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Papstreise ins Elend

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Die über 300 teils noch tätigen Vulkane mit den zahlreichen Erdbeben in Mittelamerika und in der Inselwelt der Karibik sind Symbole für die politische, gesellschaftliche und kirchliche Situation, die Papst Johannes Paul II. im Verlauf seiner 17. Auslandsreise (der vierten nach Amerika) antreffen wird. Sie dürfte die bisher schwierigste und gefährlichste sein.

Die sieben Besuchsländer (das achte, Haiti, nimmt in dieser Reise eine Sonderstellung ein) sind sehr verschieden, dennoch ist ihnen manches gemeinsam, vor allem die militärstrategische und geo-politische Situation. Zwei Drittel der für die USA lebenswichtigen Öltransporte laufen durch die Karibik. Der ebenso wichtige Kanal, der den Atlantischen Ozean mit dem Pazifik verbindet, führt durch Panama. In Mittelamerika liegen wichtige wirtschaftliche Interessen amerikanischer Handelsfirmen, Die seit Jahren zu beobachtende DeStabilisierungspo-litik der UdSSR trifft Amerika an einer äußerst empfindlichen Stelle.

Gemeinsam ist den sieben Ländern Mittelamerikas auch eine so-zio-politische Krisensituation. Die jahrhundertelange Ausbeutung verarmter und unwissender Landarbeiter durch einheimische Oligarchien haben eine Mentalität der Abhängigkeit wachsen lassen, die sicher auch rassisch mitbedingt ist. Auch infolge der weltweiten Rezession nimmt die Verelendung des Volkes gegenwärtig zu. Das alles ruft Widerspruch hervor.

Diese Konflikte wirken auch auf das kirchliche Leben ein und erzeugen Spannungen. In El Salvador, Nikaragua und Guatemala drohen diese bereits, die kirchliche Einheit zu zerreißen. Auf eine kurze Formel gebracht, kann man sagen, daß in ganz Lateinamerika drei kirchliche Hauptströmungen zu beobachten sind: Die erste verfolgt nach wife vor die herkömmliche Pastoral, die sich auf die Pflege des religiösen Lebens beschränkt. „Unsere Aufgabe ist, die Seelen zu retten", erklärte noch vor nicht langer Zeit der Erzbischof von Guatemala, Kardinal Casariego. Soziales Engagement ist wenig vorhanden.

Die zweite Strömung hält sich an die „Option für die Armen", zu der sich die lateinamerikanischen Bischöfe 1979 in Puebla bekannt haben. Die dritte Strömung ist nicht nur sozial, sondern auch sozialpolitisch engagiert und nähert sich als „Kirche des Volkes" oder „Kirche der Basis" bisweilen so stark revolutionärmarxistischen Ideogien und Bewegungen, daß sie in diesen aufzugehen droht.

Im Verlauf seiner 24.000 km langen Pastoralreise wird sich der Papst immer wieder mit diesen Strömungen in den Ortskirchen befassen müssen. Daher sind die Ansprachen an die Vertreter der Regierungen und an die Bischöfe im Verlauf dieser Reise besonders aufschlußreich.

Erste Station ist Costa Rica, das man in besseren Zeiten die „Schweiz Mittelamerikas" nannte. Dort wird der Papst mit 66 Bischöfen Mittelamerikas und Panamas zu einer überregionalen Konferenz zusammentreffen.

Dann begibt sich der Papst in das Krisengebiet Nikaragua. Das Land konnte vor nicht ganz vier Jahren eine langjährige Diktatur abschütteln und befindet sich inmitten einer nachrevolutionären Ernüchterungsphase. Die Hierarchie, die den revolutionären Prozeß der sandinistischen Befreiungsorganisation kräftig unterstützt hatte, sieht sich wegen der zunehmenden „Kubanisierung" des Landes nunmehr gezwungen, auf Distanz zu gehen.

Im Gegensatz zu den Bischöfen unterstützt die „Kirche des Volkes" die Regierung, der auch vier Priester-Minister angehören. Mit diesem Teil der Kirche versucht die Regierung den Papstbesuch so hartnäckig für ihre Ziele zu vereinnahmen, daß der Papst sich gezwungen sah, seinen „Außenminister", Erzbischof Achille Silve-strini, nach Managua zu entsenden.

Nächste Reiseziele sind Panama, das sich offiziell nicht zu Mittelamerika zählt, und El Salvador, das gegenwärtig an einem Bürgerkrieg zu verbluten droht. 32.000 Tote (darunter Erzbischof Romero) und 600.000 Flüchtlinge während der letzten drei Jahre zeugen von den Leiden einer Bevölkerung, die ihr mit Waffen aus dem Ausland zugefügt werden. Die Kirche hat sich im Verlaufe dieser Jahre stark polarisiert, wodurch sie viel an Möglichkeit einbüßte, vermittelnd zu wirken.

Nächstes Reiseziel ist Guatemala, ein Land, in dem der Präsident vor wenigen Jahren zu einer Sekte übertrat und die Kirche an der Herausforderung der sozialen Ungerechtigkeit bereits gespalten ist. Von diesem Krisenherd reist der Papst nach Honduras, einem durch politische Instabilität, Mißwirtschaft und Ausbeutung stark verarmten Land, und schließlich nach Beiice, dem kleinsten der sieben Länder Mittelamerikas. 1500 britische Soldaten sorgen für Ruhe in dieser ehemaligen Kronkolonie.

Ehe der Papst nach Rom zurückfliegt, besucht er den auf einer karibischen Insel gelegenen Kleinstaat Haiti, um die 9. Vollversammlung des lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) zu eröffnen. Die rund 70 Bischöfe werden vor allem über die Verwirklichung ihrer „Option für die Armen" diskutieren.

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