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Pariser Koalition vor politischen Herbststürmen

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Das französische Regierungslager sieht dem Herbst nicht ohne politische Befürchtungen entgegen. Es mehren sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen Präsident Francois Mitterrand und den Kommunisten. Außerdem ist der Verlauf des Ende Oktober stattfindenden Parteitags der Sozialisten unvorhersehbar.

Ziemlich übereinstimmend hält die politische Welt außerdem einen Wechsel des Premierministers für unumgänglich. Pierre Mauroys Popularität schwindet, und es verstärkt sich der Eindruck, daß er fast nur noch ein Schattendasein führt. Für alle wichtigen Fragen erfolgte während der letzten Monate eine deut-

liehe Verlagerung der Entscheidungsgewalt vom Regierungschef zum Staatspräsidenten.

Mitterrand scheint sich jedoch nicht klar darüber zu sein, ob er den Wechsel vor oder nach dem sozialistischen Parteitag vornehmen soll. Zur Stärkung seiner Position gegenüber der Partei wäre die erste Lösung empfehlenswert. Sie verbindet sich aber mit der Gefahr, daß sich der dann arbeitslos gewordene Mauroy um die Parteiführung bewirbt und sich im Widerstreit der Tendenzen als Kompromiß durchsetzt.

Damit würde Mitterrand seinem eigenen Kreis einen schlechten Dienst erweisen. Staatsraison und innenpolitische Taktik bewegen sich eben nur selten auf gleichen Bahnen.

Eine innenpolitische Schlüsselposition besitzen unverändert die Kommunisten. Vieles ändert sich, wenn sie aus der Regierung aus- scheiden oder ausgebootet werden. Die Verlockung ist auf beiden Seiten sehr groß, denn das Zusammenleben verbindet sich mit einer umso schwereren Nervenbelastung, als nach außen hin die Fiktion einer untrennbaren Ehe aufrechterhalten werden muß.

Mitterrand glaubt immer noch, daß die Kommunisten für ihn in der Koalition weniger gefährlich sind als außerhalb, während die Kommunisten bis zum letzten tragbaren Augenblick die Vorteile der Macht ausnützen wollen und es vielen von ihnen zudem ehrlich vor einer Rückkehr ins Getto graut.

Dessenungeachtet haben sich die Partner vor allem außenpolitisch auseinandergelebt, und es bedarf nur noch eines kleinen Schrittes, damit Georges Marchais, der kommunistische Generalsekretär, Mitterrand des Bruchs des vereinbarten Regierungspaktes beschuldigt.

Im Hintergrund befindet sich Moskau. Es verlangt immer schärfer von den westlichen kommunistischen Parteien eine absolute Solidarität, das heißt die Un terstützung seiner außenpolitischen Thesen. Marchais hat während eines Besuchs in Moskau in diesem Sinne Andropow weitgehende Zugeständnisse gemacht. Es ist wohl nicht ohne Bedeutung, daß er kurz danach einen vierwöchigen Urlaub in Bulgarien verbrachte.

Die Partei kehrt hiermit zu ihren alten Gewohnheiten und zur Vorliebe für.den Osten zurück. Sie verurteilt und bekämpft natürlich die’ NATO-Nachrüstung und fordert im Widerspruch zur offiziellen Verteidigungspolitik ihres Landes die Einbeziehung des strategischen französischen Atompotentials in die europäische Gleichgewichtsrechnung der taktischen Kernwaffen.

Eine weitere bittere Pille für die französischen Kommunisten ist die militärische Intervention im Tschad. Sie stehen mit der Sowjetunion auf seiten Libyens und betrachten den legitimen Tschadpräsidenten Hissen Habre als Puppe des amerikanischen Imperialismus* dem Frankreich keine Hilfsdienste zu leisten hat. Die ihnen vorschwebende Afrikapolitik ist demnach den Aktionen Mitter- rands diametral entgegengesetzt.

Es ist aber kaum denkbar, daß die französischen Kommunisten aus außenpolitischen Gründen das Regierungslager verlassen. Der sowjetische Einfluß wäre in diesem Falle zu offensichtlich. Sie wollen und müssen sich unbedingt als nationale Partei verhalten. Die Entscheidung wird daher auf dem Gelände der Sozialpolitik fallen.

Die Kommunisten widersetzen sich in ihrer Propaganda entschieden jeder Verringerung der Kaufkraft und hiermit der Stabilisierungspolitik der Regierung, die ohne gewisse Opfer nicht erfolgreich zu sein vermag. Neue Arbeitsplätze erhoffen sie sich vor allem von der Schließung der Grenzen, das heißt fort einem für die französische Wirtschaft tödlichen Protektionismus.

Mit diesen Zielen befinden sie sich praktisch schon in der Opposition. Sie wissen aber vorläufig nicht, und wie weit die Arbeiter auf ihre Parolen eingehen werden. Hiervon hängt ihre weitere Taktik ab. Stoßen sie auf ein günstiges Echo, dürften sie Frankreich einen heißen Herbst bescheren und das Risiko eines Bruchs mit Mitterrand eingehen. Uberwiegt aber in der französischen Bevölkerung die wirtschaftliche Vernunft, werden sie die Zwangsehe mit den Sozialisten zähneknirschend noch einige Zeit ertragen.

Der Verlauf des sozialistischen Parteitags hängt weitgehend vom sozialen Klima ab und hiermit mehr als indirekt vom Verhalten der Kommunisten. Allerdings ist die Kritik ^n der Politik des Wirtschafts- und Finanzministers De- lors in den sozialistischen Reihen schwächer geworden, weil sie immerhin einige Erfolge aufzuweisen hat. Aber es gibt starke Kräfte in der Partei, die das Bündnis mit den Kommunisten aus verschiedenartigen Gründen unverändert aufrechterhalten wollen.

In der Kulisse agieren ferner geschickt Minderheiten zugunsten einer größeren Eigenständigkeit Frankreichs, nicht nur gegenüber den Amerikanern, sondern auch innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, die ihrer Meinung nach hinter den sozialistischen Erfordernissen zufück- zutreten hat.

Ein Unsicherheitsfaktor sind schließlich die persönlichen Rivalitäten. Der Drang zur Macht dürfte den Verlauf des Parteitags kaum weniger stark bestimmen als die politischen, taktischen und ideologischen Auseinandersetzungen.

Mitterrands Interesse ist es, nicht nur in der Partei über eine klare Mehrheit zu verfügen, sondern auch zu verhindern, daß die vorhandenen Tendenzen Fraktionen bilden und sich so innerhalb der Bewegung eine Opposition gegen seine Politik herauskristallisiert. Augenblicklich besteht für den Erfolg dieses Unterfangens keine Gewähr.

Es ist daher durchaus möglich, daß der sozialistische Parteitag zu einer Schwächung der Position Mitterrands führt und dann mehr als indirekt die Kommunisten zu größerer politischer und sozialer Widerspenstigkeit ermutigt.

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