessoren entscheiden, den Anspruch erheben, eine lex iusta zu sein, und dürfen Bischöfe eine solche Vorschrift überhaupt befolgen, ohne sich ihrer eigenen Verantwortung widerrechtlich zu entziehen?

Steht außerdem ein Treueeid bei der Bischofsweihe noch in Einklang mit Bibel und Tradition, die auch bei der Auslegung des 1. Vatikanums zu beachten sind, wenn der Weihekandidat verspricht: „Ich will die Rechte und Autorität des römischen Papstes verteidigen; ebenso auch die Vorrechte der päpstlichen Legaten und Verwalter. Was aber von jemanden dagegen unternommen wird, will ich dem obersten Hirten aufrichtig melden"?

Durch einen solchen Treueeid -so gesprochen bei der letzten Öi-schof sweihe in Salzburg - macht sich doch wohl der Weihekandidat zu einem bloßen, fragwürdigen Helfer der Kurie, unter Verzicht auf seine Eigenständigkeit als Ortsbischof. Hinsichtlich der römischen Vorgangsweise bei den letzten Bischofsernennungen muß ich als Bibelwissenschaftler gestehen: Ich sehe nicht, soweit ich mir ein Urteil bilden kann, wie die dabei geübte römische Vorgangsweise mit den biblischen Aussagen - unter Berücksichtigung der gesamten frühkirchlichen Tradition - über die Eigenständigkeit der Ortskirchen zu vereinbaren ist.

Bei allen Auseinandersetzungen in der Kirche, die es von Anfang an gegeben hat und wohl auch in Zukunft noch geben wird

(vergleiche 1 Kor 11,19), dürfen wir niemals vergessen: Die Kirche unterscheidet sich wesentlich von anderen Religionsgemeinschaften und gesellschaftlichen Gruppierungen dadurch, daß sie Gemeinschaft (communiö) mit Christus ist durch die Teilhabe an dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Um diese ihre Aufgabe zu erfüllen, darf sie sich nicht nach Art einer rein irdischen Gesellschaft (societas) verhalten.

Unser Weg - gerade in Konflikten - ist deshalb der in Eph 4,15 -dem Wahlspruch von Kardinal Franz König — gezeichnete: „die Wahrheit tun in Liebe" (Eph 4,15: aletheuein en agape), das heißt, die uns geschenkte Wahrheit des Evangeliums, „die Entbergung" von Gottes Plan mit dieser Welt, von der Berufung aller zur Teilhabe an der Herrlichkeit des erhöhten Herrn nicht verschweigen, verkürzen oder entstellen, sondern sagen und bezeugen, und zwar ,4n Liebe", also in geduldigem Achten aufeinander, auch auf alle, die nicht unsere Meinung teilen (vergleiche Lk 6,27—45), um die „Einheit des Geistes zu wahren", da wir als Kirche - jede Ein-zelkü-che wie die Gesamtkirche -ein „Leib" sind (Eph 4,2-4).

Oer Autor ist Ordinarius für Neutesta-mentliche Bibelwissenschaft an der Univer-sität Wien.

Auszug aus einem Referat bei der Tagung .JCirche zwischen Zentralismus und Kollegialität" der Katholischen Akademie in Bayern (München, 879. Aprü 1989).

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